Kreisreform im Landkreis Calw

Eine starke Gemeinschaft aus 25 Kommunen

Der Landkreis Calw liegt zentral zwischen den beiden Großstädten Stuttgart und Karlsruhe und bietet dabei mit Schwarzwald und Heckengäu zwei der schönsten Landschaften Baden-Württembergs.
Kilian Spiethoff · Landkreis Calw · 27. Februar 2023
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Der Kreis Calw umfasst die von den waldreichen Tälern der Nagold und der Enz durchzogene Landschaft des Nordschwarzwalds; im Osten erstreckt er sich bis auf das landwirtschaftlich geprägte Hügelland des Heckengäus.

Historisch ging der Kreis aus der schon Ende der 1920er Jahre geplanten, letztlich aber erst 1938 durchgeführten Zusammenlegung der württembergischen Oberämter Calw, Nagold und Neuenbürg hervor. Diese drei Verwaltungseinheiten waren 1807/08 auf altwürttembergischem Territorium gegründet worden. Im Lauf der Zeit hatten sie ein starkes regionales Eigenbewusstsein entwickelt. Nach Ende des 2. Weltkriegs musste sich der flächenmäßig weit ausgedehnte, aber strukturschwache Landkreis daher über längere Zeit mit Bestrebungen zur Wiederherstellung der alten Oberämter auseinandersetzen. Bald darauf begann auch die badische „Goldstadt“ Pforzheim Ansprüche auf die Eingliederung von Calwer Kreiskommunen in ihre Einflusssphäre anzumelden. Das Landratsamt vermochte all diese Vorstöße unter Verweis auf die einheitliche funktionale Ausrichtung der Region als Fremdenverkehrskreis zunächst abzuwehren. Mitte der 1950er Jahre wurde die Entscheidung über eine Neuordnung des Raums Pforzheim – Calw im Landtag vertagt.
 

Auflösung des Kreises Calw? Nicht mit Günter Pfeiffer und den Bürgermeistern!

Die folgenden Jahre brachten für den jungen Kreis unter den Landräten Fritz Wanner und Günter Pfeiffer eine beachtliche wirtschaftliche Wachstumsphase und damit verbunden auch eine innere Konsolidierung. Umso härter sahen sich die Verantwortlichen getroffen, als im November 1969 mit einem Mal Gerüchte über Pläne der Landesregierung zur Auflösung des Landkreises Calw im Rahmen der bevorstehenden Gebietsreform zu kursieren begannen. Bald darauf offenbarte das bekannte „Denkmodell“ des Innenministers Walter Krause auch offiziell das Ansinnen, den ländlichen Kreis zur Verfügungsmasse bei der Konstruktion neuer Verwaltungseinheiten zu machen: Der Hauptteil im Norden sollte einem Großkreis Pforzheim zugeschlagen werden, der Süden einem Großkreis Freudenstadt; einige weitere Städte und Gemeinden wären an Böblingen, Karlsruhe und Rastatt gefallen. Ein bald darauf von der CDU vorgeschlagenes Gegenmodell sah für den zur Auflösung vorgesehenen Landkreis keine Verbesserung vor.

Die Calwer Verwaltung unter Landrat Pfeiffer reagierte auf diese Gedankenspiele mit engagierten öffentlichen Stellungnahmen, die gemäß der bereits bewährten Argumentationslinie vor allem die einheitliche Wirtschaftsstruktur des Kreises hervorhoben. Unterstützt von den Bürgermeistern der meisten Städte und Gemeinden im Kreisgebiet hob man die glänzenden touristischen Zukunftsperspektiven der Region hervor, die durch ein Zusammengehen mit der Arbeiter- und Industriestadt Pforzheim unmittelbar gefährdet seien. Auf dem Höhepunkt der Debatte stellten Pfeiffer und der langjährige Bad Herrenalber Bürgermeister und Kreisrat Robert Traub gar die Schaffung eines zusammenhängenden „Bundeserholungsgebiets“ im Nordschwarzwald in den Raum.

Letztendlich gelang es der Kreisverwaltung, mit dieser Argumentation in den Stuttgarter Gremien Gehör zu finden. So tauchte im Mitte 1970 vorgestellten gemeinsamen Gutachten der sog. Reschke-Dichtel-Kommission der Landkreis Calw plötzlich wieder auf – allerdings noch immer unter Verlust von immerhin 24 Kommunen an die Landkreise Pforzheim, Karlsruhe und Rastatt. Im Januar 1971 ging diese Zielvorstellung schließlich auch in den finalen Regierungsentwurf für das Kreisreformgesetz ein. Erbitterte Kämpfe um den Verbleib von Neuenbürg und Bad Herrenalb beim Kreis führten allerdings dazu, dass kurz vor der endgültigen Abstimmung im Landtag der genannte Entwurf noch einmal revidiert und Bad Herrenalb für Calw gerettet werden konnte.

Mit der 1973 in Kraft getretenen Kreisreform verlor der Kreis Calw schließlich 13 Gemeinden sowie die Stadt Neuenbürg an den neu gebildeten Enzkreis, drei Gemeinden fielen an die Kreise Rastatt und Böblingen. Im Gegenzug wechselten von den Kreisen Freudenstadt und Horb bis 1974 sechs Gemeinden nach Calw. Neben diesen Gebietsveränderungen brachte die Kreisreform für Calw zudem auch noch einen Wechsel des Regierungsbezirks von Tübingen nach Karlsruhe mit sich. Am Ende des umfassenden Neustrukturierungsprozesses stand für den Landkreis Calw damit eine gemischte Bilanz: Obgleich er als einziger bestehender Kreis im Rahmen der Gebietsreform territoriale Verluste hinnehmen musste, durfte er dennoch als „Fremdenverkehrskreis“ weiter bestehen – eine Entscheidung, die sich im Verlauf der folgenden 50 Jahre als tragfähig und vorausschauend erweisen sollte.
 

Der Landkreis Calw als „Bundeserholungsgebiet“

Das entscheidende Argument, mit dem es dem einstigen Calwer Landrat Günter Pfeiffer im Vorfeld der Gebietsreform von 1973 gelang, die Diskussionen über die Auflösung „seines“ Landkreises abzuwenden, war der Verweis auf die wirtschaftliche Homogenität der Verwaltungseinheit im Norden des Schwarzwalds. Berge und Täler bestimmten Verkehr und Wirtschaft im Kreis Calw, so Pfeiffer. Seit vielen Jahren liege der Landkreis Calw in der Anzahl der Übernachtungen an der Spitze aller Land- und Stadtkreise Baden-Württembergs; über 11% aller touristischen Übernachtungen im Land würden im Kreis registriert.

In der Tat vermochte der traditionsreiche „Bäder- und Fremdenverkehrskreis“ Calw nicht nur auf eindrucksvolle Übernachtungszahlen, sondern auch auf eine bemerkenswerte Konzentration touristischer Ziele und Attraktionen im Kreisgebiet hinzuweisen: Die international bekannten Heilbäder Bad Wildbad, Bad Herrenalb, Bad Liebenzell und Bad Teinach-Zavelstein, die Hermann-Hesse-Stadt Calw und das berühmte Kloster Hirsau, aber auch das malerische Hügelland um die Fachwerkstädte Nagold, Altensteig und Berneck – bereits auf den ersten Blick musste diese Vielfalt an Attraktionen Pfeiffers Argumentation unterstützen. Der Reiseführer-Autor Günter Hermes schrieb 1967 gar, der Kreis Calw biete „eine so vielfältige, wunderschöne Landschaft dar, dass man fast ein ganzes Leben seinen Urlaub hier verbringen könnte ... und möchte, und man hat immer noch nicht alle die schönen Fleckchen gesehen und erlebt“.

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Kilian Spiethoff ist Kreisarchivar im Landkreis Calw
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