Digitale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Laut der aktuellen KIM-Studie besitzen bereits rund 45 % der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren ein eigenes Handy. Ab dem Zeitpunkt der Einschulung und damit der Lesefähigkeit gehört die Beschäftigung mit digitalen Medien zur Freizeitgestaltung der Kinder dazu. Allerdings bergen alle Medien Handys, Computer und Fernsehen –auch Risiken für eine gesunde Entwicklung der Kinder, und zwar vor allem, wenn sie zu früh, zu häufig und nicht altersgerecht genutzt werden.
Eindrucksvoll startete das Landratsamt Tuttlingen und die AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg das gemeinsame Präventionsprojekt „Medienkompetenz von Kindern stärken - @Ed und ich“ im Landkreis Tuttlingen: 30 der 37 Grundschulen im Landkreis haben das relevante Thema digitale Medien in Form eines innovativen Präventionstheaters „@Ed und ich“ in die Klassenzimmer der Grundschüler geholt.
Die AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg übernimmt die vollständige finanzielle Förderung der Maßnahmen. Ohne diese finanziellen Mittel könnte das Projekt nicht nachhaltig und landkreisweit umgesetzt werden.
Das Projekt „Medienkompetenz von Kindern stärken“ will Kinder, Eltern und Lehrkräfte zu einem verantwortungsvollen Mediennutzungsverhalten sensibilisieren und problematische Handhabungen aufdecken. Ziel ist es, Kinder zu einem sicheren Verhalten in der digitalen Welt zu befähigen.
Das Präventionstheater erreicht rund 2.150 Schüler*Innen der 3. und 4. Grundschulklasse im Landkreis Tuttlingen. Ergänzend zu dem Theaterstück finden schulinterne theaterpädagogische Nachbereitungsstunden, schulübergreifende Elternabende, ein zusätzliches Rahmenprogramm des Kreismedienzentrums statt. Mehrsprachige Informationsbroschüren runden die kommunale Präventionsstrategie ab.
Herzstück des Medienprojektes ist das Präventionstheater „@Ed und ich“. Die Zielgruppe des Projektes sind alle Grundschulen im Landkreis Tuttlingen, und zwar alle 3. und 4. Klassen.
Dafür konnte Monika Wieder mit ihrem Theaterensemble „MachWas“ in den Landkreis gewonnen werden. Monika Wieder ist die Gründerin von „Mach Was. Prävention. Theater und mehr …“. Wieder ist Autorin, Diplom Sozialpädagogin, Theaterpädagogin (BUT), staatlich geprüfte Regisseurin und schauspielerisch tätig. Ihre Theaterstücke basieren auf einer gründlichen Recherche und Aneignung des Fachwissens mit betroffenen Personen und Fachexperten.
Mit dem Präventionstheater „@Ed und ich“ wird nun aktuell das Thema Medienkompetenz aufgegriffen. „Leonie, von ihren Freunden nur Leo genannt, ist gerade 8 Jahre alt geworden. Zu ihrem Geburtstag hat sie von ihrer Großmutter ein Tablet geschenkt bekommen, das „auch Internet kann“ und ist stolz darauf. Liebevoll nennt sie es „Ed“, das findet sie voll lustig.“ Sie fängt an zu spielen und vernachlässigt bald ihre Freunde und die Schule. Ihre Situation wird noch schwieriger, als sie dann auch noch verbotene In-App Käufe mit fremden Geld tätigt.“
Dem Theaterensemble bezieht die Grundschulkinder aktiv in kindgerechte Weise und ohne erhobenen Zeigefinger ein. Die Kinder werden über zahlreiche Risiken der digitalen Medien altersgerecht informiert. Während der anschließenden Nachbesprechung im Klassenverband, gehen die Schauspielerinnen - zugleich aus ausgebildete Pädagoginnen - auf die Erlebnisse von Leonie ein. Im Klassenverband gibt es genügend Raum für die Kinder, um von ihren eigenen Erfahrungen zu erzählen und diese in der Gruppe zu besprechen.
Das Theaterstück ist von der Autorin Monika Wieder explizit auf die Zielgruppe der Grundschüler konzipiert und zugeschnitten.
Die Schüler*Innen sollen zu aktivem, selbstständigem Handeln angeregt werden. Sie sollen lernen, für sich einzustehen und sich Hilfe zu holen, wenn sie diese benötigen. Die angesprochenen Themen können von Lehrer*Innen und im Rahmen der Schulsozialarbeit aufgegriffen und vertiefend bearbeitet werden.
Eltern spielen in der Mediensozialisation ihrer Kinder eine zentrale Rolle. Durch das Angebot von schulübergreifenden Elternabenden sollen Erziehende hilfreiche Lösungsansätze für eine erfolgreiche Medienerziehung und zu einem gesunden Umgang mit digitalen Medien sensibilisiert werden. Dafür fand Mitte Juli 2023 ein zentraler Elternabend im Landratsamt Tuttlingen statt. Das Interesse war hoch: Über 100 Interessierte trafen sich an einem Sommerabend im größten Sitzungssaal des Landratsamtes. Im Zuge des Elternabends wurde das Theaterstück „@Ed und ich“ aufgeführt. Anschließend informierten die Fachexpert*Innen über das Thema „Medienkompetenz von Kindern stärken“. Wie stark das Thema die Eltern bewegt, zeigte die angeregte und intensive Diskussionsrunde, bei denen die Vertreter*Innen der regionalen Beratungs- und Kontaktstellen bestehend aus Kreismedienzentrums Tuttlingen, Fachstelle Sucht Tuttlingen, das Polizeipräsidium Konstanz – Referat Prävention, die Schulpsychologische Beratungsstelle Singen in den Austausch mit den Eltern gingen. Aufgrund der positiven Resonanz und der hohen Teilnehmerzahl findet ein weiterer Elternabend im November 2023 statt.
Ein zusätzliches Rahmenprogramm, das durch das Kreismedienzentrum koordiniert wird, bietet in digitaler und Präsenzform interessierten Eltern vielfältige Informationen sowie praktische Tipps zu häufigen Fragen und Problemen, die bei der Nutzung sozialer Medien und der Internetnutzung durch Kinder auftauchen können an. Denn Eltern stehen häufig vor schwierigen Fragen:
• Ab welchem Alter darf mein Kind ein Handy besitzen?
• Soll ich und wie kann ich die Benutzung des Computers kontrollieren
• Ist der Umgang mit den digitalen Medien in diesem Umfang noch normal oder doch schon gefährdend?
• Wie viele Stunden darf mein Kind vor dem Fernseher/Computer, am Handy sitzen
Kinder nutzen digitale Medien häufig mit einer gewissen Sorglosigkeit und Neugierde. Sie begreifen schnell und eignen sich die Handhabung unterschiedlicher Geräte oft spielerisch an. Der unbefangene Umgang ist nicht gleichzusetzen mit einer kompetenten Mediennutzung.
„Daher ist es besonders wichtig, dass Kinder so früh wie möglich einen guten, nachhaltigen und kritischen Umgang mit den digitalen Medien lernen, um Risiken vermeiden und Chancen nutzen zu können. Dabei sollten sie von erwachsenen Bezugspersonen begleitet und an die Hand genommen werden, um gemeinsam die digitale Welt zu erkunden“, erklärt Sozialdezernent Bernd Mager bei der Kick-off Veranstaltung des Präventionsprojektes „@Ed und ich“ in Tuttlingen.
Die AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg und der Landkreis Tuttlingen haben sich Ende Oktober 2023 mit dem Präventionsprojekt „Medienkompetenz für Kinder stärken“ beim Internationalen Deutschen PR-Preis der Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) 2024 in der Kategorie „9. Gesundheit und Life Science“ beworben. Das Projekt beweist durch den Einsatz neuer pädagogischer Methoden einen hohen Innovationsgehalt und befasst sich mit einem wichtigen Zukunftsthema.
Ein zentraler Informationsflyer mit Anlauf-/und Beratungsstellen und zentralen Informationen zum Thema Medienkompetenz ist in mehrere Sprachen übersetzt worden. Dadurch sollen auch Interessierte mit fremdsprachlichem Hintergrund für das Thema sensibilisiert und aufgeklärt werden.
Das Projektteam, das aus Fachexpert*Innen mehrerer organisatorischer Einheiten zusammengestellt ist (AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg, Kommunale Gesundheitskonferenz /Gesundheitsamt Tuttlingen, Jugendamt Landkreis Tuttlingen, Kreismedienzentrum Tuttlingen, Fachstelle Sucht Tuttlingen, das Polizeipräsidium Konstanz – Referat Prävention, die Schulpsychologische Beratungsstelle Singen und der Fachberatung Kindertagesstätten der Stadt Tuttlingen) wird sich weiterhin regelmäßig treffen, um auch in Zukunft Schulen, Familien und Kinder für die Herausforderung der medialen Welt zu stärken. Denn: Kinder, die viel mit digitalen Meiden verbringen, bewegen sich nachweislich weniger. Nicht nur die direkten Gefahren aus dem Internet sind in den Blick zu nehmen, sondern auch Bewegungsmangel kann negative Folgen für die kindliche Entwicklung haben. Bei Kindern zeigen sich bereits heute Haltungsschäden durch zu viel und falsches Sitzen. Auch die körperliche Leistungsfähigkeit, die motorischen Fähigkeiten sowie die Körper/ und Sinneswahrnehmung werden durch zu wenig Bewegung beeinträchtigt.
Aus diesem Grund startet das Präventionsprojekt als Leuchtturmprojekt zunächst im Landkreis Tuttlingen. Bereits im nächsten Jahr 2024 findet eine Roll-Out nach gleichem Vorbild auf weitere Landkreise statt.
Eine Orientierung für das richtige Maß an Bildschirmzeit in der Freizeit gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA):
▪ Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren: keine Bildschirmmedien nutzen
▪ Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren: höchstens 30 Minuten täglich
▪ Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren: höchstens 45 bis 60 Minuten täglich