Ein Blick zurück

50 Jahre Ostalbkreis

50 Jahre Ostalbkreis – ein Grund zum Feiern, aber auch ein Grund, zurückzublicken: Was geschah vor 50 Jahren und was hatte es mit der Kreisreform auf sich?
Uwe Grupp · Ostalbkreis · 27. Februar 2023
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Wer damals nicht „mit dabei“ war, weiß vielleicht gar nicht, wie und warum es zur Gründung des Ostalbkreises kam und warum zum Beispiel Untergröningen 1971 vom Kreis Schwäbisch Gmünd zum Kreis Aalen kam, oder warum die Gemeinde Stimpfach nach einem kurzen Ostalb-Intermezzo seit 1975 Teil des Landkreises Schwäbisch Hall ist.
 

Überfällige Reformen …

Die Kreisreform von 1973 war ein wichtiger Meilenstein einer ganzen Reihe von Reformvorhaben in Baden-Württemberg, die schon in den 1950er Jahren erste Vorläufer hatten und seit Ende der 1960er Fahrt aufnahmen. In dieser Zeit wurde die Notwendigkeit unübersehbar, die öffentliche Verwaltung effizienter zu gestalten und die Kommunen zukunftsfähig aufzustellen. Ganz konkret war vorgesehen, die damals 63 Landkreise und 9 Stadtkreise neu und gleichmäßiger zu gliedern. Man muss sich vor Augen führen, dass die Kreise und Gemeinden noch immer in den Verwaltungsstrukturen der Vorkriegszeit agierten.

Bis zu einer Einigung waren mühsame Diskussionen zu überstehen, Denkmodelle, Gesetze und Gesetzesänderungen zu erarbeiten. Kaum ein Landkreis und kaum eine Gemeinde blieb davon unberührt. Das Ergebnis dieses Vorhabens sind 35 Land- und 9 Stadtkreise in Baden-Württemberg.

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… der Weg zum Ostalbkreis …

Die eigentliche „Geburt“ des Ostalbkreises verlief recht lautlos. Am 1. Januar 1973 trat das „Erste Gesetz zur Verwaltungsreform (Kreisreformgesetz)“ in Kraft.
Die Kreise Aalen und Schwäbisch Gmünd hörten damit auf zu bestehen und buchstäblich über Nacht wurde der Ostalbkreis zum drittgrößten Landkreis in Baden-Württemberg mit damals rund 275.000 Einwohnern. Parallel dazu gab es noch ein „Zweites Gesetz zur Verwaltungsreform (Regionalverbandsgesetz)“. Dadurch wurde für den Ostalbkreis und den Kreis Heidenheim die Region Ostwürttemberg mit Sitz in Schwäbisch Gmünd, als eine von 12 Raumordnungsregionen in Baden-Württemberg geschaffen.

Der neue Ostalbkreis wurde zum größten Teil aus den Altkreisen Aalen und Schwäbisch Gmünd gebildet, die seit 1934/38 bestanden. Einige wenige Gemeinden kamen vom Altkreis Backnang und vom Altkreis Crailsheim hinzu. Seine endgültige und bis heute bestehende Form mit 42 Städten und Gemeinden erhielt der Ostalbkreis dann erst zum 1. Januar 1975, zum Abschluss der Gebietsreform in Baden-Württemberg. Damit waren die Verwaltungsreformen vorerst beendet.

Freilich gibt es kaum eine Unternehmung in diesem Maßstab, die ohne große und kleine Reibereien abläuft. So war auch in Sachen Kreis- und Gebietsreform nicht alles eitel Sonnenschein, ganz im Gegenteil: Heftige Diskussionen waren vorprogrammiert und wurden auch auf der Ostalb mit Leidenschaft ausgetragen. Die Neubildung eines Landkreises aus Gemeinden und Orten von insgesamt vier Landkreisen geht am Reißbrett schmerzlos von der Hand. In der Praxis hatte das Auswirkungen, die noch Jahrzehnte später zu spüren sind. So manche Kommune sah sich – nicht ohne Grund – in ihrer Selbständigkeit bedroht. Die Frage, wo der neue Kreis seinen Sitz haben soll, war ein Pulverfass – von Rivalitäten und Vorbehalten zwischen einzelnen Städten und Gemeinden ganz zu schweigen. Überhaupt sollte das Thema Eingemeindungen den neu geschaffenen Kreis noch lange über den offiziellen Abschluss der Reformen hinaus in Atem halten.

Und zu allem Überfluss war da noch die Sache mit den KfZ-Kennzeichen! Obwohl die Kreise selbst dafür gar nicht direkt verantwortlich waren, wurde insbesondere die Abschaffung des GD-Kennzeichens zu einem Ärgernis erster Klasse.

Vereidigung Landrat Wabro 17.07.1973
Vereidigung Landrat Wabro 17.07.1973
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… und die Zeit danach

Wie alle neu gebildeten Landkreise musste auch der Ostalbkreis seine eigene Identität erst finden, ein Prozess der auch heute nicht abgeschlossen ist, und der vielmehr eine Daueraufgabe bleibt. Der Ostalbkreis weist viele Besonderheiten auf, die ihn von anderen Landkreisen abheben. So gibt es in der Region Ostwürttemberg nach wie vor kein eigenes Oberzentrum. Vielmehr setzte man bewusst darauf, mit Aalen, Ellwangen, Schwäbisch Gmünd (und Heidenheim an der Brenz) leistungsstarke Mittelzentren zu etablieren. Dadurch hat sich der Ostalbkreis bis heute eine dezentrale Struktur ohne klaren „Mittelpunkt“ bewahrt.

Die Landkreise sind heute stärker denn je Eckpfeiler der kommunalen Selbstverwaltung. Sie erfüllen zahlreiche übergreifende Aufgaben und unterstützen die Kommunen auf vielfältige Weise. Dass sich dieses Modell bewährt hat, zeigt sich schon daran, dass nach einem halben Jahrhundert die damals gefundenen Strukturen tragfähig und etabliert sind. Die Kreisreform von 1973 ist aus heutiger Sicht ganz klar ein Erfolgsmodell – auch und gerade auf der Ostalb. Der Ostalbkreis ist längst zusammengewachsen und nicht mehr von der Landkarte wegzudenken.

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Uwe Grupp ist Leiter des Kreisarchivs im Landratsamt Ostalbkreis
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