Am 19. Januar 2023 hat Digital- und Kommunalminister Thomas Strobl Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalen Landesverbände sowie der Telekommunikationsbranche im Ministerium des Innern, für Digitalisierung und Kommunen zum Runden Tisch Glasfaser eingeladen. Ziel der Veranstaltung, die fortan zweimal im Jahr stattfinden soll, ist eine Intensivierung und Verbesserung der Zusammenarbeit der relevanten Akteure beim Breitbandausbau in Baden-Württemberg. Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Prof. Dr. Alexis von Komorowski, hat bei der Auftaktsitzung stellvertretend für alle drei Kommunalen Landesverbände die Sicht der Kommunalen Familie vorgetragen. Sein Beitrag wird hier unverändert in Vortragsform veröffentlicht.
Die Landesregierung hat mit einem eigenen Förderprogramm bereits früh den Grundstein dafür gelegt, dass Baden-Württemberg zum Betreibermodell-Land par excellence geworden ist. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele kreisweite Betreibermodelle wie in Baden-Württemberg. In 22 von 35 Landkreisen kommt dieses Modell zum Einsatz.
Zu einem Zeitpunkt, als die TK-Branche in vielen Gebieten des Landes gerade erst ihren Vectoring-Ausbau angekündigt hat, haben die Kommunen bereits FTTB-Netze geplant und mit dem Bau von Backbone-Netzen begonnen – zu einem Großteil seinerzeit gefördert durch das Land, wofür wir dem Land sehr dankbar sind, aber zum Teil auch eigenwirtschaftlich über Stadtwerke, die an dieser Stelle eine Weitsicht bewiesen haben, die sich spätestens heute auszahlt.
Ein richtiger Schub wurde dem geförderten Ausbau mit der Neuausrichtung der Breitbandförderung in den Jahren 2018/2019 verliehen, als der Bund sein unglückliches Scoring-Modell aufgab und das Land mit seiner starken Kofinanzierung eine 90%-Förderung ermöglicht hat – zunächst nur in weißen Flecken, seit 2021 auch in hellgrauen Flecken.
Einen beeindruckenden Milliardenbetrag hat das Land Baden-Württemberg seit 2016 an Mitteln für den Breitbandausbau bewilligt. Eine vergleichbar hohe Summe konnte obendrein an Bundesmitteln ins Land geholt werden. Wir sprechen über 3.162 Breitbandprojekte allein in Baden-Württemberg. Und auch die Kommunen haben mehrere hundert Millionen Euro an kommunalen Mitteln in den Breitbandausbau investiert.
Damit haben sich die Landkreise, Städte und Gemeinden einer Aufgabe angenommen, die zumindest de jure keine kommunale Aufgabe war und ist. Sie haben dies getan als Ausfallbürgen, weil die Unternehmen auf dem Telekommunikationsmarkt eine flächendeckende Versorgung nicht gewährleisten konnten und können.
Die Landkreise, Städte und Gemeinden sind dabei vorrangig in den Gebieten tätig geworden, in denen die Not am größten war, und haben diese Gebiete vielfach bereits jetzt von der digitalen Steinzeit in die Moderne katapultiert. Das war und ist übrigens stets die kommunale Maxime: dort zu beginnen, wo eine Unterversorgung besteht, anstatt vorrangig gut versorgte Gebiete zu überbauen.
Und dennoch ist völlig klar, dass mit öffentlichen Mitteln allein, das Ziel einer wirklich flächendeckenden Gigabit- oder gar Glasfaserversorgung nicht erreicht werden kann. Und deshalb sind wir hier auch ganz unmissverständlich unterwegs: Es braucht den eigenwirtschaftlichen Ausbau, es braucht Sie, sehr geehrte Damen und Herren aus den Telekommunikationsunternehmen.
Und deshalb begrüßen wir es auch ausdrücklich, dass nach einer langen Zeit des Wartens bzw. der Investition in Brückentechnologien jetzt der Markt regelrecht aufgewacht ist und der eigenwirtschaftliche Glasfaser-Ausbau bis in die Gebäude auch in Baden-Württemberg an Fahrt aufgenommen hat.
Zwar sprechen wir hier im Südwesten noch vorrangig von Ausbauankündigungen und noch vergleichsweise wenigen aktiven Baumaßnahmen. Wenn jedoch tatsächlich das Gros der Ankündigungen in wirkliche Tiefbauarbeiten mündet und am Ende all die geplanten Anschlüsse auch tatsächlich realisiert werden - was wir hoffen und wovon wir ausgehen -, dann wird dies den Breitbandausbau in Baden-Württemberg auf breiter Front voranbringen. Und das ist gut so!
Für uns als Kommunen steht nämlich fest: Wir brauchen beides – geförderten und eigenwirtschaftlichen Ausbau. Und beides muss klug kombiniert werden.
Weder wollen wir öffentliche Mittel dort einsetzen, wo sie nicht benötigt werden, noch können wir Bürgerinnen und Bürger bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten lassen, ob vielleicht doch noch ein Unternehmen am Ende ihren Glasfaseranschluss bauen möchte. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich Kommunen an dieser Stelle bewegen.
Unser primäres Ziel als Kommunen ist stets die flächendeckende Versorgung mit gigabitfähigen Anschlüssen. Und flächendeckend heißt nicht 95% oder 98%, sondern jeder einzelne Haushalt muss eine Perspektive auf eine schnelle und zeitgemäße Internetanbindung erhalten – und zwar, um Herrn Minister zu zitieren, „… bis zum letzten Schwarzwaldhof!“
Und deshalb braucht es eine sinnvolle Abgrenzung zwischen eigenwirtschaftlichem Ausbau und gefördertem Ausbau.
Ein Instrument, um diese Abgrenzung zu vollziehen, existiert bereits: das Markterkundungsverfahren.
Die ausbauwillige Kommune erkundigt sich bei den Marktteilnehmern nach deren eigenwirtschaftlichen Ausbauabsichten und darf nur dort – unterstützt mit Fördermitteln – tätig werden, wo keine Ausbauabsicht durch private Unternehmen besteht. Das Markterkundungsverfahren gewährleistet also den Vorrang der Privatwirtschaft.
Und das Markterkundungsverfahren stellt gleichzeitig sicher, dass kein einzelner Adresspunkt unversorgt bleibt, weil überall dort, wo kein eigenwirtschaftlicher Ausbau angekündigt wird, ein geförderter Ausbau durch die Kommune möglich ist.
Und dennoch kommt es immer wieder vor, dass Unternehmen nicht am Markterkundungsverfahren teilnehmen, obwohl bereits feststeht, dass Ausbauabsichten in der jeweiligen Kommune bestehen.
Eine solche Nicht-Teilnahme hat zahlreiche negative Effekte.
Für den überwiegenden Teil der Gebiete, für die im Markterkundungsverfahren von den Telekommunikationsunternehmen kein eigenwirtschaftlicher Ausbau gemeldet wird, wird seitens der Kommune im Nachgang zum Markterkundungsverfahren ein Förderantrag gestellt.
Ein nachträglich angekündigter eigenwirtschaftlicher Ausbau führt dazu, dass die Kommune vor der Entscheidung steht, ob sie auf eine unverbindliche und nicht selten an Bedingungen geknüpfte Ausbauzusage vertraut oder lieber am geförderten Ausbau festhält. Vertraut sie auf die Ausbauzusage und der Ausbau erfolgt am Ende nicht, hat die Kommune nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch viel Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Hält sie am Förderprojekt fest, investiert sie womöglich öffentliche Mittel in ein Projekt, das auch ohne öffentliche Mittel hätte realisiert werden können.
Erschwerend kommt hinzu, dass ein Förderantrag, der eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre, auf Seiten des Bundes wie auf Seiten des Landes knappe Fördermittel bindet, die dann für andere Projekte nicht mehr zur Verfügung stehen. Und natürlich wird der Kämmerer einer Gemeinde, einer Stadt oder eines Landkreises einen bereits gestellten und bewilligten Förderantrag erst dann zurückgeben, wenn wirklich mit hundertprozentiger Sicherheit feststeht, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau erfolgt – oder womöglich sogar schon erfolgt ist.
Deshalb erlauben Sie mir nochmals den Appell: Beteiligen Sie sich an Markterkundungsverfahren! Mir ist bewusst, dass dieses Instrument nicht perfekt ist – für Sie nicht … und für uns als Kommunen auch nicht. Aber es braucht nun einmal ein Instrument, um mit einem Mindestmaß an Verlässlichkeit, zu klären, wo eine Kommune mit öffentlichen Finanzmitteln tätig werden soll und kann, und wo dies nicht notwendig ist.
Gleichwohl möchte ich betonen, dass es mitnichten so ist, dass der geförderte Ausbau in Baden-Württemberg im großen Stil dort erfolgen würde, wo auch ein eigenwirtschaftlicher Ausbau stattgefunden hätte. Es mag vereinzelt Konstellationen geben, wo dies der Fall ist – aber das ist die große Ausnahme und keinesfalls die Regel.
Die durchschnittlichen Kosten pro Hausanschluss liegen im geförderten Ausbau in Baden-Württemberg in den allermeisten Landkreisen weit oberhalb dessen, was für ein privates Telekommunikationsunternehmen noch als wirtschaftlich angesehen wird, nämlich im fünfstelligen Bereich. Allein diese Tatsache verdeutlicht schon, dass die Fördermittel in erster Linie dorthin fließen, wo ein eigenwirtschaftlicher Ausbau definitiv nicht erfolgen würde.
Die TK-Branche spricht von 50 Milliarden Euro, die bundesweit in den eigenwirtschaftlichen Ausbau fließen sollen, und begründet damit die Notwendigkeit für eine Drosselung des geförderten Ausbaus.
Die Gigabitstudie Ihres Hauses, Herr Minister, belegt hingegen, dass allein der Ausbau der heute noch nicht gigabitfähigen Anschlüsse -rund 30% aller Anschlüsse im Land - rund 6,6 Mrd. Euro kosten wird.
Wenn man nun weiß, dass sich der eigenwirtschaftliche Ausbau keineswegs nur auf die nicht gigabitfähigen Anschlüsse beschränkt, sondern auch im großen Stil bereits gigabitfähige Anschlüsse überbaut werden, und dass von den bundesweit 50 Mrd. Euro bestenfalls 10 bis 15% - also 5 bis 7 Mrd. –, nach Baden-Württemberg fließen werden, dann wird recht schnell offensichtlich, dass sich da am Ende ein milliardenschweres Delta auftun wird, für das wir zwingend weiterhin eine gut ausgestattete Förderung von Seiten des Bundes wie auch des Landes benötigen.
Und deshalb bedauern wir es als Landkreise, Städte und Gemeinden sehr, dass es mehr als ungewiss ist, ob die überaus bewährte Breitbandförderung auch in diesem Jahr auf mehr oder minder gewohnte Weise fortgesetzt werden wird.
Die Kommunale Familie ist Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, sehr dankbar dafür, dass Sie uns nach dem Förderstopp des Bundes im vergangenen Jahr mit unseren Anliegen gegenüber dem Bund unterstützt haben.
Leider müssen wir konstatieren, dass das auf Bundesebene zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr eher zusätzliche Hürden und neue Bürokratie im Förderverfahren aufzubauen gedenkt, anstatt eine pragmatische Lösung für diejenigen Kommunen zu finden, die aufgrund des Förderstopps fertige Anträge nicht mehr einreichen konnten und nach jetzigem Stand ein monatelanges Förderverfahren wiederholen müssen, an dessen Ende keineswegs sicher ist, ob sie überhaupt Fördermittel erhalten.
Die Kommunalen Landesverbände haben gemeinsam mit Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, einen pragmatischen Vorschlag unterbreitet, wie man die Misere nach dem Förderstopp hätte auflösen können.
Nämlich indem man den Start der dunkelgrauen Flecken-Förderung nach hinten verschoben hätte und stattdessen das bewährte Förderprogramm wieder für einen gewissen Zeitraum geöffnet hätte, so dass alle vorbereiteten Anträge noch hätten eingereicht werden können.
Damit einher wäre auch eine Priorisierung gegangen, wären doch Gebiete mit einer Ist-Versorgung von > 100 Mbit/s im Download vorerst weiter nicht förderfähig gewesen.
Leider scheint man – trotz durchaus positiver Signale aus dem parlamentarischen Raum – den Ball im Bundesdigitalisierungsministerium nicht aufgreifen zu wollen, was wir sehr bedauern.
Stattdessen wird in einem von einem liberalen Bundesminister geführten Ressort Bürokratie aufgebaut, indem man plant Länderbudgets einzuführen, Förderaufrufe zeitlich zu befristen und das bereits zwischen 2015 und 2018 gescheiterte Scoring-Modell neu aufzulegen.
Der im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien festgehaltene „Vorrang des Betreibermodells“ findet sich in den jüngst vorgelegten Eckpunkten des Bundesministeriums definitiv nicht wieder.
Wenn das alles so kommt, wie es aktuell auf Bundeseben diskutiert wird, so liefe dies für den geförderten Breitbandausbau auf eine Vollbremsung hinaus. Der eine oder andere mag dies vielleicht sogar begrüßen. Die gemeinsamen Breitbandziele von Bund, Ländern und Kommunen werden wir so aber gewiss nicht erreichen.
Deshalb, sehr geehrter Herr Minister, bitte ich abermals um Ihre Unterstützung, um wenigstens das Schlimmste zu verhindern. Wir setzen auf die bewährte Partnerschaft von Land und Kommunen in diesem wichtigen Zukunftsfeld.
Und Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren aus der Telekommunikationsbranche rufe ich zu: Lassen Sie uns den heutigen Dialog als Auftakt sehen, um gemeinsam Wege zu finden, wie wir eigenwirtschaftlichen und geförderten Ausbau klug kombinieren – um am Ende unser gemeinsames Ziel zu erreichen: die Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg mit einer modernen, zeitgemäßen digitalen Infrastruktur.