KVJS-Förderprogramm Arbeit Inklusiv wissenschaftlich bestätigt
Mehr als 6 000 reguläre Jobs für Menschen mit Behinderung, Arbeitgeber, die mit überwältigender Mehrheit weitere Mitarbeiter mit Behinderung einstellen würden, zufriedene, selbstbewusste Beschäftigte, die sich mit ihrem Betrieb identifizieren: Das ist die vorläufige wissenschaftlich gesicherte Bilanz des Förderprogramms Arbeit Inklusiv.
Jona Schmid hat große Pläne: Der junge Mann mit Lernschwierigkeiten arbeitet als Alltagsbegleiter für Senioren im Samariterstift Dachtel. Bei Bewohnern wie Kollegen kommt er mit seinem freundlichen, zugewandten Naturell gut an. Jetzt will er seine Halbtagsstelle aufstocken und nach einem Wohntraining näher an seinen Arbeitsplatz ziehen. Selbstständig werden. Bei seinem Chef rennt er damit offene Türen ein.
Jona Schmid ist als Experte in eigener Sache zur KVJS-Tagung in die Stuttgarter Liederhalle gekommen. Denn er hat wie mehr als 6 000 wesentlich behinderte Menschen, meist mit einer geistigen oder Lernbehinderung, von dem seit 2005 laufenden Förderprogramm Arbeit Inklusiv des KVJS profitiert. Das Programm ebnet insbesondere Abgängern und Abgängerinnen der früheren Sonderschulen, heute Sonderpädagogische Beratungs- und Bildungszentren (SBBZ) Schulen, inklusiv beschulten jungen Menschen sowie Beschäftigten der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und sorgt für eine dauerhafte Unterstützung.
Förderung aus einer Hand
„Mit Arbeit Inklusiv werden Arbeitnehmer aber auch Arbeitgeber gleichsam wie aus einer Hand gefördert und unterstützt“, so Gerhard Bauer, Verbandsvorsitzender des KVJS und Landrat von Schwäbisch Hall. Bauer eröffnete die Fachtagung „Ein Gewinn für alle: Teilhabe wirkt!“ in der Stuttgarter Liederhalle. Vorgestellt wurden die Ergebnisse des Forschungsprojekts zur Wirksamkeit des KVJS-Programms Arbeit Inklusiv.
Dieses bundesweit einmalige Förderprogramm hat eine Besonderheit: „Es ist Ihnen gelungen, das ganze Land dahinter zu versammeln“, stellte Dr. Peter Mozet vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales fest. Denn in Baden-Württemberg ziehen von Beginn an alle Beteiligten an einem Strang: Das Kultusministerium machte die systematische berufliche Vorbereitung im Rahmen einer vertieften beruflichen Orientierung sowie deren Planung, Abstimmung und Steuerung in Berufswegekonferenzen zur Aufgabe der Schulen. Die berufliche Vorbereitung und Orientierung sind an die duale Ausbildung angelehnt. In dem leistungsträgerübergreifenden Unterstützungsprozess werden insbesondere die Berufsberatung, die Eingliederungshilfeträger und die Integrationsfachdienste frühzeitig eingebunden.
Die berufliche Orientierung soll inklusiver organisiert werden
Die entsprechenden schulischen Unterstützungsangebote, die Berufsvorbereitende Einrichtung (BVE) sowie die Kooperative berufliche Bildung und Vorbereitung (KoBV), werden bisher von den SBBZ organisiert. Diese sollen nach den Ankündigungen von Ministerialdirektor Daniel Hager-Mann vom baden-württembergischen Kultusministerium, konzeptionell und organisatorisch überarbeitet werden und künftig als inklusive Angebote zu den Beruflichen Schulen übergehen.
Für Arbeit Inklusiv haben der KVJS, die Stadt- und Landkreise als Träger der Eingliederungshilfe und die Agentur für Arbeit ihre Kräfte gebündelt. Mit Erfolg. Landes-Behindertenbeauftragte Simone Fischer betonte in Stuttgart: „Ich bin überzeugt, gute Kooperation und gemeinsame Strukturen bringen die Inklusion voran.“
Erfolgsfaktoren identifizieren
Die gute Kooperation ist einer der Erfolgsfaktoren des Förderprogramms. Doch wie wirkt es sich auf die Menschen mit Behinderung aus, die dadurch einen regulären Job gefunden haben? Wie stehen ihre Arbeitgeber zu dem Programm? Würden sie weitere Menschen mit Behinderungen beschäftigen?
Diese und weitere Fragen untersuchte das KVJS-Forschungsprojekt unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Harald Weber, Institut für Technologie und Arbeit (ITA), Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau. Er und sein Team befragten rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms und mehr als 230 Betriebe.
Arbeitgeber möchten Beschäftigung ausweiten
Die Studie ergab, dass rund 60 Prozent Vermittlungen in kleinen und mittleren Betrieben bis 250 Arbeitsplätze stattfand. Ungewöhnlich für Baden-Württemberg, wo knapp 50 Prozent der beruflich Aktiven in größeren Unternehmen arbeiten.
Von den befragten Arbeitgebern wollen 79 Prozent mehr Menschen mit Behinderung beschäftigen. Ein Pluspunkt ist für sie die gute Unterstützung durch die Integrationsfachdienste (IFD). Die IFD vermitteln und unterstützen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten und bleiben verlässliche und kompetente Ansprechpartner der Arbeitgeber.
Auch die dauerhafte finanzielle Förderung der Arbeitsplätze ist ein wichtiges Kriterium.
Mehr Lebenszufriedenheit
Für viele der befragten Arbeitnehmer ist das Gefühl der Zugehörigkeit und Erfolg wichtig. Aus dieser Erfahrung der Selbstwirksamkeit ergibt sich eine überdurchschnittlich hohe Lebenszufriedenheit.
Die Beschäftigten mit Behinderung punkten nicht zuletzt durch überdurchschnittliches Engagement und Motivation, wie 92,2 Prozent der befragten Betriebe befanden. „Es gibt eine bemerkenswert hohe Stabilität der Nachhaltigkeitsquote“, stellte Studienleiter Weber fest. Die verschiedenen Krisen hätten keine messbaren Auswirkungen darauf gehabt. Derzeit liegt die Nachhaltigkeit bei 84,7 Prozent. Wer einmal im Betrieb angekommen ist, bleibt.