Wochen der Pflege im Landkreis Freudenstadt

Vernetzung und Kooperation im Flächenlandkreis - Auf dem Weg zum "Pflegegutstand"?!

Im zweijährigen Turnus finden im Landkreis Freudenstadt die Wochen der Pflege statt – ein vom Arbeitskreis Kommunale Pflegekonferenz zusammengestelltes, abwechslungsreiches Veranstaltungsprogramm zum Thema „Älter werden“ und Pflege. Dieses leistete einen wichtigen Beitrag zur landkreisweiten Vernetzung der Akteure im Umfeld der Pflege und der Abstimmung der Angebote auf die Bedarfe der Menschen vor Ort.
Hendrik Jacobi · Landkreis Freudenstadt · 18. März 2025
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Der Fokus im Jahr 2024 lag auf dem Thema Demenz, dessen zunehmende Bedeutung unter anderem von Gerlinde Kretschmann bei Ihrem Vortrag im Rahmen der Auftaktveranstaltung der Wochen der Pflege hervorgehoben wurde.

Der Landkreis Freudenstadt, gefühlt unendliche Weiten aus Wald und Feldern, unterbrochen durch kleine Ansiedlungen. Eine zum Teil herausfordernde Topografie, insbesondere im Westen geprägt durch tief eingeschnittene Täler und hohe Bergkämme. Mit einer Bevölkerungsdichte von nur 140 Einwohnern pro km2 und damit einer der am dünnsten besiedelten Landkreise in Baden-Württemberg. Aufgrund dieser Eigenarten lässt sich der Landkreis Freudenstadt als peripher gelegene ländliche Region einordnen. Das in diesem Kontext ebenfalls oft anzutreffende Attribut „schrumpfend“ trifft nicht zu. Der Landkreis Freudenstadt ist aktuell ein wachsender Raumtyp. Dieses Wachstum ist allerdings hauptsächlich auf Zuwanderung zurückzuführen.[1]

Ebenfalls charakteristisch ist eine mit dem demografischen Wandel einhergehende deutliche Alterung der Bevölkerungsstruktur. Ein Phänomen von dem der Landkreis Freudenstadt trotz seines Wachstums bereits nachhaltig betroffen ist. So lag im Jahr 2023 der Anteil von Menschen ab einem Alter von 65 Jahren mit 21,8% bereits 0,7% über dem Durchschnitt in Baden-Württemberg, und wird bis 2040 voraussichtlich auf 27,8%, also 2,0% über dem Landesdurchschnitt, steigen. Ohne die Berücksichtigung von Wanderungsbewegungen ergibt die Vorausberechnung sogar einen Anteil von 30,9% an der Landkreisbevölkerung.[2] Gemäß der Pflegestatistik des Statistischen Landesamtes gab es im Jahr 2023 7598 Pflegebedürftige im Landkreis, was ca. 6,25% der Bevölkerung entspricht.[3] Laut aktueller Pflegevorausberechnung soll diese Zahl bis 2040 auf 8.314 steigen.[4] 6276 der pflegebedürftigen Personen im Landkreis wurden im Jahr 2023 zu Hause versorgt. Dabei haben 5260 dieser Pflegebedürftigen, und damit etwa 83,8 % von ihnen, nicht die Möglichkeit einer Unterstützung durch ambulante Pflegedienste genutzt, sondern sich vollständig selbst versorgt oder auf die Hilfe von Angehörigen zurückgegriffen. [5]

Die zum Teil großen Entfernungen, topografische Gegebenheiten und die isolierte Lage mancher Ansiedlungen erschweren die pflegerische Versorgung und sind für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen herausfordernd. 

Um dieser Problematik zu begegnen hat sich in den letzten Jahren die, insbesondere im Rahmen der Kommunalen Pflegekonferenz und ihrer Arbeitskreise intensivierte, Vernetzung und Kooperation mit einer Vielzahl von lokalen Akteuren und Interessengruppen aus dem gesamten Landkreis etabliert.

Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit stellen die Wochen der Pflege dar. Bereits im Jahr 2022 wurde im Rahmen der Kommunalen Pflegekonferenz unter der Schirmherrschaft des Landrats erstmalig eine „Woche der Pflege“ durchgeführt. Dabei boten mehr als 20 Veranstaltungen im ganzen Landkreis ein breites Spektrum an Informationen, insbesondere aus dem Bereich Pflege aber auch aus angrenzenden Themengebieten. Die Veranstaltungen erfuhren so viel positive Resonanz, dass der Entschluss gefasst wurde, das Format auf mehrere Wochen auszudehnen und zukünftig in einem Zweijahresrhythmus zu wiederholen.

 

Vom 14. Oktober bis 22. November 2024 fanden die „Wochen der Pflege“ statt. Das auf 30 Veranstaltungen erweiterte und großflächig beworbene Format ermöglichte es interessierten Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen von Vorträgen, Schulungen, Beratungen, Diskussionen, Workshops, Filmvorführungen und vielen weiteren Angeboten ihr Wissen zu erweitern, sich zu informieren aber auch sich zu vernetzen oder sich gar ehrenamtlich zu engagieren.

Verein Sozialer Dienstleister (VSD)

Der Verein Sozialer Dienstleister im Landkreis Freudenstadt hat 37 Mitglieder mit insgesamt ca. 2.600 Mitarbeitern aus den Bereichen Alten-, Kranken- und Behindertenhilfe, soziale Dienstleistungen, sowie ambulante, teilstationäre und stationäre Versorgung. Er dient sowohl der Vernetzung und Unterstützung untereinander, als auch der Repräsentation und Interessenvertretung nach außen. Vertreter des Vereins sind aktive Mitglieder der Kommunalen Pflegekonferenz und an vielen Arbeitskreisen und Projekten beteiligt.

Weitere Informationen unter: https://vsd-fds.de/

Gemeinsam mit dem Campus für Pflege Nordschwarzwald e. V. und dem Verein sozialer Dienstleister im Landkreis Freudenstadt fand am 14. Oktober 2024 die Auftaktveranstaltung statt. Gerlinde Kretschmann eröffnete mit einem Vortrag zum Thema „Demenz – eine Herausforderung für Angehörige. Eine Gratwanderung zwischen Zuwendung und Abgrenzung“ die Wochen der Pflege 2024. Sie selbst betonte keine Expertin zu sein, konnte aber authentisch vom eigenen Erleben an der Seite eines an Demenz erkrankten Vaters erzählen. Im Anschluss stellten der Campus für Pflege, der Verein Sozialer Dienstleister und die Arbeitskreise der Kommunalen Pflegekonferenz ihre Arbeit vor. Zum Abschluss der Veranstaltung zeigte Frau Kretschmann sich beeindruckt vom Ausmaß des Engagements und dem Angebot im Landkreis Freudenstadt und prägte dabei den Begriff „Pflegegutstand“. Während diese Wortschöpfung angesichts der aktuellen und absehbarer zukünftiger Herausforderungen einen anzustrebenden Idealzustand beschreibt, bestätigt er jedoch die Richtung, die der Landkreis Freudenstadt in den letzten Jahren eingeschlagen hat und macht Mut für die Zukunft.

Campus für Pflege Nordschwarzwald

Der Campus für Pflege ist ein modernes Bildungszentrum des Oberlinhaus Freudenstadt e.V. Er bietet ein breites Spektrum an Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen und beinhaltet unter anderem die lokale Pflegeschule, in welcher im Rahmen des Umstiegs auf die generalistischen Pflegeausbildung die Krankenpflegeschule des Krankenhauses Landkreis Freudenstadt und die Altenpflegeschule des Oberlinhaus Freudenstadt zusammengeführt wurden. Diese trägt entscheidend zur Deckung des Personalbedarfes der im Landkreis ansässigen Pflegedienste und Einrichtungen bei.

Weitere Informationen unter: https://campusfuerpflege.de/

Das Thema Demenz war im Jahr 2024 besonders prägend für die Wochen der Pflege. Viele Akteure aus dem Landkreis stellten ihre Angebote für Menschen mit Demenz und deren Angehörigen vor und standen für Gespräche und Fragen zur Verfügung. Das Klinikum Freudenstadt führte einen Aktionstag Demenz durch, mit zahlreiche Angeboten, wie z. B einem Vortrag „Verständnisvolle Begleitung von Menschen mit Demenz“. Ebenfalls im Klinikum fand eine audiovisuelle Ausstellung von Sarah Brendeke statt. In ihrem Masterprojekt teilt sie Einblicke in den Krankheitsverlauf ihres demenzkranken Vaters bei der Pflege zu Hause. Mit der interaktiven Ausstellung „Hands on Dementia“ konnten die Besucher erfahren, wie sich Symptome einer Demenz anfühlen, wenn einfache Handlungen nicht mehr umgesetzt werden können und Verzweiflung wütend macht. 

Ein weiteres Highlight war die vom Kreisseniorenrat angebotene und gut besuchte Seniorenmesse unter dem Motto „Gut im Alter leben“. Die Aussteller hatten ein vielfältiges Spektrum vorbereitet und boten den Besuchern aus allen Teilen des Landkreises die Möglichkeit sich zu Aspekten wie Unterstützungsmöglichkeiten, Freizeitgestaltung und Gesundheitsvorsorge im Alter zu informieren. Flankiert wurde die Messe von einem Filmnachmittag nebst Filmbesprechung „Im Taxi mit Madeleine“. Im Film lässt Madeleine ihre Fahrt zum Pflegeheim zu einer „Lebensreise“ durch Paris werden, indem sie den Taxifahrer dazu bringt, die wichtigen Stationen ihres Lebens noch einmal aufzusuchen.

Zuverlässige Prognosen sind, insbesondere unter Berücksichtigung aktueller nationaler und globaler Veränderungen, nur eingeschränkt möglich. Klar ist jedoch, dass die Herausforderungen zunehmen werden. Um dem was kommt erfolgreich begegnen zu können, ist Zusammenhalt und die gemeinsame Arbeit aller Generationen für eine bessere Zukunft entscheidend. Die Kommunale Pflegekonferenz des Landkreises Freudenstadt repräsentiert daher mit ihrer erfolgreichen Vernetzungsfunktion einen entscheidenden Schritt in Richtung „Pflegegutstand“.

Arbeitskreise der Kommunalen Pflegekonferenz

Ambulante Ethikberatung:

Die ambulante Ethikberatung unterstützt in schwierigen Situationen den Prozess einer sorgfältigen Entscheidungsfindung sowohl im häuslichen Umfeld als auch in stationären Einrichtungen der Alten- und Eingliederungshilfe sowie im Hospiz. Dies erfolgt gemeinsam mit dem betroffenen Patienten, mit seinen Angehörigen, seinen Pflegenden und dem behandelnden Arzt. Die Beratung kann dank der Finanzierung durch einen Förderverein kostenlos und krankenkassenunabhängig erfolgen.

Weitere Informationen unter: http://www.ethikberatung-kreis-fds.de/
 

DemenzNetz:

Das DemenzNetz ist ein Zusammenschluss verschiedener Einrichtungen, Gruppen und Personen, deren zentrales Anliegen es ist, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zu unterstützen, um die Lebensqualität, Pflege, medizinische Versorgung und gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern und die Öffentlichkeit für die vielfältigen Nöte und Sorgen im Alltag der betroffenen Menschen zu sensibilisieren. Dies geschieht primär durch den Austausch und Bereitstellung von Informationen und fachlichen Kenntnisse, sowie der Organisation von themenspezifischen Veranstaltungen.

Weitere Informationen unter: https://demenz-freudenstadt.de/
 

Runder Tisch palliative Versorgung:

Der Arbeitskreis „Palliative Versorgung im Landkreis Freudenstadt“ hat sich mit dem Ziel gebildet, die Qualität der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure im Bereich der palliativen Versorgung im Landkreis zu verbessern. Darüber hinaus betreibt er Öffentlichkeitsarbeit und verfolgt themenbezogene Projekte, wie die Etablierung eines Notfallbogens.

Fußnoten:

[1] Baden-Württemberg: Deutsche Bevölkerung wandert aus den Großstädten ab - Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. (2024, August 13). www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2024201 [abgerufen am 18.03.2025]

[2] Altersstruktur – Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. (n.d.-b). www.statistik-bw.de/BevoelkGebiet/Alter/ [abgerufen am 18.03.2025]

[3] Höchste Pflegequoten im Neckar-Odenwald-Kreis und im Main-Tauber-Kreis - Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. (n.d.). www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2025066 [abgerufen am 18.03.2025]

[4] Kaiser, Monika, (2024), Neue Pflegevorausberechnung für Baden‑Württemberg, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, 3/2024 www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/Monatshefte/PDF/Beitrag24_03_01.pdf [abgerufen am 18.03.2025]

[5] Höchste Pflegequoten im Neckar-Odenwald-Kreis und im Main-Tauber-Kreis - Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. (n.d.). www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2025066 [abgerufen am 18.03.2025]

 

Hendrik Jacobi ist Leiter der Geschäftsstelle "Kommunale Pflegekonferenz" im Landratsamt Freudenstadt
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