Beide, Opfer und Täter, waren stark betrunken. Fragen drängen sich auf: Wie hätte eine solche Tat verhindert werden können? Was kann man im Vorfeld tun, dass so etwas nicht wieder passiert? Fachleute aus dem Bereich des Jugendschutzes, der Suchtprävention und der Polizei schließen sich zusammen, ein Konzept für den Jugendschutz und zur Suchtprävention auf Veranstaltungen unter dem Titel „Festkultur“ entsteht. Immer mehr Landkreise und Polizeidirektionen schließen sich an, ein weitreichendes Netzwerk entsteht, das Netzwerk Neue Festkultur. Einige Jahre befindet sich das Netzwerk unter dem Dach des Landesgesundheitsamts, bis zu 18 Landkreiskreise aus Baden-Württemberg und Bayern beteiligen sich.
Das Netzwerk verfasst die sogenannte „Leitlinie Festkultur“, die Vorgaben zum Jugendschutz bei Festen macht. Beispielsweise ergibt die Analyse der Fest- Situation durch die Experten, dass sich die Veranstaltungszeiten immer mehr in die Nacht hinein verschieben. Dass Alkohol auf dem Parkplatz im Auto konsumiert wird und offensichtlich betrunkene Gäste die Veranstaltung besuchen möchten.
Konsequente Umsetzung von Jugendschutzbestimmungen
Mit einheitlichen Vorgaben für Festveranstalter und vor allem einer konsequenten Umsetzung von Jugendschutzbestimmungen, nicht zuletzt bzgl. des Alkoholkonsums, lässt sich die Situation über einen längeren Zeitraum stabilisieren. Doch der Weg für das Netzwerk bis dahin war lang und anstrengend: Es waren Besprechungen mit allen beteiligten Städten und Gemeinden nötig, um die Verantwortlichen vor Ort davon zu überzeugen, dass ausufernde Feste niemandem dienen – im Gegenteil, die traditionelle „Festkultur“ auf Dauer kaputt machen. Konkrete Werkzeuge, wie zum Beispiel der im Netzwerk entstandene PartyPass sowie zahlreiche Beratungsgespräche führten zum Erfolg: Es hat funktioniert: Die Auffälligkeiten bei Festen gingen zurück, die Leitlinien wurde etabliert und zu einem festen Bestandteil der Festkultur. Mit der Zeit war es keine Frage mehr, OB ein Veranstalter die Regelungen einhält, sondern eher WIE.
Diese Entwicklung barg und birgt jedoch auch eine nicht zu vernachlässigende Gefahr: Eskalationen und schwierige Situationen bei Festen verschwanden von der Tagesordnung. Das ist sehr gut. Leider wurde bei den Verantwortlichen die plötzlich ruhigen Feste als Normalität wahrgenommen und niemand machte sich mehr Gedanken darum, warum alles so gut läuft. Es hat sich schleichend niemand mehr um die Umsetzung der Leitlinien gekümmert. Das Resultat daraus, nicht zuletzt auch durch die Lockdowns während der Corona-Pandemie: Die mühsam auf den Weg gebrachten Festkultur- Leitlinien und deren Umsetzung sind nach und nach eingeschlafen.
Landkreise Sigmaringen, Biberach, Zollernalb, Tuttlingen, Ortenau und Schwäbisch-Hall schließen sich zusammen
Nun ist die nächste Generation der Ehrenamtlichen in Vereinen und Verbänden damit beschäftigt, Feste zu organisieren. Die schlimmen Erfahrungen der 2000er und 2010er Jahre sind weit weg. Es ist wichtig, die Festkultur „am Leben“ zu halten, denn nur so können Jugendliche unbeschwert feiern und Vereine und Verbände stressfreie Feste veranstalten.
Deshalb haben sich jetzt die Landkreise Sigmaringen, Biberach, Zollernalb, Tuttlingen, Ortenau und Schwäbisch-Hall gemeinsam auf den Weg gemacht und mit der „Festkultur 2.0“ ein Revival der Festkultur gestartet. Mit dabei sind Landkreise (Jugendschutz) und Polizei (Prävention). Die Leitlinie wurde angepasst, eine neue Homepage erstellt (www.neue-festkultur.de). Jeder Landkreis/ Stadt und jede Institution, die Interesse hat, kann Mitglied werden. Um viele Mitstreiter zu gewinnen, hat die Initiative den „Tag der Festkultur“ am 10. Oktober jeden Jahres ausgerufen. Dazu werden im „Festkultur-Land“ (SIG-BC-TUT-ZAK-Ortenau-Schwäbisch-Hall) an diesem Tag Presseartikel veröffentlicht und Veranstaltungen geplant. Im Landkreis Biberach findet die Veranstaltung: „Damit das Fest läuft“, am 20. November 2025 statt. Mehr Informationen gibt es auf der Homepage des Kreisjugendreferats Biberach unter www.ju-bib.de.