50 Jahre Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald

Verwaltung und Kommunalpolitik in einer Zeit des Wandels und Umbruchs

Die Verwaltungsreform von 1973 war die Antwort auf gesellschaftliche und verwaltungsinterne Entwicklungen, mit dem Ziel, Kreise, Städte und Gemeinden für die neuen Herausforderungen fit zu machen.
Dorothea Störr-Ritter · Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald · 27. Februar 2023
Landrätin Dorothea Störr-Ritter
Landrätin Dorothea Störr-Ritter
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Größere Einheiten sollten die Aufgaben, die sich in der Nachkriegszeit immer umfassender und spezialisierter entwickelt hatten, besser bewältigen können. Gegensätzliche Entwicklungen zwischen wirtschaftlich florierenden Zentren und dünner besiedelten Regionen sollten ausgeglichen und eine angemessene Lastenverteilung gewährleistet werden.

Was uns betrifft, sollten diese Ziele durch die Zusammenlegung der Altlandkreise Freiburg, Hochschwarzwald und Müllheim erreicht werden. Aber auch der „große“ Landkreis sieht sich nach fünfzig Jahren erneut in Zeiten gewaltiger Umbrüche. Die Fülle und Komplexität der Aufgaben der kommunalen Ebene nehmen kontinuierlich und nahezu ungebremst zu. Dazu kommt die Bewältigung von Herausforderungen, wie die Aufnahme von Flüchtlingsströmen aus der ganzen Welt, der Ukrainekrieg, die Bewältigung der Corona-Pandemie mit all ihren Facetten und der Klimawandel. Dazu kommen immer umfangreichere Gesetze und Vorschriften, die zu einem erheblichen Mehraufwand bei der Umsetzung der staatlichen und kommunalen Aufgaben führen.

Vereidigung des ersten Landrats des neu gegründeten Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, Emil Schill, im Jahr 1973
Vereidigung des ersten Landrats des neu gegründeten Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, Emil Schill, im Jahr 1973
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2023 gilt erst recht: Deutschland ist, denkt und handelt zu kompliziert. Soll unser Staat zukunftsfest sein, gilt noch mehr als 1973: weniger Bürokratie, praxistaugliche Gesetze und leistungsfähige Verwaltung.

Achtzig Prozent aller Rechtssetzungen auf Bundes- und Landesebene werden auf der kommunalen Ebene umgesetzt. Bei knappen finanzielle Ressourcen und angesichts eines spürbaren Fachkräftemangels eine kaum noch zu lösende Aufgabe. Nicht verwunderlich deshalb eine wachsende Politikverdrossenheit in der Bevölkerung und eine Entfremdung der Menschen von den staatlichen Institutionen. Bürokratie wird zum Schimpfwort. Dass wir sie in vernünftigem Maße aber brauchen, um das Zusammenleben der Menschen nach den Normen unseres Sozial- und Rechtsstaates zu regeln, wird gern vergessen.

Die Vorzüge einer funktionierenden Verwaltung werden zwar grundsätzlich erkannt. Laut repräsentativer Meinungsumfragen schätzt die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ihre Kompetenz, ihre Verlässlichkeit oder auch ihre Unbestechlichkeit. Verwaltungen sind aber noch viel mehr. In der Ausübung demokratisch legitimierter Rechtssetzungen sind sie die Garanten unseres Rechtstaates und des sozialen Friedens. Sie sind unverzichtbarer Stabilisator unseres staatlichen Systems.

Klar ist aber auch, dass es ein Anliegen sein muss, den Staat schlanker zu machen und den Menschen den Zugang zu Dienstleistungen der Verwaltung zu vereinfachen. Das beginnt beim Formular, das verstanden werden muss und endet bei der komplexen Digitalisierung von entschlackten Verwaltungsabläufen.

Was automatisiert werden kann, muss automatisiert werden. Wo Leistungen, Aufgaben und Zuständigkeiten zusammengefasst, vereinfacht und konsolidiert werden können, muss dies geschehen. Dabei geht es nicht um Politikverzicht oder einen Abbau von staatlichen Leistungen und Fürsorge. Im Gegenteil: Um Handlungsfähigkeit wieder zu erlangen und politisch gestalten zu können, sind vollzugstauglichere Gesetz, übersichtliche Strukturen, weniger Schnittstellen und Entscheidungsschleifen, einfachere Verfahren und klare Zuständigkeiten erforderlich.

Verwaltungen und Landratsämter, als die den Bürgerinnen und Bürgern oft am nächsten stehenden staatlichen Institutionen, müssen künftig noch besser und sensibler mit den komplexen Herausforderungen umgehen können. Dazu braucht es keine erneute Gebietsreform. Für eine moderne Verwaltung braucht es angepasste, ausreichende finanzielle Mittel, vernünftige Rechtssetzungen und Deregulierungen. Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften müssen bereits vor Verabschiedung oder Erlass auf ihre Vollzugs- und Digitalisierungstauglichkeit geprüft werden. Die Wirksamkeit muss evaluiert werden. Dies erfordert, anders als in den letzten fünfzig Jahren, in Zukunft eine frühzeitige und bessere Anhörung und Einbeziehung der kommunalen Ebene mit der ihr eigenen hohen fachlichen Kompetenz.

Die Mitarbeitenden in unseren Landratsämtern sind nach fünfzig Jahren wieder an ihre Belastungsgrenzen gekommen. Sie geben über Generationen hinweg alles dafür, um den Menschen in unseren wunderschönen Landkreisen ein lebenswertes und friedvolles Leben zu ermöglichen. Es wäre ein längst überfälliges Zeichen größter Wertschätzung und des Dankes auch ihnen ihre Arbeit nicht erst nach dem Ablauf weiterer fünfzig Jahre zu erleichtern.

Dorothea Störr-Ritter ist Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald
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