Aktuell freilich befindet sich das Vertrauen der Deutschen in die Politik mehr denn je auf einer gefährlich abschüssigen Bahn. Etliche Studien zeigen, dass das Vertrauen in den Staat und seine Leistungsfähigkeit in einem inzwischen beängstigenden Umfang schwindet. Die Vertrauenskrise betrifft dabei alle Ebenen unseres Gemeinwesens. Allerdings widersteht Studien zufolge die kommunale Ebene dem Vertrauensschwund noch am besten.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund werben die Kommunen intensiv dafür, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Denn es liegt auf der Hand: Wenn verloren gegangenes Vertrauen wiedergewonnen werden soll, dann sollte auf die staatliche Ebene gesetzt werden, die nach wie vor über einen gewissen Vertrauensvorsprung bei den Menschen verfügt.
Was aber bedeutet es, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken? Dies erfordert erstens eine konsequente Aufgaben- und Standardkritik. Nur so können wieder Gestaltungsspielräume für die Kommunen entstehen. Denn die beständig anwachsende Aufgabenfülle sowie die massive Überregulierung sind für die Kommunen schier nicht mehr zu bewältigen. Dies gilt umso mehr, als der massive Fach- und Arbeitskräftemangel die Lage nur noch weiter verschärft.
Daher ist es zweifellos das richtige Signal, dass die baden-württembergische Landesregierung eine Entlastungsallianz ins Leben gerufen hat. Diese soll der inzwischen allgegenwärtigen Überforderung sämtlicher gesellschaftlicher Systeme – von den Schulen über das Gesundheitswesen bis hin zum Handwerk – radikal entgegenwirken. Ob freilich die Bereitschaft zu – neudeutsch – disruptiver Veränderung tatsächlich so ausgeprägt ist, wird sich weisen. Gewisse Zweifel erscheinen angebracht. Denn noch bevor die Entlastungsallianz so richtig in Gang gekommen ist, sind schon wieder zwei neue Gesetze in Planung, für die es keinerlei, auch keine rechtliche Notwendigkeit gibt, nämlich das Landesmobilitätsgesetz sowie das Gleichbehandlungsgesetz.
Zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung gehört zweitens, dass noch deutlich mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Fluchtmigration zu steuern und zu begrenzen. Denn die Aufnahme- sowie insbesondere auch die Integrationsfähigkeit der Kommunen sind begrenzt und die Grenzen mancherorts bereits überschritten. Hier muss von der Bundesregierung deutlich mehr kommen als bisher. Es geht beispielsweise um eine faire Verteilung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge innerhalb von Europa und eine Harmonisierung der Sozialleistungen für Schutzsuchende durch die Europäische Union.
Drittens steht und fällt die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung mit einer auskömmlichen Finanzierung. Die Kommunen tragen mehr als 25% der Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts, bekommen aber nur 14% des Steueraufkommens. Diese massive Unwucht muss zumindest mittelfristig korrigiert werden. Kurzfristig ist das Land in der Pflicht, die Kommunen von den Kosten der Geflüchtetenaufnahme freizuhalten. Denn die finanziellen Herausforderungen für die Kommunen sind auch so schon immens. Man denke nur an Themen wie Digitalisierung, Krankenhäuser oder Jugendhilfe.
Nun bedarf es freilich spätestens hier einer Präzisierung. Denn so richtig es ist, auf starke Kommunen zu setzen, um verloren gegangenes Staatsvertrauen wiederzuerlangen – voraussetzungslos ist diese Gleichung nicht.
Zum einen kann in Zeiten eines schrumpfenden Arbeitskräftepotenzials und knapper öffentlicher Kassen Vertrauen nicht dadurch wiedergewonnen werden, dass Wünsch-Dir-was-Pakete geschnürt werden – wie etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, beim Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen, von dem alle jetzt schon wissen, dass er allein schon wegen des mangelnden Personals nicht überall wird erfüllt werden können. Auch eine in ihrer Selbstverwaltung gestärkte Kommune wäre nicht in der Lage, solche überschießenden Leistungsversprechen einzulösen. Deshalb muss es gelingen, die Pflicht zur primären Eigenverantwortung wieder stärker als Teil unseres demokratischen Konsenses zu etablieren. In unserer sozialstaatlichen Demokratie sind Eigenverantwortung und Solidarität zwei Seiten derselben Medaille.
Zum anderen hängt Vertrauensaufbau immer auch von gelingender Kommunikation ab. Politik muss hier um eine hinreichende Beständigkeit in der eigenen Positionierung bemüht sein, auf Glaubwürdigkeit bei politischen Versprechen achten und konsequent auf dem Gewicht des besseren Arguments beharren. In Zeiten der Empörungsdemokratie geraten diese Selbstverständlichkeiten zu häufig ins Hintertreffen.
Erschienen am 3. Februar 2024 als Gastbeitrag in den Badischen Neuesten Nachrichten