Simulierte großflächige Stromausfälle vom Kinzigtal bis nach Rastatt und andere Schadensereignisse forderten weit mehr als 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden. Gleichzeitig war die als Stabsrahmenübung angelegte Aktion, die unter Beteiligung von sieben Stäben ausgeführt worden ist, die über ihre kommunalen Grenzen hinaus gemeinsam agieren mussten, ein Novum in Baden-Württemberg.
Gemeinsame und übergreifende Großübung der Landkreise Rastatt, Ortenau, des Stadtkreises Baden-Baden und des Polizeipräsidiums Offenburg
Beim Sicherheitsdialog am 18. August 2022 zwischen den Landräten Prof. Dr. Christian Dusch, Frank Scherer, Oberbürgermeister Dietmar Späth und Polizeipräsident Jürgen Rieger wurde die Idee zur gemeinsamen Übung geboren. Nach bundesweiten und internationalen Krisen und Katastrophen waren sich die Behördenleiter einig, dass die Sicherheitsorgane in Mittelbaden zum Schutz ihrer Bevölkerung ihre Vorbereitungen auf den Prüfstand stellen müssen. Die Denk- und Handlungsfähigkeit der Stäbe untereinander sollte weiterentwickelt werden, um bestmöglich für den Ernstfall gewappnet zu sein. Im engen Austausch traten daraufhin vier Vorbereitungsgruppen gemeinsam in die Planung des Übungstages „Synergie2023“ ein.
Insgesamt waren daraufhin am vergangenen Samstag im Führungsstab des Polizeipräsidiums und in den sechs weiteren Stäben (in den Stadt- und Landkreisen je ein Verwaltungs- und ein Führungsstab) 412 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. 55 weitere sorgten in der gemeinsamen Übungsleitung für verschiedenste Szenarien die per Mail, Telefon und Funk in die einzelnen Stäbe eingebracht wurden. Die Vorfälle und ihre notwendigen Folgemaßnahmen wurden dabei lediglich theoretisch dargestellt, ohne eine Vollübung mit Einsatzkräften an realen Örtlichkeiten in den Einsatz zu bringen.
Langanhaltender Stromausfall und weitere Katastrophen-Szenarien
Nicht nur ein langandauernder Stromausfall in allen Kreisen mit all seinen begleitenden Problemen beschäftigte am Samstag die Stäbe. Gleichzeitige Szenarien wie die Explosion in einem Sägewerk, ein Schifffahrtsunfall mit hunderten zu rettenden Passagieren, die Räumung eines Krankenhauses, die Evakuierung einer Gemeinde wegen einer drohenden Explosion einer Industrieanlage, der Schutz kritischer Infrastruktur und Ausfälle von Kommunikationstechnik in den Stäben sorgten für weitere zu meisternde Herausforderungen.
Fast sechseinhalb Stunden intensivster Übung machte klar: Die Übung zeigt die Notwendigkeit einer noch besseren Zusammenarbeit der Polizei und den Behörden der Gebietskörperschaften.
Verbesserungspotenzial in den Bereichen Kommunikation und Koordinierung des Lageabgleichs
Es machte jedoch auch klar, dass noch viel Arbeit vor den Behörden liegt. Bereits am Samstag wurde mit den frischen Eindrücken und vorläufigen Erkenntnissen in die Analyse und Evaluation des Geübten eingestiegen. Dabei zeigte sich bereits jetzt, ohne detaillierte Auswertung, dass vor allem in den Bereichen Kommunikation und der Koordinierung des Lageabgleichs zwischen den Stäben der Behörden Verbesserungspotenzial steckt. Reibungslos werden trotz der umfangreichen Übung auch künftige Lagen sicherlich nicht von Statten gehen. Mit den erkannten Schwachstellen sind nun aber wichtige Weichenstellungen dahingehend möglich, diese Defizite zu verringern.
Der Führungsstab des Polizeipräsidiums Offenburg wurde während der Übung wissenschaftlich begleitet. Ein Dozent und seine Studierende eines Masterstudiengangs „Führung in der Gefahrenabwehr und im Krisenmanagement M.Sc.“, allesamt Angehörige des Bundeskriminalamtes, der Landeskriminalämter, sowie angehenden Führungskräften der Feuerwehr und der Rettungsdienste aus dem gesamten Bundesgebiet, beobachteten die Stabsarbeit und standen im Anschluss mit der Leitung des Präsidiums im Austausch.
„Fehler wurden begangen, Verbesserungsfähiges entdeckt.“ resümierte Polizeipräsident Jürgen Rieger. „Trotz aller Professionalität werden in der ersten Chaos-Phase eines Ernstfalles Fehler gemacht. Diese auszumerzen muss ein Ziel bei der kommenden Auswertung sein, um für die Zukunft diese möglichen Schwachpunkte vorzudenken. Unsere Flexibilität aus der alltäglichen Erfahrung in der Gefahrenabwehr hat sich in der Übung bewährt“, so Rieger weiter „Ich möchte auch in Zukunft, vor allem in solchen Lagen, den Bevölkerungsschutz der Ämter durch unsere Stärke in diesem Bereich unterstützen, unabhängig von Zuständigkeitsfragen.“
„Die gemeinsame und stabsübergreifende Großübung hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit aller Akteure bei einem so umfangreichen Katastrophenszenario ist. Die Teilnehmenden aber auch deren Organisationen sollten mit der Übung in die Lage versetzt werden, innerhalb einer geschützten Übungsumgebung Erfahrungen zu sammeln und diese für die künftige Weiterentwicklung zu nutzen. Eingespielte Prozesse und funktionierende Krisenstäbe sind unabdingbar, damit im Krisenfall schnell und effektiv gehandelt werden kann, um die Bevölkerung bestmöglich zu schützen“, sagt der Rastatter Landrat Prof. Dr. Christian Dusch.
„Im vergangenen Jahr haben wir in Baden-Baden erlebt, welche Auswirkungen ein größerer Stromausfall hat. Aus diesem Grund wissen wir, wie wichtig es ist, sich mit konkreten Szenarien auseinanderzusetzen. Um unsere Bevölkerung im Ernstfall zu beschützen, versuchen wir uns mit unseren Partnern in den benachbarten Kreisen bestmöglich auf diese Situationen vorzubereiten. Ich danke allen Übungsbeteiligten für ihren Einsatz“, erklärte Oberbürgermeister Dietmar Späth.
„Unser Katastrophenschutz im Kreis ist gut aufgestellt und theoretisch auf viele Szenarien vorbereitet. Deswegen war es gut, den Ernstfall zu testen. Die Übung hat gezeigt, dass unser Konzept tragfähig ist. Sie hat aber auch ans Licht gebracht, wo nachgesteuert werden muss. Potenzial gibt es sicherlich noch in der Kommunikationsinfrastruktur und dem effektiven Austausch zwischen den Stäben“, erklärt Landrat Frank Scherer, der ein behördenübergreifendes Kommunikationssystem begrüßen würde. „Im Not- und Katastrophenfällen zählt jede Sekunde. Wir müssen die Menschen schnell erreichen können, dafür müssen alle relevanten Stellen kommunizieren und sich koordinieren können“, so Scherer.
Ergebnisse der Übung werden ausgewertet
Ein durch die Analyse gewonnener Maßnahmenkatalog zu den erkannten Defiziten, soll die Stäbe auf künftige Großereignisse bestmöglich rüsten und die Professionalisierung der Kommunikation und des Umgangs miteinander – auch unter solchen erschwerten Bedingungen – stärken.
In den kommenden Wochen werden daher die Ergebnisse im Einzelnen weiter zusammengetragen, analysiert und ausgewertet. Das Ergebnis wird zu einem späteren Zeitpunkt in einer gemeinsamen Presseveranstaltung vorgestellt.