„Wo mir send isch vorne!“ – der Alb-Donau-Kreis hat den Vorteil, dass er im Alphabet immer als Erstes genannt wird. Das Motto gilt aber auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien: Der Kreis zählt in Baden-Württemberg zu den Spitzenreitern beim Ausbau und ist unter den Top-3-Landkreisen mit dem höchsten Pro-Kopf-Ertrag aus Erneuerbaren (4.500 KWh). Mit welchen Strategien und Projekten das gelungen ist, wollte Ministerpräsident Kretschmann bei einem Besuch im Alb-Donau-Kreis Anfang Februar wissen.
Die Tour durch den Landkreis begann gleich mit einem Weltrekord: Am Bahnhof Merklingen (Schwäbische Alb) ist der größte solarbetriebene E-Ladepark der Welt entstanden. Dieser ist Teil eines nachhaltigen Mobilitätsmix und bietet mit 259 Ladepunkten Pendlerinnen und Pendlern die Möglichkeit, während der Weiterreise mit dem Zug ihr E-Auto aufzutanken. Den Strom liefern Solarpanele über den Parkplätzen, die im Sommer zusätzlich für Schatten sorgen. Das Land hat den über 4 Millionen Euro teuren Bau mit 2,5 Millionen Euro unterstützt.
Bürgerinnen und Bürgern investieren in ihren Windpark
In Berghülen informierte sich der Ministerpräsident über ein Windpark-Projekt, an dem sich Bürgerinnen und Bürger über eine Bürgerenergiegenossenschaft an den Anlagen der EnBW oder direkt über die Alb-Naturenergie GmbH an deren Windrad beteiligen konnten. Der Windpark zeigt beispielhaft, wie die Energiewende vor Ort konkret vorangetrieben wird, wenn die Einwohnerinnen und Einwohner Hand in Hand mit regionalen Energieversorgern gehen: Neben dem Ausbau regenerativer Stromerzeugung wird nicht nur die regionale Wertschöpfung gestärkt, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger sowie die Kommune profitieren finanziell von den Verkaufserlösen.
Geplant war auch eine Besichtigung des Solarparks in Allmendingen-Weilersteußlingen. Diese musste aus Zeitgründen leider entfallen, da sich Ministerpräsident Kretschmann zuvor unter anderem Zeit für ein Gespräch mit protestierenden Landwirtinnen und Landwirten in Berghülen genommen hatte.
Beim anschließenden Fachgespräch stellten Landrat Heiner Scheffold und weitere Fachleute die aktuelle Situation des Alb-Donau-Kreises sowie Strategien vor, die den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben sollen. Der Ausgangspunkt für das konzeptionelle Vorgehen ist eine Potenzialanalyse mit Ableitung eines strategischen Ziels: Der Alb-Donau-Kreis möchte bis 2040 bilanzielle Energieautarkie erreichen – also genauso viel Strom erzeugen, wie Menschen und Industrie verbrauchen. Landrat Heiner Scheffold stellte die Ergebnisse der Analyse vor, die er bei Netze BW beauftragt hatte.
Expertinnen und Experten haben dafür den voraussichtlichen Strombedarf im Jahr 2040 berechnet: Demnach erhöht sich der Strombedarf im Alb-Donau-Kreis, unter anderem durch die zunehmende Elektrifizierung, zum Beispiel durch E-Autos und Wärmepumpen oder die Digitalisierung, um den Faktor 1,6 und bei der zusätzlichen Produktion von grünem Wasserstoff für die Industrie um den Faktor 2,5. Die Potenzialanalyse zeigt dabei auch Wege auf, wie und mit welchem Energiemix der Alb-Donau-Kreis die notwendige Leistung erzeugen kann – der Fokus liegt vor allem auf Solaranlagen und der Windenergie. Deutlich wird dabei, welch hohen Effekt das Repowering von Windkraftanlagen hat.
Der Landkreis setzt sich darüber hinaus mit verschiedenen Projekten für den Ausbau ein: Ein Baustein ist ein Solaratlas, der auf aktuellen Laserscandaten beruht und mit dem Interessierte mit wenigen Klicks das Potenzial ihrer Dachfläche im Alb-Donau-Kreis berechnen können. Um neben dem Solarausbau auf den Dächern auch den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen zu unterstützen, hat das Landratsamt Alb-Donau-Kreis eine neue Leitlinie entwickelt. Diese richtet sich an Kommunen und Unternehmen und gibt eine Orientierung, welche Flächen aus Sicht der Genehmigungsbehörde sehr gut, gut oder eher weniger gut für Solarparks geeignet sind.
So wird die Flächeninanspruchnahme reduziert, landwirtschaftlich wertvolle und naturschutzwichtige Flächen werden geschützt und eine Flächenzersiedelung vermieden. Zudem werden die Genehmigungsverfahren bei Einhaltung bestimmter Kriterien verschlankt und enorm beschleunigt. Scheffold warb auch für den Solar-Ausbau entlang der A8 und der ICE-Neubaustrecke: eine „Route du Soleil“ – eine Autobahn der Sonne, die nicht in Frankreich, sondern in Baden-Württemberg liegt und vorbelastete Flächen für die Solarenergie nutzt. Weiter ist der Alb-Donau-Kreis im Gespräch mit den Stromnetzbetreibern, um die Einspeisepunkte frühzeitig zu sichern und den Stromnetzausbau entsprechend den tatsächlichen Ausbauplänen zu priorisieren.
Diskutiert wurde beim Fachgespräch auch die Flächeninanspruchnahme von Freiflächen-Photovoltaikanlagen: Der Ministerpräsident bemerkte dazu, dass man bei der Diskussion die Zahlen ins richtige Verhältnis setzen müsse: Die Anlagen versiegelten zum einen keine Fläche, außerdem werde mit der Zielgröße von 871 Hektar im Alb-Donau-Kreis nur knapp 0,7 Prozent der gesamten Kreisfläche dafür verwendet. Ein weiteres wichtiges Thema war auch der Windkraft-Ausbau: Die regionalen Vertreterinnen und Vertreter warben um die Unterstützung des Landes, um trotz der Einschränkungen durch die Bundeswehr und den Staatsvertrag den Ausbau weiter vorantreiben zu können (siehe Info-Box).
Aktuell sind im Alb-Donau-Kreis 44 Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von über 50 Metern in Betrieb. Diese haben insgesamt eine Nennleistung von 60,8 Megawatt. Die Windkraft ist jedoch im Alb-Donau-Kreis limitiert: Der Staatsvertrag zwischen Baden-Württemberg und Bayern schränkt den Bau von Windparks auf die ermittelten Vorranggebiete ein.
Zusätzlich limitiert die Präsenz der Bundeswehr mit Tiefflug-Korridoren für Hubschrauber sowie dem Radar auf dem Militärflugplatz in Laupheim den Ausbau auf 56 Prozent der Kreisfläche. Entscheidend wird daher sein, in den möglichen Vorranggebieten Windparks zu errichten und das Repowering von älteren Windenergieanlagen voranzutreiben. Dadurch kann eine vielfache Energiemenge auf den bestehenden Flächen erzeugt werden.
Auf großes Interesse stieß auch der Bürgerempfang zum Abschluss des Ministerpräsidentenbesuchs. Rund 350 Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung in das Tagungszentrum Hessenhöfe in Blaubeuren gefolgt. „Natürlich ist die Energiewende nicht einfach, aber wir können und werden das hinkriegen. Der Alb-Donau-Kreis zeigt, wie es geht. Machen Sie weiter so“, sagte Ministerpräsident Kretschmann in seiner Rede. Er und Landrat Heiner Scheffold standen den Bürgerinnen und Bürgern anschließend Rede und Antwort. Die wollten vor allem wissen, wie man Hemmnisse gegen den weiteren Ausbau vor Ort beseitigen könnte.
Die Energiewende strukturiert angehen
„Es ist beeindruckend, wie planvoll der Alb-Donau-Kreis den Bedarf und die Potentiale für erneuerbare Energien ermittelt und entsprechende Projekte umsetzt. Diesen Ansatz müssen wir auch landesweit verfolgen. Die Beispiele im Landkreis, wie das strukturierte Vorgehen der Kreisverwaltung oder das Engagement der Bürgerenergiegenossenschaft Berghülen sowie der Solarpark Allmendingen, sind ermutigend. Von solchen Beteiligungsmodellen profitieren nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die Menschen in der Umgebung. Von meinem Besuch, und dem Austausch mit den Fachleuten und den Bürgerinnen und Bürgern nehme ich viele gute Ideen mit“, sagte Ministerpräsident Kretschmann.
Diese Erfolgsgeschichte sei nur möglich, weil alle Beteiligten gemeinsam an einem Strang ziehen, so Scheffold: Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Kommunen, Kommunalpolitik und Landkreisverwaltung. „Uns alle eint das gemeinsame Ziel, bilanziell autark in unserer Energieversorgung zu werden, denn Versorgungssicherheit und eine nachhaltige Energieproduktion sind die Grundlage für eine prosperierende Wirtschaft und die Sicherung unseres Wohlstands. Wir sitzen am Ende der großen Strom- und Wasserstoffleitungen, welche die grüne Energie von Norden nach Süden bringen sollen und deren Bau nur schleppend vorankommt. Deshalb müssen wir uns selbst helfen. Uns allen muss bewusst sein: Erneuerbare Energien sind nicht ‚nice to have‘, sondern ein ‚must have‘. Ohne sie werden wir unseren Lebensstandard nicht aufrechterhalten können. Und die Energiewende selbst ist für den Klimaschutz zwingend notwendig“, sagte der Landrat. Die Wertschätzung des Ministerpräsidenten zeige, dass der Landkreis mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie auf dem richtigen Weg sei.