Agenda 2030 der Vereinten Nationen
Die im vollen Wortlaut „2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung“ bezeichnete Selbstverpflichtung der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen soll die längst überfällige Transformation der Volkswirtschaften hin zu einer deutlich nachhaltigeren und inklusiveren Entwicklung vorantreiben. Gleichzeitig drückt die Staatengemeinschaft damit ihre Überzeugung aus, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen. Die 17 Agenda-Ziele und deren 169 Unterziele sind untrennbar miteinander verwoben und umfassen das globale Grundverständnis von sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Verträglichkeit und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.
Globale Megatrends wie die Digitalisierung des Alltags, die Energie- und Verkehrswende, Klimaschutz und Klimawandelanpassung oder der Erhalt der Biodiversität finden ebenso Erwähnung wie ressourcenschonendes Wirtschaften, nachhaltiges Wassermanagement, hochwertige Bildung oder die Verringerung von Armut und sozialen Ungleichheiten. Die ambitionierten Ziele zeigen also globale Herausforderungen auf, bei denen weltweit umgesteuert werden muss und zu deren Zielerreichung auch oder gerade die kommunale Ebene wesentliche Beiträge leisten kann.
Nachhaltigkeitsmanagement im Enzkreis
Mit Kreistagsbeschluss vom Juli 2017 und dem Unterzeichnen der Musterresolution „2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ hat sich der Enzkreis zur Umsetzung der 17 Agenda-Ziele und zu einer nachhaltigen Entwicklung bekannt. Die globale Zielsetzung ist dabei zugleich Richtschnur für das strategische Nachhaltigkeitsmanagement, identitätsstiftend im interkommunalen Wettbewerb und ein dankbares Marketinginstrument.
„Das Enzkreis-Leitbild formuliert die normative Zielsetzung für Kreistag und Verwaltung.“
Das im Licht der Agenda 2030 fortgeschriebene Leitbild des Enzkreises wurde nach intensiver Vorberatung als Orientierungs- und Handlungsrahmen für Kreistag und Verwaltung im Dezember 2018 verabschiedet. Es erfasst die großen Zukunftsthemen: So finden die Digitalisierungsstrategie und der Breitbandausbau ihren Platz und mit der Reduktion der CO2-Emissionen um 65 % bis 2030 und der Klimaneutralität bis 2040 sind die Klimaziele für das Landratsamt quantifiziert. Darüber hinaus werden Zielsetzungen zu den großen sozialen Themen wie Integration, Bildung, Gesundheit, Inklusion und Generationengerechtigkeit formuliert.
„Mit einem Maßnahmenkatalog füllt die Nachhaltigkeitsstrategie das Leitbild mit Leben und sieht das Monitoring in Indikatorenberichten vor.“
Aufbauend auf dem Leitbild wurde unter Beteiligung der Öffentlichkeit eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, die den Beitrag der Fachämter und Stabsstellen zur Umsetzung der 17 Agenda-Ziele formuliert und so die Agenda 2030 im Enzkreis mit Leben füllt. Aus dem strategischen Ansatz resultieren also konkrete „enkeltaugliche“ Maßnahmen, von denen einige nur gemeinsam mit den Städten und Gemeinden oder weiteren Partnern im Landkreis umgesetzt werden können, etwa bei der Kinderbetreuung, dem Ausbau des Radwegenetzes, Erneuerbaren Energien, der Ausbildung von Fachkräften im Handwerk oder bei der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit dem Partner-Distrikt Masasi in Tansania.
„Der Stand der nachhaltigen Entwicklung wird alle zwei Jahre in Indikatorenberichten aufgezeigt.“
Neben dem umfassenden Maßnahmenkatalog liegt ein Augenmerk der Nachhaltigkeitsstrategie auf dem turnusmäßigen Monitoring der Entwicklung in Indikatorenberichten nach dem Vorbild des Landes Baden-Württemberg. Die SDG-Indikatoren für Kommunen bilden dabei eine solide Grundlage für das Monitoring im Enzkreis. Durch die flächendeckende Verfügbarkeit der statistischen Daten, über die Statistischen Ämter der Länder oder die Datenbank „Wegweiser Kommune“ der Bertelsmann Stiftung wird ein bundesweit standardisiertes Monitoring ermöglicht, das auch mit den Transformationsbereichen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie kongruent ist.
„Der Kreistag des Enzkreises setzt eigene Schwerpunkte im Monitoring der nachhaltigen Entwicklung.“
Der Kreistag hat in einer Klausur eigene Schwerpunktthemen einer nachhaltigen Kreisentwicklung benannt, die das standardisierte SDG-Monitoring ergänzen. So wurde neben den klassischen bundes- und landespolitischen Themen der Energie- und Verkehrswende, des bezahlbaren Wohnens oder eines nachhaltigen Wassermanagements unter anderem auf die psychische Gesundheit und die Versorgung mit Haus- und Fachärzten, Ausbildungsberufe insbesondere im Handwerk, die Stärkung regionaler Betriebe und landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder auf die Inklusion besonders Wert gelegt.
„Die Vergleichbarkeit mit anderen föderalen Ebenen oder Kommunen bringt zentralen Mehrwert, auch im interkommunalen Wettbewerb.“
Die Landesregierung begann ihre Bemühungen für eine nachhaltige Entwicklung schon im Jahr 2007 mit einer Plattform und hat zuletzt den seit 2014 vierten Indikatorenbericht veröffentlicht. Bei den Entwicklungsthemen, die in den Indikatorenberichten der Bundesregierung, der Landesregierung und des Enzkreises dargestellt werden, gibt es große Schnittmengen. Der datenbasierte Vergleich mit anderen föderalen Ebenen objektiviert damit einerseits die Antwort auf die Frage „Wo stehen wir in Sachen Nachhaltigkeit?“ und trägt damit zur Bewusstseinsbildung für den Kreistag und die Öffentlichkeit bei. Andererseits kann ein Wettbewerbseffekt entstehen, z.B. über den Vergleich benachbarter oder ähnlich strukturierter Landkreise, dessen positive Auswirkungen der Strukturförderung, bspw. beim Ausbau des Breitbandnetzes oder der Erneuerbaren Energien nicht zuletzt den eigenen Einwohnerinnen und Einwohnern oder Unternehmen zugutekommt.
„Effiziente Steuerung der Kreisentwicklung über Statusindikatoren.“
Indikatorenbericht 2023
Die kommunalen Herausforderungen sind im Krisenmodus gewaltig und werden zukünftig nicht weniger werden. Das datenbasierte Monitoring der großen Entwicklungsthemen steigert das Verständnis und zeigt Interdependenzen zwischen den Sektoren auf: Nicht nur dem öffentlichen Dienst fehlen die Fachkräfte, auch das Handwerk oder der Gesundheitsbereich, insbesondere in der Pflege oder bei Haus- und Fachärzten sind vom Nachwuchsmangel betroffen, was sich insbesondere in ländlich geprägten Gebieten durch die demografische Alterung verschärfen wird.
Ebenso resultieren aus der demografischen Entwicklung erhebliche Flächenremanenzen, die sich in einer wachsenden einwohnerbezogenen Inanspruchnahme von Wohnflächen, steigenden Preisen für Bauland und Mieten und in der Folge dem Fehlen bezahlbaren Wohnraums ausdrücken. Analog zur steigenden Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt auch die Kfz-Dichte zu, was sich wiederum im steigenden Endenergieverbrauch und den Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors wiederspiegelt. Städte und Gemeinden können die Entwicklungen in der Zuwanderungsregion durch neue intermodale Mobilitätsangebote, verdichtete Wohngebiete und die Gestaltung von nachhaltigen Quartieren mit Mehrgenerationenwohnen, bei denen Klimaschutz und Klimaanpassung mitgedacht werden, positiv beeinflussen. Im kommunalen Alltag, der zuletzt von Krisenbewältigung geprägt war, bleibt jedoch vor allem in kleineren Kommunen und bei angespannter Personalkapazität nur wenig Raum für zukunftsorientiertes Planen in integrierten Konzepten, was die Wichtigkeit eines strategischen Nachhaltigkeitsmanagements und überfachlicher Arbeitskreise hervorhebt, die durch die Kreisverwaltung koordiniert und themenspezifisch bereits umgesetzt werden.
Der Kreistag wurde bei der Erarbeitung des Leitbildes, hinsichtlich der Schwerpunktthemen der Nachhaltigkeitsstrategie und auch mit Blick auf das Monitoring in Indikatorenberichten intensiv in den Agenda 2030-Prozess einbezogen. Darüber hinaus beteiligen sich interessierte Kreisrätinnen und Kreisräte im Rahmen von Steuerungskreisen oder Workshops an verschiedenen Fachthemen, bspw. bei der Erarbeitung der Strategien zur Klimawandelfolgenanpassung oder der Wirtschaftsförderung. Die fachliche Auseinandersetzung steigert das Bewusstsein für die Komplexität der Themen und durch das Einbringen persönlicher Sichtweisen und Kompetenzen letztlich die Akzeptanz für die grundlegenden Weichenstellungen im Landkreis.
SDG-Dashboard für den Enzkreis
In einem gemeinsamen Projekt mit der Engagement Global gGmbH und Dr. Florian Koch von der HTW-Berlin, Professor für Immobilienwirtschaft mit Schwerpunkt Stadtentwicklung und Smart Cities, wurde ein eigenes SDG-Dashboard für den Enzkreis erarbeitet. Als Informationsplattform bildet es einerseits datenbasiert den Stand der nachhaltigen Entwicklung über die SDG-Indikatoren ab und soll andererseits der Bewusstseinsbildung für die Öffentlichkeit, Partner und Unternehmen im Landkreis dienen.
Das Dashboard ist unter https://agenda2030.enzkreis.de einsehbar und hält neben den Daten und Beschreibungen der Indikatoren weitere Publikationen zum Thema vor.
„Statusindikatoren können die themenspezifische Zusammenarbeit mit Kreis-Kommunen stärken.“
Agenda 2030 in den Enzkreis-Kommunen
Letztlich ist eine nachhaltige Kreisentwicklung nur effektiv möglich, wenn es personelle Ressourcen für deren Umsetzung gibt und sich nicht nur Kreis, Städte und Gemeinden, sondern auch assoziierte Partner, Unternehmen und die Zivilgesellschaft engagieren. Die Personalstelle für das Nachhaltigkeitsmanagement des Enzkreises geht auf eine Anschubfinanzierung zur „Koordination kommunaler Entwicklungspolitik“ zurück, die über vier Jahre durch die Engagement Global gGmbH mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wurde und seit Sommer 2022 im Enzkreis verstetigt ist. Auf Grundlage des evidenzbasierten Monitorings über SDG-Indikatoren können die dringlichsten Entwicklungsthemen gemeinsam mit dem Kreistag, dem zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Kreis-Kommunen angehören, herausgearbeitet und über die geltenden Zuständigkeiten effizient koordiniert werden. Im Jahr 2022 haben sich bereits vier der 28 Kommunen im Enzkreis selbst per Ratsbeschluss zur Umsetzung der Agenda 2030 bekannt. Bei Kommunen über 5.000 Einwohnern ist ein eigenes Monitoring über SDG-Indikatoren möglich, bei dem das Nachhaltigkeitsmanagement der Kreisverwaltung Unterstützung bei der Datenerhebung, Aufbereitung und Präsentation anbietet. Über den Abgleich der Daten zwischen Landkreis und Kreis-Kommune wird die strategische Steuerung der Entwicklungsthemen noch zielgerichteter möglich und der Fortschritt messbar.
Vorreiterrolle und Ausblick
Aktuell haben deutschlandweit mehr als 220 Kommunen die Musterresolution zur Agenda 2030 unterzeichnet – vier von ihnen liegen im Enzkreis. Weltweit orientieren sich Metropolen wie Los Angeles, Sao Paolo, Stockholm, Amsterdam oder Stuttgart an den 17 Zielen für die Weltgemeinschaft und hinterlegen den Stand der Entwicklung mit konkreten Zahlen. Auf Grundlage der weltweit verbindlichen Zielsystematik der Agenda 2030 und dem datenbasierten Monitoring wird die Steuerung der nachhaltigen Entwicklung in allen Sektoren evidenzbasiert ermöglicht und der Fortschritt dokumentiert. Durch die Vergleichbarkeit der Daten über die verschiedenen föderalen Ebenen können zudem wertvolle Rückschlüsse zum Status Quo der sektorspezifischen Entwicklung gezogen werden. Gerade der kleinräumige Vergleich zwischen den aggregierten Daten des Enzkreises und einzelner Kreis-Kommunen ermöglicht ein strukturiertes und zielgerichtetes Management der nachhaltigen Kreisentwicklung.
Die Kreisverwaltung ist zugleich Vorreiter und Servicestelle für die Städte und Gemeinden im Landkreis. Kreis-Kommunen, die sich zur Umsetzung der Agenda 2030 bekannt haben, können vom Nachhaltigkeitsmanagement und der evidenzbasierten Strukturanalyse im Landkreis profitieren und ein vergleichendes Monitoring anstreben. Die SDG-Indikatoren der Bertelsmann Stiftung sind geeignet, um mit geringem Aufwand eigene stadt- bzw. gemeindespezifische SDG-Berichte zu erstellen und die Entwicklung mit effektiven Maßnahmen positiv zu beeinflussen.