Digitale Medien im Alltag – Herausforderung und Chance: Eltern als zentrale Wegbegleiter in der digitalen Welt

Medienkompetenz von Kindern stärken – Eine Präventionskampagne im Landkreis Tuttlingen

Das Landratsamt Tuttlingen hat gemeinsam mit der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg im Rahmen der Kommunalen Gesundheitskonferenz das Präventionsprojekt „Medienkompetenz von Kindern stärken" ins Leben gerufen. Langfristiges Ziel ist es die Medienkompetenz in Familien im Landkreis Tuttlingen zu stärken.
Sylvia Broschk · Landkreis Tuttlingen · 06. August 2025
Präventionstheater: Vanessa Nebenführ spielt Leonie mit Monika Wieder „Mach Was“
Präventionstheater: Vanessa Nebenführ spielt Leonie mit Monika Wieder „Mach Was“
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Das Internet findet seinen Weg häufig ungefiltert ins Kinderzimmer. Spiele ziehen schon die Jüngsten in ihren Bann und digitale Medien prägen zunehmend das Aufwachsen von Kindern. Schon Grundschulkinder bewegen sich selbstverständlich auf Plattformen wie TikTok, YouTube, Instagram und nutzen WhatsApp.

Die digitale Welt bietet zahlreiche Chancen, besonders in den Bereichen Lernen, Kommunikation und kreatives Gestalten. Gleichzeitig gehen mit diesen Möglichkeiten auch erhebliche Risiken einher: Dazu zählen Cybermobbing, Schlafstörungen und die Konfrontation mit unangemessenen Inhalten wie Gewalt oder Pornografie.

Bernd Mager, Sozialdezernent im Landkreis Tuttlingen, unterstützt die Medienkampagne und hebt hervor: „Ein reflektierter Umgang mit Medien ist heute unerlässlich. Unsere Kinder benötigen eine verlässliche Begleitung, um digitale Chancen verantwortungsvoll zu nutzen und Risiken sicher zu erkennen. Obwohl sie viel Zeit online verbringen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie sich souverän und kompetent in der digitalen Welt bewegen. Gezielte Förderung von Medienkompetenz ist entscheidend – für den persönlichen Schutz der Kinder und für eine starke, funktionierende Demokratie.“

Besorgniserregende Ergebnisse zeigt die KIM-Studie (2024) des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest: Bereits im Grundschulalter beginnt der intensive Umgang mit digitalen Medien, wobei sich die Kinder teilweise auf Social-Media-Plattformen bewegen, obwohl deren Zugang gemäß den Nutzungsbedingungen erst ab einem Alter von 13 Jahren offiziell erlaubt ist. Besonders auffällig ist die Entwicklung bei den Acht- bis Neunjährigen: Fast jedes zweite Kind verfügt bereits über ein eigenes Smartphone.

Die Studie zeigt deutliche Lücken in der elterlichen Medienbegleitung: 55 Prozent der Eltern, deren Kinder über ein eigenes Smartphone verfügen, ergreifen keine technischen oder begleitenden Maßnahmen zur Begrenzung der Nutzungsdauer.

Für eine gesunde Entwicklung der Kinder ist ein bewusster, altersgerechter Umgang mit digitalen Medien entscheidend. Eltern, Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte sowie Politik und Gesellschaft sind gefordert, ihre Verantwortung wahrzunehmen.

1. Projektstart, Ziele und Zielgruppe und Struktur: Baustein 1

Das Landratsamt Tuttlingen hat gemeinsam mit der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg im Rahmen der Kommunalen Gesundheitskonferenz das Präventionsprojekt „Medienkompetenz von Kindern stärken gestartet. Die Grundlage für eine erneute erfolgreiche Zusammenarbeit bildet eine Kooperationsvereinbarung zwischen der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg und dem Landkreis Tuttlingen, wobei die AOK die vollständige Finanzierung des Präventionstheaters übernahm und damit die Aufführungen des Präventionstheaters „@Ed und ich“ in den Grundschulen überhaupt möglich machte.

Die Projektleitung beim Gesundheitsamt liegt bei Sylvia Broschk, Geschäftsführerin der Kommunalen Gesundheitskonferenz. Das Präventionsprojekt wird in enger und konstruktiver Zusammenarbeit umgesetzt, und zwar gemeinsam mit AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg und dem Kreismedienzentrum Tuttlingen.

Langfristiges Ziel ist es die Medienkompetenz in Familien im Landkreis Tuttlingen zu stärken. Dabei soll eine kritische Auseinandersetzung mit Medieninhalten gefördert werden. Zudem wird angestrebt mediengestaltende Fähigkeiten zu unterstützen und eine verantwortungsbewusste Nutzung digitaler Medien zu fördern. Dies umfasst die Fähigkeit, den eigenen Medienkonsum zu reflektieren und gesund zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Schutz der psychischen Gesundheit, insbesondere in Bezug auf die Auswirkungen exzessiver Bildschirmzeiten und auch in belastenden Online-Situationen, wie etwa bei Mobbing, gesund und selbstbewusst handeln zu können.

Zur Auftaktveranstaltungen wurden alle Schulleitungen, Schulsozialarbeiter sowie pädagogische Fachkräfte eingeladen. Bevor sie entschieden, das Präventionstheaterstück „@Ed und ich“ an ihre Grundschulen zu holen, hatten sie die Möglichkeit, die Aufführung selbst vorab anzusehen.
 

2. Gründung Präventionsnetzwerk „Medienkompetenz von Kindern stärken“

Zum Projektbeginn wurde eine Analyse zur Identifikation aller relevanten Stakeholder durchgeführt, sodass regionale Akteure gewonnen werden konnten. Die Netzwerkmitglieder treffen sich in regelmäßigen Arbeitskreistreffen, sind aktiv an der Umsetzung von Maßnahmen beteiligt und unterstützen in ihrem Umfeld mit gezielter Kommunikation zum Thema. In diesem Netzwerk wurde die Auftaktveranstaltung geplant und z.B. eine mehrsprachige regionale Elternbroschüre, in deutscher, türkischer, rumänischer und ukrainischer Sprache konzipiert.

Mitglieder Präventionsnetzwerk „Medienkompetenz von Kindern stärken“ (v.l.n.r.): Bettina Mauch (Schulpsychologische Beratungsstelle), Joachim Schön (Polizeipräsidium Konstanz, Referat Prävention), Alexandra Schneider (Amt für Familie, Kinder und Jugend, Abteilung Prävention), Sylvia Broschk (Kommunale Gesundheitskonferenz, Gesundheitsamt), Brigitte Ebe (Fachstelle Frühe Hilfen), Dirk Scherer (AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg), Praktikantin (Fachstelle Sucht), Marcus Abel (Fachstelle Sucht), Roman Rendle (Kreismedienzentrum), Friederike Felske (Schulpsychologische Beratungsstelle)
Mitglieder Präventionsnetzwerk „Medienkompetenz von Kindern stärken“ (v.l.n.r.): Bettina Mauch (Schulpsychologische Beratungsstelle), Joachim Schön (Polizeipräsidium Konstanz, Referat Prävention), Alexandra Schneider (Amt für Familie, Kinder und Jugend, Abteilung Prävention), Sylvia Broschk (Kommunale Gesundheitskonferenz, Gesundheitsamt), Brigitte Ebe (Fachstelle Frühe Hilfen), Dirk Scherer (AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg), Praktikantin (Fachstelle Sucht), Marcus Abel (Fachstelle Sucht), Roman Rendle (Kreismedienzentrum), Friederike Felske (Schulpsychologische Beratungsstelle)
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Teilnehmende Ämter und Einrichtungen Präventionsnetzwerk:

  • Amt für Familie, Kinder und Jugend, Abteilung Prävention
  • AOK - Schwarzwald-Baar-Heuberg
  • Beratungslehrer
  • Fachberatung Kindertagesstätten, Abteilung Familien u. Kindergärten der Stadt Tuttlingen
  • Fachstelle Sucht
  • Fachstelle Frühe Hilfen, Familienberatung
  • Gesundheitsnetzwerk Heuberg
  • Kommunale Gesundheitskonferenz, Gesundheitsamt
  • Kreismedienzentrum
  • Polizeipräsidium Konstanz, Referat Prävention
  • Schulpsychologischen Beratungsstelle
  • Schulsozialarbeiter

3. Herzstück des Projekts: Das Theaterstück „@Ed und ich“

Kern des Projekts ist das interaktive Theaterstück „@Ed und ich“ des Präventionstheaters „Mach Was“, konzipiert von Regisseurin und Theaterpädagogin Monika Wieder. In der Geschichte entdeckt die 8-jährige Leonie mit ihrem neuen Tablet die digitale Welt – bis diese überhandnimmt. Nach der Aufführung spielt die Nachbereitung des Stücks in den Klassen eine entscheidende Rolle. Hier können die Kinder von ihren eigenen Erfahrungen erzählen. Außerdem werden Themen wie exzessive Bildschirmnutzung, Online-Abhängigkeit, Datenschutz und Cybermobbing altersgerecht aufgearbeitet.
 

4. Elternarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Da Medienerziehung ohne Eltern nicht funktioniert, ergänzen von Beginn an zwei zentrale Maßnahmen das Projekt:

  • zwei schulübergreifende Elternabende im Landratsamt Tuttlingen
  • Workshops und Infoveranstaltungen im Kreismedienzentrum zu den Themen „Social Media“ und „Let’s Play“ – sowohl online als auch in Präsenz

Im Zuge der Elternabende wurde auch den Eltern die Gelegenheit geboten, das Theaterstück persönlich zu erleben und sich so ein eigenes Bild vom pädagogischen Ansatz zu machen. Es diente ihnen anschließend als wertvolles Gesprächsinstrument (Vehikel), um gemeinsam mit ihren Kindern herausfordernde Situationen mit der nötigen Distanz und Offenheit besprechen zu können.

Ein wichtiger Bestandteil des Elternabends war zudem die Vorstellung zentraler Anlaufstellen für Beratung und Unterstützung. Vertreter der Fachstelle Sucht Tuttlingen, der Schulpsychologischen Beratungsstelle, des Referats Prävention des Polizeipräsidiums Konstanz sowie das Kreismedienzentrum Tuttlingen präsentierten ihre Angebote und standen den Eltern für Fragen zur Verfügung.
 

5. Ausgezeichnete Arbeit – Deutscher PR-Preis 2024

Gemeinsam mit der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg bewarb sich der Landkreis Tuttlingen um den Internationalen Deutschen PR-Preis 2024 der Deutschen Public Relations Gesellschaft e. V. (DPRG) und wurde in der Kategorie „Gesundheit & Life Science“ ausgezeichnet.

Gewürdigt wurde die herausragende Kommunikationsarbeit rund um das Projekt. Die Jury lobte:

  • die hohe gesellschaftliche Relevanz,
  • die kreative, pädagogische Umsetzung,
  • die große Reichweite und Effektivität.

„Ein starkes Signal für die Zukunft – im Landkreis Tuttlingen und darüber hinaus.“ freute sich Sozialdezernent Bernd Mager und fährt fort „Kinder haben das Recht auf Teilhabe, Schutz und eine angemessene Befähigung in der digitalen Welt. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir Familien frühzeitig in einem kreativen, kritischen und sicheren Umgang mit digitalen Medien unterstützen.“

Preisverleihung in Hannover: Internationaler Deutscher PR-Preis 2024 der Deutschen Public Relations Gesellschaft e.V. (DPRG) in der Kategorie „Gesundheit und Life Science: v.l.n.r Dr. John Paul Fobiwe (Leiter des Gesundheitsamts in Tuttlingen), Nina Lägel (Pressesprecherin AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg), Angelika Sönnichsen (verantwortlich für Einreichung und PR des Projekts) und Dirk Scherer (Präventionsexperte AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg)
Preisverleihung in Hannover: Internationaler Deutscher PR-Preis 2024 der Deutschen Public Relations Gesellschaft e.V. (DPRG) in der Kategorie „Gesundheit und Life Science: v.l.n.r Dr. John Paul Fobiwe (Leiter des Gesundheitsamts in Tuttlingen), Nina Lägel (Pressesprecherin AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg), Angelika Sönnichsen (verantwortlich für Einreichung und PR des Projekts) und Dirk Scherer (Präventionsexperte AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg)
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6. Zwischenfazit (Baustein 1): Erfolge, Ergebnisse und Ausblick

  • 84 % der Grundschulen im Landkreis Tuttlingen haben am Projekt teilgenommen.
  • Rund 2.500 Kinder sowie zahlreiche Lehrkräfte wurden erreicht.
  • Es fanden 35 Theateraufführungen statt.
  • In den Schulen wurden 129 theaterpädagogische Nachbereitungen durchgeführt.
  • Mit zwei Elternabenden konnten etwa 230 Eltern direkt angesprochen werden.
  • Über das Kreismedienzentrum wurden die ergänzende Rahmenprogramme „Social Media“ und „Let’s Play“ – sowohl digital als auch in Präsenz – angeboten.
  • Das Projekt wurde mit dem Internationalen Deutschen PR-Preis 2024 der DPRG in der Kategorie „Gesundheit und Life Science“ ausgezeichnet.

7. Roll-Out des Präventionsprojektes auf weitere Landkreise

Angesichts der großen Erfolge im Landkreis Tuttlingen ist ein „Leuchtturmprojekt“ entstanden, das nach dem gleichen Muster auf weitere Landkreise und auch bundesweit ausgerollt werden kann. Bereits Anfang März 2024 wurde mit der Auftaktveranstaltung die Kampagne auf den Landkreis Rottweil übertragen. Im März 2025 wurde das Projekt auf den Schwarzwald-Baar-Kreis nach dem Vorbild von Tuttlingen ausgerollt. In beiden Landkreisen ist die Umsetzung sehr erfolgreich. Die AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg übernimmt auch hier die Finanzierung des Präventionstheaters. Bei den Elternabenden zeigen sich, wie auch in Tuttlingen, sehr hohe Teilnahmequoten und ein großes Interesse der Erziehenden und der Schulen an dem Thema Medienkompetenz.
 

8. Weiterentwicklung: Einbezug von Medienpädagogen und Durchführung von dezentralen Elternabende in Grundschulen sowie Online-Elternabende: Baustein 2

Im Rahmen der Weiterentwicklung des Medienkompetenzprojektes liegt der Fokus nun verstärkt auf einer nachhaltigen Ausweitung und festen Verankerung des Themas innerhalb des Landkreises, sodass möglichst langfristige Wirkungen erzielt werden können.

In der Arbeitskreissitzung des Präventionsnetzwerks „Medienkompetenz“ wurde zunächst intensiv darüber diskutiert, welche gesundheitsfördernden Angebote und Präventionsmaßnahmen nach dem Präventionstheater „@Ed und ich“ landkreisweit entwickelt und umgesetzt werden sollten. Eine erste Hürde bestand darin, die notwendigen finanziellen Mittel zu finden.

Angesichts des hohen Beratungsbedarfs und der großen Teilnehmerzahlen bei den Elternabenden von Grundschulkindern entschloss sich der Arbeitskreis, diesen Bedarf prioritär zu bedienen.

Im Verlauf des Projekts wurde bei den Eltern ein zunehmender Bedarf an intensiveren Informationen und Beratung deutlich. Dabei stellen sich Eltern zahlreiche Fragen:

  • Welche Inhalte sind altersgerecht?
  • Wie kann ich mein Kind vor Risiken wie Gewalt, Mobbing oder Fake News schützen?
  • Welche technischen Schutzmaßnahmen gibt es?
  • Warum üben Plattformen wie TikTok oder YouTube eine so starke Faszination aus und wie gehe ich mit Konflikten im Zusammenhang mit der Mediennutzung um?
  • Machen die Medien und ihre Nutzung unsere Kinder krank?

Die bisherigen Elternabende konzentrierten sich hauptsächlich auf die Aufführung des Präventionstheaters. Zukünftig sollten jedoch professionelle Medienpädagogen eingebunden werden, um die Eltern gezielt zu sensibilisieren und ihnen Unterstützung zu bieten.

Im Rahmen dieses neuen Ansatzes wurde beschlossen, eine erneut eine zentrale Auftaktveranstaltung zu organisieren, zu der alle Eltern von Grundschulkindern eingeladen wurden. Hier standen den Erziehenden zwei sich ergänzende und erfahrene Medienpädagogen zur Verfügung. Darüber hinaus wurde entschieden, fünf dezentrale Elternabende in Grundschulen, verteilt über den gesamten Landkreis anzubieten. Diese sollten in Präsenz, niedrigschwellig und wohnortnah stattfinden. Ergänzend dazu wurden zwei Online-Elternabende angeboten, um auch digitalen Zugang zu ermöglichen.
 

9. Erfolgreiche Auftaktveranstaltung und Roll-Out der Medienkompetenzkampagne im Landkreis Tuttlingen

Im Februar 2025 fand die Auftaktveranstaltung „Digitale Lebenswelten – Herausforderungen, Tipps, Chancen und Anregungen“ im Kreismedienzentrum Tuttlingen statt. Rund 170 Eltern und Erziehende nutzten die Gelegenheit, sich über die Mediennutzung ihrer Kinder zu informieren. Die hohe Nachfrage von 220 Anmeldungen zeigt, wie relevant das Thema für die Familien im Landkreis ist.

Die Veranstaltung wurde von der Kommunalen Gesundheitskonferenz, dem Kreismedienzentrum organisiert mit Unterstützung des Staatlichen Schulamtes sowie der Beteiligung der Grundschulen. Sylvia Broschk, Geschäftsführerin der Gesundheitskonferenz und Roman Rendle, Leiter des Kreismedienzentrums, führten die Veranstaltung im Auftrag des Arbeitskreises „Medienkompetenz von Kindern stärken“ durch.
 

Chancen und Risiken der digitalen Welt

Benjamin Thull, Leiter des Teams für Jugendschutz und Forschung bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), eröffnete die Vortragsreihe mit seinem Vortrag „Posten, Chatten, Zocken“. Thull beleuchtete die Chancen und Risiken der digitalen Medienwelt und ging auf zentrale Aspekte des Jugendmedienschutzes sowie aktuelle Entwicklungen wie den Einfluss Künstlicher Intelligenz ein. Ein besonderes Augenmerk legte er auf die Gefahren, die von sozialen Medien ausgehen, insbesondere auf TikTok-Challenges, die durch riskante Mutproben wie die „Zimt Challenge“ oder die „Hot Chip Challenge“ zu lebensbedrohlichen Situationen führen können.

„Ein intelligentes Zusammenspiel von präventiven und restriktiven Schutzmaßnahmen ist die Basis für einen gelingenden Kinder- und Jugendmedienschutz. Mit meinem Vortrag möchte ich Eltern und Erziehungsberechtigte dabei unterstützen, dies in ihrer Erziehungspraxis bestmöglich umzusetzen“, erklärte Thull.

Thull gab zudem wertvolle Einblicke in die KIM-Studie, die zeigt, dass fast 70 Prozent der 6- bis 7-Jährigen keine angepassten Geräteeinstellungen auf ihren Handys haben. Besonders interessiert war das Publikum an den Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz. Thull verdeutlichte: „Sehen heißt in der Zukunft nicht wissen“. Er appellierte an die Eltern, im Gespräch mit ihren Kindern zu bleiben und den Medienkonsum, wenn nötig, zu begrenzen.
 

Praktische Tipps für den Familienalltag

Im Anschluss gab Michael Weis, Freier Referent im Pool des Landesmedienzentrums und im Bereich von Schülerworkshops, Elternabenden und Fortbildungen tätig ist, praxisorientierte Tipps für den Umgang mit digitalen Medien im Familienalltag. Weis betonte, dass eine starke Beziehung zwischen Eltern und Kindern der wirksamste Schutz sei. „Technische Einstellungen bieten keinen hundertprozentigen Schutz. Der wirksamste Schutz ist eine gute Beziehung zu den Kindern!“ so Weis.

Er empfahl, gemeinsame Regeln aufzustellen, wie etwa keine Smartphones am Esstisch, und einen Mediennutzungsvertrag innerhalb der Familie zu schließen. Weis riet Eltern, bei Fragen zur Mediennutzung ruhig zu bleiben und die Konsequenzen von Handy-Entzug gut zu überdenken: „Holen Sie gaaanz tief Luft, überlegen Sie genau, ob Sie eine Woche Handy-Entzug bei Ihrem Kind selbst durchhalten, bevor Sie es aussprechen.“ Seine grundsätzliche Haltung: „Spielen Sie mit Ihren Kindern gemeinsam, lassen Sie sich zeigen womit, die Kinder sich beschäftigen und welche Spiele sie begeistern.“ Um die digitale Welt unserer Kinder besser zu verstehen, gab Weis auch spannende Einblicke in unsere Bedürfnisse, das Belohnungssystem und die Geschäftsmodelle der Werbung und der Emotionen im Internet.
 

Beratungsangebote und lokale Unterstützung

Nach den Vorträgen stellten sich die Ansprechpartner aus den regionalen Beratungsstellen vor:  Fachexperten aus der Fachstelle Sucht, der Schulpsychologischen Beratungsstelle, der Polizei und dem Kreismedienzentrum gaben den Eltern wertvolle Einblicke in ihre Arbeit.

Durch das Engagement der Rektoren und Schulsozialarbeiter der Grundschulen können die dezentralen Elternabende wohnortnah stattfinden. Sie stellen ihre Räumlichkeiten und Technik zur Verfügung, unterstützten die Bewerbung bei den Eltern und sind vor Ort, um den Erfolg der Veranstaltung sicherzustellen.

Die Finanzierung der Kampagne wurde durch weitere Partner ermöglicht: Michael Weis konnte über das Landesmedienzentrum von dem Leiter des Kreismedienzentrums, Roman Rendle, für sechs Präsenzveranstaltungen gewonnen werden und Sylvia Broschk von der Kommunalen Gesundheitskonferenz sicherte die Teilnahme des Experten Benjamin Thull, der maßgeblich an Projekten wie „handysektor.de“ und „medien-kindersicher.de“ beteiligt ist.
 

Fazit und Ausblick

Der Erfolg des Projekts basiert auf der interdisziplinären Zusammenarbeit von Experten aus verschiedenen Ämtern und Einrichtungen sowie dem engagierten Einsatz zahlreicher Akteure. Zudem spielt die aktive Unterstützung der Schulen und des Schulamtes eine zentrale Rolle.

Die Zusammenarbeit der Fachexperten in den Arbeitskreissitzungen ermöglicht es, vorhandene Projekte und Maßnahmen zur Medienkompetenz in den verschiedenen Bereichen zu identifizieren. So können spezifische Handlungsbedarfe erfasst werden. Auf dieser Grundlage kann zukünftig eine gemeinsame Strategie zur Förderung der Medienkompetenz entwickelt werden.

Die Mitglieder des Präventionsnetzwerkes „Medienkompetenz von Kindern stärken“ werden sich erneut zusammenfinden, um weiterführende Ideen und Ansätze zu entwickeln. Mögliche Maßnahmen umfassen unter anderem die Ausbildung von Peer-to-Peer-Multiplikatoren, Workshops durch das Kreismedienzentrum, weitere Vorträge sowie die Planung eines gemeinsamen Fachtages.

Sylvia Broschk ist Geschäftsführerin Kommunale Gesundheitskonferenz im Landratsamt Tuttlingen
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