„Mit den Fingern sehen“

Blinde Frauen geben Kindergartenkindern spannende Einblicke in ein Leben ohne Augenlicht

Enzkreis · 17. Oktober 2023
Von links: Lilou und Ritschard schauen zusammen mit der Inklusionsbeauftragten des Enzkreises Anne Marie Rouvière-Petruzzi interessiert den beiden Blinden Brigitte Schick mit Blindenführhundin Isis und Andrea Mahr zu.
Von links: Lilou und Ritschard schauen zusammen mit der Inklusionsbeauftragten des Enzkreises Anne Marie Rouvière-Petruzzi interessiert den beiden Blinden Brigitte Schick mit Blindenführhundin Isis und Andrea Mahr zu.
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„Augen als Fenster zur Welt" lautet das diesjährige Motto der bundesweiten „Woche des Sehens“. Aus diesem Anlass besuchten Brigitte Schick mit Blindenführhündin Isis und Andrea Mahr von der Bezirksgruppe Pforzheim/Enz des Badischen Blinden- und Sehbehindertenvereins den evangelischen Kindergarten "Am Ziegelrain" in Neuenbürg. Mit dabei waren auch die Inklusionsbeauftragte des Enzkreises, Anne Marie Rouvière-Petruzzi, Franziska Hagenlocher, Fachbereichsleitung der Evangelischen Kindertageseinrichtungen in Neuenbürg, und Mona Eberle, Koordinatorin für Kinder- und Jugendarbeit bei der Stadt Neuenbürg.

Brigitte Schick, die im Alter von zehn Jahren erblindet ist, gab den Kindern Einblicke in ihren Alltag und zeigte, welche Hilfsmittel sie dafür hat. „Isis ist eine große Hilfe, wenn ich alleine unterwegs bin. Sie zeigt mir Hindernisse an, zum Beispiel macht sie einen großen Bogen, wenn auf dem Gehweg ein Laternenmast oder E-Scooter steht“, erzählt sie den gespannt lauschenden Kindern. Auch der weiße Blindenlangstock helfe ihr, sich im Alltag zurechtzufinden: „Der Blindenstock ist wie ein langer Zeigefinger, mit dem ich sehen kann, was auf dem Boden ist. Durch den Stock merke ich, ob da was im Weg ist“, berichtet Schick. „Wenn Ihr unterwegs jemanden mit Blindenstock oder einem Blindenführhund seht, dann fragt, ob ihr helfen könnt“, forderte Schick die Kinder auf. „Ihr solltet den Hund aber nicht streicheln, wenn er im Dienst ist, das lenkt ihn ab und bringt seinen Menschen vielleicht in Gefahr“, mahnt sie.

Bildunterschrift zu Foto “Klingelball“: 
Wie spielt man Fußball, wenn man nichts sehen kann? Ein Klingelball macht‘s möglich wie Brigitte Schick zeigt.
Bildunterschrift zu Foto “Klingelball“: Wie spielt man Fußball, wenn man nichts sehen kann? Ein Klingelball macht‘s möglich wie Brigitte Schick zeigt.
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Auf die Frage, ob blinde Menschen besser hören könnten, antwortete Andrea Mahr, die seit rund neun Jahren blind ist, schmunzelnd: „Nein, wir hören nur einfach besser hin, weil wir ja nicht gucken können.“ Großen Spaß machte deshalb auch den Kindern ein Klingelball, der von Mahr mit viel Geklapper durch den Raum gerollt wurde. Durch die Klingeln im Ball hört man immer, wo dieser gerade ist und kann daher auch Fußballspielen.  

Mit den Fingern lesen – Inklusionsbeauftragte Anne Marie Rouvière-Petruzzi zeigt den Kindern rund um Leiterin Christine Danigel ein Buch in Brailleschrift.
Mit den Fingern lesen – Inklusionsbeauftragte Anne Marie Rouvière-Petruzzi zeigt den Kindern rund um Leiterin Christine Danigel ein Buch in Brailleschrift.
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Anschließend las Brigitte Schick den Kindern noch eine Geschichte aus ihrem Buch in Brailleschrift vor. Die Kinder staunten, dass man auch mit den Fingern lesen kann und bekamen am Ende ein „Braille-Alphabet“ zum Ausprobieren geschenkt.

„Solche Aktionen tragen dazu bei, den Kindern zu zeigen, dass wir verschiedenen sind, gleichzeitig auch vieles gemeinsam haben.“, erläuterte die Inklusions-Beauftragte Anne Marie Rouvière-Petruzzi. Dadurch könne das soziale Miteinander gefördert werden. Einrichtungsleiterin Christine Danigel und Inklusionspädagogin Andrea Czech ergänzten: „Wir leben die Vielfalt im Kindergarten und solche Erfahrungen bereichern unsere Gemeinschaft.“ Die Kinder seien sehr interessiert und das Thema „blind sein“ konnte durch den Besuch noch besser erfahren werden.

Damit Berührungsängste gar nicht erst entstehen, brauche es Orte, wo alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihren jeweiligen Voraussetzungen, von Anfang an gemeinsam spielen, lachen und lernen könnten, ist Mona Eberle überzeugt. „Der Kindergarten und die Schule können solche Orte sein“, sind sich alle einig.

Schlagworte: Enzkreis , Kinder
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