Europa fängt im Kleinen an, in den Landkreisen und Kommunen. Hier wird Europa täglich gelebt und erlebbar gemacht – und das seit Jahrzehnten. Die Europäische Union sollte das Friedensprojekt zwischen den einstigen Erzfeinden Deutschland und Frankreich sein. Das war der einende Gedanke von Robert Schuman und Konrad Adenauer. Und in Baden-Württemberg ist der Einsatz für den Frieden und ein vereintes Europa sogar in der Landesverfassung festgeschrieben. Der Gedanke ist Wirklichkeit geworden. Und er hat ein zuverlässiges Fundament in den deutsch-französischen kommunalen Partnerschaften gefunden, die – insbesondere auch in Baden-Württemberg – viel zur Aussöhnung beitrugen.
Heute, Jahrzehnte nach den Anfängen, sind vielfältige Kooperationen mit Regionen oder Kommunen auch aus anderen EU-Mitgliedstaaten fast selbstverständlich. In vielen Landkreisen sorgen Europabeauftragte dafür, dass die kommunale Ebene bestmöglich von den Fördermöglichkeiten der EU profitieren kann. Kommunale Partnerschaften werden vor Ort mit Leben gefüllt. Sie pflegen und festigen Freundschaften zu unseren europäischen Nachbarn. Zu dieser Freundschaft gibt es in einem vereinten, friedlichen Europa keine Alternative.
Die Landkreise und Kommunen sind unverzichtbare Partner des Landes und ein bedeutender Faktor, wenn es darum geht, den Europagedanken in die Fläche zu tragen und Europa vor Ort ein Gesicht zu geben.
Quer durch die Gemeinden sind viele Menschen aktiv – in Schulen und Musikschulen, in Sportvereinen und Seniorenräten. Zahlreiche Verbände und Institutionen tragen als Kooperationspartner und Schaltstellen vor Ort zuverlässig zur Verbreitung des Europagedankens bei. Sie leben die europäischen Werte beispielhaft vor. Und sie helfen dabei, die Vorteile und Chancen, die die Europäische Union ihren Bürgerinnen und Bürgern bietet, zu nutzen. Ihr zumeist ehrenamtlicher Einsatz ist von großer Bedeutung und beileibe keine Selbstverständlichkeit. Mit ihrem Engagement für den europäischen Gedanken engagieren sie sich für das Gelingen unserer Demokratie.
Der Einsatz für Europa ist in diesem Jahr besonders wichtig. Am 9. Juni 2024 stehen die Wahlen zum Europäischen Parlament an. Rund 350 Millionen Unionsbürgerinnen und
-bürger sind aufgerufen, Europa ihre Stimme zu geben.
In Deutschland dürfen erstmals auch junge Menschen ab 16 Jahren mitwählen. Ich finde: Sie sind häufig engagierter, politischer als meine Generation. Sie organisieren friedliche Demos, sie engagieren sich ehrenamtlich in der Schule oder in ihrer Freizeit. Daher unterstütze ich die Absenkung des Wahlalters – es geht schließlich um die Zukunft der jungen Menschen. Es geht darum, die Zukunft Europas mitzugestalten.
Als baden-württembergische Landesregierung wollen wir dazu beitragen, ein stärkeres Bewusstsein für Europa zu schaffen. Das ist elementar, gerade jetzt. Denn die anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament sind richtungsweisend für die Zukunft Europas, und damit auch für uns in Baden-Württemberg.
Demokratische Wahlen sind die Grundlage der Demokratie. Sie sind essenziell, um die Legitimität demokratischer Institutionen zu gewährleisten. Laut einer Ende 2023 veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage sehen die Befragten im Zugang zu zuverlässigen Informationen und in der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Wahlbehörden die wichtigsten Voraussetzungen für freie und faire Wahlen. Falsche oder irreführende Informationen stellen für die Unionsbürgerinnen und -bürger dagegen die größte Bedrohung der Demokratie dar, insbesondere die in den sozialen Netzwerken kursierenden „Fake News“.
Aus diesem Grund wollen wir als Landesregierung im Vorfeld der Wahl sachlich informieren und auf die Bedeutung der EU und eines starken Europäischen Parlaments aufmerksam machen. Wir suchen im Rahmen einer landesweiten Kampagne das Gespräch und den unmittelbaren Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wir holen sie dort ab, wo sie leben – in den Landkreisen und Kommunen (Infos zur Kampagne des Staatsministeriums unter www.europa-bw.de).
Eine hohe Wahlbeteiligung ist uns wichtig. Sie ist ein selbstbewusstes Zeichen der Europäerinnen und Europäer für ein starkes Europa. In Baden-Württemberg lag die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen 2019 bei 64 Prozent, bundesweit bei 61 Prozent. Damit war sie um einiges höher als bei der vorhergehenden Europawahl 2014 (52 Prozent) und auch höher als die durchschnittliche Wahlbeteiligung in der gesamten EU (nur rund 50 %). Die höhere Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg lässt sich zumindest teilweise auch darauf zurückführen, dass Europa für Baden-Württemberg als Grenzland nicht nur für die Unternehmen, sondern auch im Alltag vieler Menschen eine hohe praktische Bedeutung hat.
Aber noch immer sind vier von zehn Wahlbeteiligten der Wahl ferngeblieben. Doch unsere Demokratie funktioniert nur, wenn möglichst viele sich beteiligen.
Wählen gehen ist nach wie vor die einfachste und effizienteste Form, Einfluss zu nehmen. Denn das Europäische Parlament hat einen gewichtigen Anteil an Entscheidungen, die über die Zukunft der EU und damit über das Leben von rund 450 Millionen Menschen mitbestimmen:
Der Präsident bzw. die Präsidentin der EU-Kommission wird vom Parlament gewählt. Zwei Drittel unseres geltenden Rechts beruhen unmittelbar oder mittelbar auf EU-Recht. Und daran ist wiederum das Europäische Parlament maßgeblich beteiligt – im Zusammenspiel mit der EU-Kommission und dem Rat der Europäischen Union. Schließlich hat das Europäische Parlament wichtige Kontrollrechte und ist für die Genehmigung des EU-Haushalts zuständig.
Das bedeutet, dass es ohne das Parlament kein Geld gibt: kein Geld für Austausch- und kommunale oder andere Förderprogramme, kein Geld für Forscherinnen und Forscher, kein Geld für all die anderen Projekte in der EU – bis hin zu Grenzschutz und mehr Sicherheit.
Das Europäische Parlament hat also vielfältige Funktionen. Und die Wählerinnen und Wähler können mit ihrer Stimme Einfluss nehmen. Es macht einen Unterschied, wer im Parlament sitzt. Es macht einen Unterschied, ob man wählen geht oder nicht. Jede einzelne Stimme zählt. Jede abgegebene Stimme stärkt nicht nur das Parlament, sondern auch die Europäische Union.
In anderen Ländern der Welt setzen Menschen ihr Leben aufs Spiel, wenn sie sich für freie Wahlen einsetzen. Oder sie werden unter Druck gesetzt, bestimmte Kandidaten zu wählen – manchmal direkt vor der Wahlurne. Mit dem Recht auf freie Wahlen, das wir haben, stehen wir in der Verantwortung, es auch zu nutzen.
Künstliche Intelligenz, Migrationsbewegungen, Umwelt- und Klimaschutz, digitale, wirtschaftliche und ökologische Transformation – wir stehen vor großen Herausforderungen. Und diese Herausforderungen sind auf nationalstaatlicher Ebene oft nicht zu bewältigen. Dafür brauchen wir eine starke Europäische Union, die von den Mitgliedstaaten getragene nachhaltige Lösungen findet. Denn nur so können wir uns dauerhaft gegenüber anderen Ländern und Regionen der Welt behaupten.
Gerade in Baden-Württemberg profitieren wir stark von der Europäischen Union. Der europäische Binnenmarkt ist für uns von überragender Bedeutung. Mehr als die Hälfte unserer Exporte gehen in die EU. Kleine wie große Unternehmen sind europaweit aktiv und in länderübergreifende Wertschöpfungsketten integriert.
Die großen Errungenschaften der EU wie Stabilität, Wohlstand, Menschenrechte und Frieden in Europa sind keine Selbstverständlichkeit. Das hat uns der furchtbare Krieg in der Ukraine deutlich vor Augen geführt. Dabei ist und bleibt Europa die einzig richtige Antwort. Nur gemeinsam in der EU können wir die multiplen Herausforderungen angehen und bewältigen.
Lassen Sie uns gemeinsam am 9. Juni 2024 mit einer hohen Wahlbeteiligung an den Wahlurnen ein Zeichen setzen. Denn unser Weg in die Zukunft heißt: Europa!