Sie begleiten Familien zu Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern, tauschen sich mit Müttern und Vätern über die Schulwahl ihres Kindes aus oder helfen mit ihren Sprachkenntnissen bei vielen anderen Fragen rund um Kindergarten und Schule.
Seit gut zwei Jahren sorgen interkulturelle Elternmentorinnen und Elternmentoren im Landkreis Sigmaringen für mehr Chancengleichheit in der Bildung. Denn noch immer hängen Bildungschancen von Kindern stark von Faktoren wie der Bildung, dem Beruf oder dem Einkommen der Eltern ab. Dagegen wollen Natalja Müller, Codruta Zimmerer und ihre 14 Mitstreiterinnen und Mitstreiter aktiv etwas tun.
„Als ich 1993 aus Kasachstan hierhergekommen bin, hat man mir auch geholfen“, erzählt Natalja Müller. „Deshalb möchte ich gerne etwas zurückgeben.“ Nachdem im Februar 2022 der Ukraine-Krieg ausbrach, kümmerte sie sich zum Beispiel um die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten in Sigmaringendorf. Anderen zu helfen, ist für die Bilanzbuchhalterin seitdem fester Bestandteil ihres Alltags. Ähnlich ist es bei Codruta Zimmerer, die vor 17 Jahren aus Rumänien nach Deutschland kam: die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin arbeitet seit 2017 als Tagesmutter und zusätzlich hilft sie seit 2022 an der Grundschule in Magenbuch (Gemeinde Ostrach) als Unterrichtsassistentin einigen Kindern dabei, ihren Schulalltag besser zu organisieren.
Seit einem Jahr engagiert sich Zimmerer für den Landkreis Sigmaringen zusätzlich als interkulturelle Elternmentorin. Bereits seit zwei Jahren ist Natalja Müller mit dabei. Ehrenamtlich helfen sie Familien mit Einwanderungsgeschichte vor allem dabei, Sprachbarrieren zu überwinden. „Die Herausforderungen fangen ja schon damit an, dass Eltern, die nicht oder nur schlecht Deutsch sprechen, die Elternbriefe des Kindergartens oder der Schule nicht verstehen“, sagt Codruta Zimmerer. „Dadurch bleiben ihnen wichtige Informationen vorenthalten.“ Als ein anderes Beispiel nennt sie Elternabende. Mütter und Väter mit geringen Deutschkenntnissen würden sich nur selten trauen, dort etwas zu sagen. „Diesen Eltern und ihren Kindern geben wir eine Stimme.“
Das tun die Elternmentorinnen und -mentoren auch in gemeinsamen Gesprächen mit Kindern, Eltern und Lehrern. „Manchmal sitzen dabei drei Lehrer einem Elternteil gegenüber“, sagt Natalja Müller. „Das ist mit Sicherheit gut gemeint – schüchtert aber viele Eltern ein.“ Auch in solchen Situationen seien Eltern froh, wenn jemand ihre Muttersprache versteht und ihre Fragen übersetzen kann.
„Wir sind aber nicht nur Dolmetscher“, sagt Müller. Denn bei der ehrenamtlichen Arbeit kommt auch das Verständnis für bestimmte kulturelle Hintergründe und Besonderheiten zum Tragen. Durch die Schulung zu Elternmentorinnen und dadurch, dass sie selbst Mütter sind, kennen sich die beiden Frauen zudem besonders gut im deutschen Schulsystem aus. „Mit diesem Wissen können wir den Eltern die Möglichkeiten der verschiedenen Schularten und die Angebote der einzelnen Schulen aufzeigen“, sagt Codruta Zimmerer. Aufgabe der Elternmentoren sei es aber auch, einige grundsätzliche Aspekte des deutschen Bildungssystems zu vermitteln – zum Beispiel, dass es dabei keine Schande ist, auch einmal eine Klasse zu wiederholen.
„Wir sind empathisch, wir sind geduldig und wir trauen uns, Erzieherinnen und Lehrer etwas zu fragen“, sagt Zimmerer. Grundsätzlich seien die Elternmentorinnen und -mentoren neutral. „Aber wir wollen für die Kinder da sein. Auch dadurch, dass wir den Eltern helfen, ihre eigenen Kinder besser zu verstehen.“ Das gilt für Mädchen und Jungen im Kindergartenalter ebenso wie für die höheren Klassen am Gymnasium. „Es ist wichtig, diese Zeit jetzt zu investieren“, sagt Natalja Müller. „Wenn wir die Kinder jetzt auffangen, werden sie irgendwann einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.“
Davon ist auch Melanie Winz überzeugt, die das vom Land Baden-Württemberg konzipierte und geförderte Projekt der interkulturellen Elternmentorinnen und Elternmentoren für den Landkreis Sigmaringen in die Praxis umsetzt. „Seit dem Start vor gut zwei Jahren hat sich die Initiative gut entwickelt“, sagt Winz. „Allein in diesem Jahr haben unsere Elternmentorinnen und Elternmentoren rund 50 Einsätze absolviert – in ganz verschiedenen Städten und Gemeinden im Landkreis.“ Unterstützen können sie Eltern unter anderem auf Russisch, Ukrainisch, Rumänisch, Italienisch, Englisch und Türkisch.
Für den Einsatz weiterer interkultureller Elternmentorinnen und -mentoren, die auch andere Sprachen beherrschen, ist der Landkreis Sigmaringen offen. „Im Frühjahr 2026 gibt es wieder eine Schulung“, sagt Winz. Wer Interesse daran hat, kann sich bereits jetzt bei ihr melden. Erreichbar ist sie unter der Telefonnummer 07571 102-5193 und per E-Mail an melanie.winz@lrasig.de. Weitere Informationen gibt es auch im Internet auf der Seite www.landkreis-sigmaringen.de/bildungsregion.