Mentees schnuppern Kreistagsluft
Kreistags-Luft schnuppern, den Diskussionen lauschen, die Körpersprache beobachten – das machten einige der Mentees aus dem Mentoring-Programm „Politik braucht Frauen“ der Gleichstellungsbeauftragten des Enzkreises und der Stadt Pforzheim bei der Sitzung des Kreistags am vergangenen Donnerstag im großen Sitzungssaal des Landratsamts.
„Ich finde es spannend zu sehen, wie kontrovers diskutiert wird, aber es am Ende zu einem Entschluss kommt, den alle mittragen“, erzählt Mentee Birgit Siewert nach der Sitzung. „Mich fasziniert auch die Bandbreite der Themen. Im Prinzip geht es hier um alle Lebensbereiche“, ergänzt Sabine Stalf. Gemeinsam mit ihren Mentorinnen hatten sich die politikinteressierten Frauen bereits im Februar auf den gemeinsamen Mentoring-Weg gemacht. Bei regelmäßigen Treffen tauschen sich die Frauen aus – dabei unterstützt die Mentorin mit ihrer Erfahrung und dem Wissen bei der Planung der politischen Laufbahn, beim Aufbau eines Netzwerks und bei der Vorbereitung einer möglichen Kandidatur der Mentee.
Gestartet sind die Tandems mit einer Auftaktveranstaltung, bei der die Mentees ihren Standort bestimmen und ihre jeweiligen politischen Ziele unter Einbeziehung der persönlichen, beruflichen und familiären Lebenssituation klären konnten. Bei der Zwischenbilanz im Mai hatten die Mentees dann die Gelegenheit, sich über die ersten Erfahrungen und die Herausforderungen auszutauschen, ihre Erwartungen und Wünsche zu reflektieren und die Umsetzung einer politischen Beteiligung zu klären.
Jetzt war für die Frauen die Zeit gekommen, von der Theorie in die politische Praxis zu gehen. Auf Initiative der Mentorinnen und Kreisrätinnen Elisabeth Vogt und Christine Danigel trafen sich die Mentees daher zur Sitzung des Kreistags. „Das ist ein Beispiel dafür, wie wir unser Tandem mit Leben füllen,“ erklärt Sabine Stalf. „Meine Mentorin und ich haben in den vergangenen Monaten auch schon andere Termine miteinander vereinbart“. So sei das Frauengespann gemeinsam bei verschiedenen Veranstaltungen, wie beispielsweise dem Ispringer Dorffest gewesen. Auch mal zwischendurch einen gemeinsamen Kaffee trinken, um sich gegenseitig über Neuigkeiten zu informieren, gehöre dazu.
„Ich freue mich besonders, dass ich meiner Mentee Einblick in meine Arbeit als Kreisrätin geben kann“, sagt Elisabeth Vogt. Zur Gremienarbeit gehöre nämlich nicht nur die Sitzung selbst, sondern auch eine gute Vor- und Nachbereitung. Daher habe die Kreisrätin ihrer Mentee auch schon Einblick in die Fraktionssitzungen geben können, die vor den Kreistagssitzungen stattfinden. „Spannend finde ich auch die Arbeit in den Ausschüssen“, ergänzt Mentee Birgit Siewert. „Da findet die richtige politische Arbeit statt“, sagt sie. „Auch das Netzwerken ist wichtig“, unterstreicht Kreisrätin Christine Danigel.
Das Programm endet offiziell am 10. November mit einem feierlichen Abschluss im Kulturhaus Osterfeld, bei dem die Tandems formell aufgelöst werden. Wie es dann weitergeht, bleibt spannend. Erste Erfolge kann das Mentoring-Programm aber jetzt schon verbuchen: Mentee Julia Wieland, die vor kurzem zur Bürgermeisterin der Gemeinde Remchingen gewählt wurde, hat von ihrer Mentorin, Niefern-Öschelbronns Bürgermeisterin Birgit Mertens, viel Unterstützung erfahren und konnte sich sowohl persönlich als auch fachlich weiterentwickeln.
Auch andere Mentees haben sich jetzt schon vorgenommen, bei den Wahlen im kommenden Jahr zu kandidieren. „Mich freut diese Motivation sehr“, unterstreicht Gleichstellungsbeauftragte Kinga Golomb. Sie sagt aber auch: „Wer Frauen will, muss Frauen wählen“ und meint damit, dass es nicht nur gute Kandidatinnen, sondern auch eine Wählerschaft braucht, die Frauen in der Politik unterstützt.
In den Gemeinderäten in Baden-Württemberg sind lediglich 26,8% der Mandate am Frauen vergeben, in den Kreistagen sogar nur 22,4 %. Auch in den Gremien des Enzkreises und der Stadt Pforzheim ist der Frauenanteil gering; von 58 Kreistagsmandaten sind nur 7 durch Frauen besetzt. Das Mentoring-Programm „Politik braucht Frauen“ der Gleichstellungsbeauftragten Kinga Golomb (Enzkreis) und Susanne Brückner (Pforzheim) zielt darauf ab, die politische Teilhabe von Frauen zu steigern und Frauen auf dem Weg zu einer erfolgreichen Kandidatur für die Kommunalwahl 2024 zu begleiten.