Die Verwaltung der Zukunft

Der Landkreis Karlsruhe positioniert sich für die nächsten 50 Jahre

Auf den ersten Blick geht es nur um ein Gebäude. Doch mit der Entscheidung, wie und wo das Landratsamt künftig arbeitet, werden Akzente für Klimaschutz, Leistungsfähigkeit und Bürgernähe gesetzt.
Janina Keller-Raviol · Landkreis Karlsruhe · 27. Februar 2023
Das Landratsamt-Areal im Zentrum der Stadt Karlsruhe könnte sich in den nächsten Jahren stark verändern. Der Kreistag will voraussichtlich im Herbst 2023 über die Zukunft des Projekts entscheiden.
Das Landratsamt-Areal im Zentrum der Stadt Karlsruhe könnte sich in den nächsten Jahren stark verändern. Der Kreistag will voraussichtlich im Herbst 2023 über die Zukunft des Projekts entscheiden.
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Mit mehr Aufgaben wachsen die Anforderungen und die Verantwortung. Die Landkreise in Baden-Württemberg sind in den vergangenen Jahren immer stärker zu den Stellschrauben geworden, mit denen politische Entscheidungen auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Flüchtlingskrisen, Pandemie, Gesetzesänderungen: All diesen Herausforderungen können sich Kreise nur stellen, in dem sie sich als effizient arbeitende und eigenverantwortliche Verwaltungsbehörden positionieren. Mit den stark wachsenden Arbeitsbereichen und dem damit notwendigen Personal kommen auch die Gebäude als unmittelbares Arbeitsumfeld an ihre Grenzen. Der Landkreis Karlsruhe nimmt mit seinen Überlegungen für ein zukunftsweisendes Landratsamt-Areal mehr als nur ein Bauprojekt in den Blick.

 

Der Kreistag entscheidet über die Optionen

Die finale Entscheidung, was und wie gebaut wird, liegt beim Kreistag. Im Jubiläumsjahr der Kreisreform fällt damit ein wegweisender Beschluss. Im Oktober 2023 ist mit einem endgültigen Ja oder Nein für die Neugestaltung des Areals inklusive Neubau des Dienstgebäudes zu rechnen. Eine Sanierung des alten Gebäudes war zur weiteren Büronutzung aufgrund der Schadstoffe und der Statik nicht mehr möglich. Erste Weichen stellte das Gremium in den vergangenen knapp zehn Jahren bereits. Aktuelle Entwicklungen sind stetig eingeflossen und haben die Notwendigkeit zu handeln mehr und mehr verfestigt. Besondere Werte, die mit dem Gesamtprojekt vertreten werden sollen, spiegeln sich auch in der politischen Ausrichtung des Landkreises in jüngster Zeit wider.

„Zeozweifrei 2035“ prägt die Projekte im Kreis

2035, wenn der Landkreis bereits über 60 Jahre in seiner heutigen Form bestehen wird, soll er CO2-frei sein. „Dieses Ziel hat der Kreistag verschärft und damit unmittelbar auch sichergestellt, dass alle künftigen Projekte unter Betrachtung des Klimaschutzes in unserer Region bewertet und umgesetzt werden“, sagt Landrat Dr. Christoph Schnaudigel. Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben daher auch beim zukunftsweisenden Bauprojekt auf dem eigenen Areal höchste Prämisse.

Dass der Landkreis und seine Kommunen „zeozweifrei 2035“ auf vielen Ebenen gemeinsam verfolgen, wurde zuletzt wieder mit der Gründung des Kommunalen Klimaschutzvereins deutlich: „Darin haben sich alle 32 Städte und Gemeinden zusammengeschlossen, um gemeinsam in konkreten Bereichen wie zum Beispiel der Wärme- und Energieplanung Fortschritte zu erreichen“, erklärt Landrat Dr. Christoph Schnaudigel. „Besonders hat uns hierbei gefreut, dass die Netze BW ihre Anteile an der Umwelt- und Energieagentur Kreis Karlsruhe zu einem symbolischen Wert an den Verein übertragen hat. Gemeinsam mit unseren Kommunen stellen wir uns so den Aufgaben der Zukunft.“

 

Ein Quartier als Begegnungsort

Um solche wichtigen Schritte zu gehen, braucht es eine Landkreisverwaltung, die langfristig gewappnet ist. Mit dem Quartier, das zwischen Ettlinger Tor, Beiertheimer Allee und Kriegsstraße mitten im Karlsruhe Stadtzentrum gestaltet werden soll, stärkt der Kreistag einen verantwortungsbewussten Landkreis und eine beständige, handlungsfähige Verwaltung. Zugleich entwickelt sich die Möglichkeit auf einen Begegnungsort im öffentlichen Raum.

Zwischen einem modernen Arbeitsumfeld, einer Grünen Mitte und attraktiven Nutzungsmöglichkeiten treffen sich Einwohnerinnen und Einwohner, Wirtschaft und Politik. Ein Projekt, das bereits jetzt in der Planung städtebaulich hervorsticht. Das vorgesehene Servicecenter im Erdgeschoss soll mit seinem offenen Konzept zusätzlich Hürden zwischen der Verwaltung und den Einwohnerinnen und Einwohnern abbauen. Das Landratsamt hat in den vergangenen Jahren zwar zahlreiche Behördengänge in digitaler Form ergänzt, um somit auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Das Angebot eines persönlichen Kontakts soll aber auch in Zukunft weiter bestehen.

 

Der Siegerentwurf setzt erste Eckpunkte

Mit der Entscheidung für den Entwurf des Büros Wittfoht Architekten aus Stuttgart legte das Gremium 2021 beim Städtebaulichen Architektenwettbewerb gemeinsam mit der Stadt Karlsruhe erste Eckpunkte für das Areal fest. „Derzeit sind rund 63.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche in Planung. Genutzt werden sollen diese aber nicht nur vom Landkreis, sondern auch von externen Partnern wie dem Gemeindetag Baden-Württemberg sowie Wirtschafts- und Privatkunden“, fasst Ragnar Watteroth, Finanzdezernent des Landkreises Karlsruhe und Leiter des Projekts, den aktuellen Stand zusammen. Seminar- und Konferenzflächen, eine betriebsärztliche Praxis und eine Kindertagesstätte sowie Möglichkeiten der Essensversorgung sollen zudem entstehen.

Die Lage des Verwaltungsgebäudes, der Landkreis zog in den aktuellen Bau bereits 1995 ein, ermöglicht schon heute eine optimale Nutzung aller Mobilitätsformen: „Auf dem neugestalteten Areal sollen diese noch besser verknüpft werden. Zahlreiche Abstellmöglichkeiten für Fahrräder kommen, Parkplätze für Autofahrer und eine öffentliche Tiergarage ergänzen das Angebot. Dort ist selbstverständlich auch eine Ladeinfrastruktur für unsere elektrischen Dienstfahrzeuge sowie für E-Bikes vorgesehen. Der unmittelbare Zugang zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vor der Haustür ist und bleibt ein wertvoller Standortfaktor“, unterstreicht Ragnar Watteroth mit Blick auf die Bedeutung von Mobilität sowohl für das Vorhaben, als auch für den Klimaschutz und das Landratsamt als Arbeitsplatz.

Nachhaltig und den Aufgaben gewachsen: Mit seinem Entwurf für das neue Landratsamt eröffnet das Büro Wittfoht Architekten aus Stuttgart neue Möglichkeiten für das bestehende Areal.
Nachhaltig und den Aufgaben gewachsen: Mit seinem Entwurf für das neue Landratsamt eröffnet das Büro Wittfoht Architekten aus Stuttgart neue Möglichkeiten für das bestehende Areal.
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Eine gute Anbindung in jeder Mobilitätsform

Denn das Anliegen, einen nutzerorientierten ÖPNV und damit eine optimale Vernetzung der Kommunen zu schaffen, prägen die Arbeit des Landkreises seit vielen Jahren. An zahlreichen Stellen ist die Infrastruktur in den vergangenen 50 Jahren bereits massiv ausgebaut worden. Schienenstrecken wurden verlängert, Busverkehre aufgestockt und neue Ideen wie der On-Demand-Verkehr MyShuttle geschaffen und umgesetzt. Weitere Projekte wie die Reaktivierung stillgelegter Schienenverbindungen und der Aufbau der Elektroladeinfrastruktur für die Elektrobusse folgen, stets in enger Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Verkehrsverbund.

 

Ökologische Werte bestimmen das Projekt

Nachhaltig und klimafreundliche Lösungen sollen aber nicht nur die Zukunftsaufgabe Mobilität bestimmen: Für das geplante Bauprojekt wendet der Landkreis Karlsruhe den „Leitfaden Nachhaltig Bauen (LNB)“ an. Dessen Grundidee ist es, öffentliche Gebäude ökologisch und energetisch zu bewerten. Der Fokus wird dabei auf die wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte beim Bauen und Modernisieren gelegt. Die Grundlagen des LNB liegen im Kommunalgebäudeausweis (KGA) aus Vorarlberg, der seit 2011 Teil von Förderrichtlinien ist. Die vier Kriterien des Leitfadens sind:

- Prozess- und Planungsqualität
- Energie und Versorgung
- Gesundheit und Komfort
- Baustoffe und Konstruktion

Das neue Areal steht damit nicht nur für maximale Funktionalität für den Arbeitsbereich und den Kundenverkehr. Ökologische Aspekte und ökonomische Betrachtungen wie die Lebenszykluskosten, eine klimafreundliche Konstruktion durch Holzhybridbauweise, der bewusste Einsatz von Gebäudetechnik und regenerativen Energieträgern, die Reduktion von Verbundmaterialien und die großflächige Bepflanzung der Außenflächen charakterisieren das Verwaltungsgebäude der Zukunft und schließen den Kreis zum Ziel „zeozweifrei 2035“.

Kilmaschutz als großes Vorhaben der Zukunft: Der Landkreis Karlsruhe engagiert sich auch außerhalb des Bauvorhabens für ökologische Ziele und gründete im Dezember 2022 gemeinsam mit allen 32 Städten und Gemeinden den Kommunalen Klimaschutzverein.
Kilmaschutz als großes Vorhaben der Zukunft: Der Landkreis Karlsruhe engagiert sich auch außerhalb des Bauvorhabens für ökologische Ziele und gründete im Dezember 2022 gemeinsam mit allen 32 Städten und Gemeinden den Kommunalen Klimaschutzverein.
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Das neue Areal soll grün werden

Auf der Außenfläche zwischen der neuen Bebauung des Areals und den Wohnhäusern entlang der Beiertheimer Allee soll ein Begegnungsort mit hoher Aufenthaltsqualität entstehen. Die sogenannte Grüne Mitte belebt nicht nur einen zentralen Platz in der Stadt Karlsruhe. Aufgrund reichlicher Bepflanzung durch unterschiedliche Bäume profitiert auch die Umwelt in großem Maß von der Neugestaltung des Bereichs. Mit Sitzgelegenheiten und einer vielfältigen und artenreichen Vegetation wird die Grüne Mitte zum Treffpunkt. Damit unterstreicht der Landkreis Karlsruhe sein Ziel, ein Areal mit ökologischer Bedeutung zu schaffen, ohne seine Funktionalität einzubüßen. Der Entwurf sieht aktuell 3.000 Quadratmeter, bepflanzt mit verschiedenen blühenden Baumarten und Staudenflächen, mit Sitzgelegenheiten, Fitnessangeboten und Spazierwegen.

 

Ein attraktives Landratsamt stärkt die Verwaltungsarbeit

„Eine attraktive Arbeitsumgebung wie diese etabliert die Verwaltung auch als Arbeitgeber der Zukunft. Eine Eigenschaft, ohne die die vielfältigen Aufgaben der vergangenen und auch der nächsten 50 Jahre im Landkreis nicht zu bewältigen wären“, betont Ulrich Max, Leiter des Personal- und Organisationsamtes im Landratsamt Karlsruhe. Denn der Landkreis prägt die Region nicht nur in Sachen Mobilität und Klimaschutz. Auch bei der Digitalisierung und dem Breitbandausbau sowie in sozialen Fragen schafft er nach und nach eine zeitgemäße Infrastruktur, die den Entwicklungen der Gesellschaft nicht hinterherhinkt, sondern sie frühzeitig aufgreift und vorbereitet. „Der Arbeitsmarkt ist hart umkämpft. Verwaltungen müssen sich stärker darin behaupten. Das Arbeitsumfeld muss sich daher den modernen und flexiblen Arbeitsmodellen anpassen. Mit Blick darauf, dass wir immer mehr Aufgaben mit weniger Personal erfüllen werden, spielt das eine große Rolle für die Zukunft.“

Der Landkreis Karlsruhe

Aus Zwei mach Eins hieß es zum 1. Januar 1973. Die ehemaligen Landkreise Bruchsal und Karlsruhe werden bei der Kreisreform zusammengeschlossen. Hinzu kamen Kommunen aus dem Landkreis Pforzheim, Vaihingen, Sinsheim und Rastatt. Seither vereint der Landkreis Karlsruhe, wie er heute besteht, 32 Städte und Gemeinden vom Albtal bis zum Kraichgau und schließt die Stadt Karlsruhe in seine Mitte. Der Kreis entwickelte sich zum Zentrum für Wirtschaft am Oberrhein und einem beliebten Arbeits- und Wohngebiet. Die Einwohnerzahl wächst von damals beim Zusammenschluss von rund 350.000 auf heute über 450.000 Menschen an.

Anfang des 20. Jahrhunderts waren Stadt und damaliger Landkreis Karlsruhe noch nicht getrennt. Erst durch die Deutsche Gemeindeordnung 1935 und die Badische Landkreisordnung 1939 wurden beide unabhängig voneinander. Die Reform 1973 löste zudem aus, dass sich Gemeinden zu größeren Verbünden zusammenschlossen oder an die Stadt Karlsruhe übergingen.

Janina Keller-Raviol arbeitet im Büro des Landrats des Landratsamts Karlsruhe
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