Geregelt ist lediglich, dass Bund und Länder bis 2026 jeweils 1,5 Mrd. €, also 3 Mrd. € pro Jahr, für den Ausgleich der Mindereinnahmen aus dem Deutschlandticket zur Verfügung. Lediglich für 2023 wurde eine Nachschusszusage gegeben, falls der Ausgleich nicht ausreicht, was allerdings von vornherein mit Blick auf den nahezu zur Jahresmitte verschobenen Starttermin recht unwahrscheinlich war. Nachdem der Bundesminister für Digitales und Verkehr sich beharrlich weigerte, eine Ausfinanzierung des von ihm angeschobenen Deutschlandtickets auch für die Folgejahre zuzusichern, blickte man gespannt auf die Zusammenkunft der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler am 6.11.2023. Die Hoffnungen wurden insoweit jedoch enttäuscht, als die Deckelung des Ausgleichs zementiert wurde und somit die Tarifgestaltung das einzig offene Ventil zum Schließen etwaiger Deckungslücken bleibt. Die Länder müssen nun einen entsprechenden Tarif für 2024 feststellen und einen Mechanismus zur Fortschreibung finden, der zusammen mit den Zuschüssen dauerhaft eine Ausfinanzierung der Mindereinnahmen gewährleistet. Sie müssen zudem durch einen Anwendungsbefehl sicherstellen, dass das Deutschlandticket auch in den kommenden Jahren tatsächlich deutschlandweit nutzbar ist. Ist eine deutschlandweite Nutzung nicht mehr gegeben, entfällt sonst die Voraussetzung für den Bundeszuschuss i.H.v. bis zu 1,5 Mrd. € p.a.
Beschluss der Länder und des Bundes vom 6.11.2023
Nach dem Beschluss der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers vom 6.11.2023 ist vereinbart, dass es für 2024 und die Folgejahre bei der Deckelung bleibt und es keinen Nachschuss des Bundes und der Länder über die zugesagten 3 Mrd. € hinaus gibt. Allerdings sollen etwaig verbleibende Ausgleichsmittel aus 2023, die sich nach den derzeitigen Schätzungen des VDV auf 700 Mio. € belaufen könnten, 2024 zusätzlich zu den bestehenden 3 Mrd. € bereitgestellt werden. Im Idealfall stünden damit für 2024 3,7 Mrd. € zur Verfügung. Da sich der Ausgleichsbedarf in 2024 nach Schätzungen des VDV allerdings auf 4,1 Mrd. € beläuft, bestünde damit allerdings weiterhin eine Finanzierungslücke von ca. 400 Mio. €. Da sowohl die angenommenen Restmittel aus 2023 als auch der Finanzierungsbedarf für 2024 auf Schätzungen beruhen, kann die Finanzierungslücke tatsächlich kleiner oder auch größer als 400 Mio. € sein.
2025 stehen nach dem Beschluss und derzeitiger Rechtslage weiterhin nur bis zu 3 Mrd. € an Ausgleichsmitteln zur Verfügung stehen. Ein höherer Ausgleich ist zwar im Beschluss nicht ausgeschlossen worden (wie ausdrücklich für 2024). Er wurde aber auch nicht vereinbart, so dass es eines erneuten Beschlusses von Bund und Ländern bedürfte, um einen solchen zu ermöglichen. Ab 2026 ist die Finanzierung weiterhin vollkommen offen.
Die Verkehrsministerkonferenz ist durch den Beschluss vom 6.11.2023 aufgefordert, rechtzeitig vor dem 1.5.2024 ein Konzept zur Durchführung des Deutschlandtickets ab dem Jahr 2024 vorzulegen. Dabei ist der Tarif so festzusetzen, dass die für 2024 zu erwartende Finanzierungslücke vollständig (d.h. nicht nur ab dem 1.5.2024) geschlossen wird. Es soll dem Beschluss zufolge zudem auch für die Folgejahre eine Verständigung über die Finanzierung des Deutschlandtickets einschließlich eines Mechanismus zur Fortschreibung des Ticketpreises erfolgen.
Die nächsten Schritte
Die Muster-Erstattungsrichtlinien, die Bund und Länder am 16.11.2023 zum Ausgleich der Mindereinnahmen aus dem Deutschlandticket im sog. Koordinierungsrat beschlossen haben, sehen nun vor, das Deutschlandticket zunächst bis zum 30.4.2024 als 49 €-Ticket fortzusetzen. Zum 1.1.2024 soll noch keine Preiserhöhung erfolgen. Die anstehende Anhebung des Preises zum 1.5.2024 müsste dann allerdings umso höher ausfallen, um in den verbleibenden 8 Monaten die Finanzierungslücke für das Gesamtjahr 2024 noch schließen zu können.
Allerdings gibt es schon heute Stimmen, die selbst 49 € für „zu hoch“ halten. Es besteht daher die reale Gefahr, dass jede Änderung des Preises des Deutschlandtickets durch Bund und Länder nicht nur durch die Absicht, es auszufinanzieren, geprägt sein wird und stattdessen auch andere politische Erwägungen einfließen werden. Hier wird es darum gehen müssen, beide Prozesse so weit wie möglich voneinander zu trennen, damit es möglich wird, die vom Ausfinanzierungspreis abweichenden „politischen“ Tarifänderungen mit einem Preisschild zu versehen und von den Verursachern bezahlen zu lassen.
Auch wenn dies gelingt, wird sich jede Neu-Kalkulation jedoch letztlich auf Prognosen und Markteinschätzungen stützen müssen. Im Ergebnis besteht für die kommunale Ebene keine absolute Sicherheit, dass die bestehenden Finanzierungslücken in 2024 durch eine Anpassung des Preises und ggf. der Tarifbestimmungen verlässlich geschlossen werden. Aus kommunaler Sicht ist die Ausfinanzierung des Deutschlandtickets für das Gesamtjahr 2024 auch bei Anpassung des Tarifs daher nicht vollends gesichert und zwar unabhängig davon, ob das Deutschlandticket nun ganzjährig oder nur bis einem bestimmten Zeitpunkt angewandt wird. Die Idee, das Deutschlandticket anzuwenden, bis der Ausgleichtopf leer ist und dann auszusteigen, funktioniert nicht. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass die Muster-Erstattungsrichtlinien ausdrücklich unter Haushaltsvorbehalt gestellt sind und zunächst nur Abschlagszahlungen geleistet werden. Allein maßgeblich ist am Ende jedoch die endgültige Abrechnung des Gesamtjahrs 2024.
Notwendige gesetzliche Umsetzungsschritte/Weichenstellungen der Länder
Über die notwendigen Tarifmaßnahmen hinaus sind die Länder dringlich gefordert, nach dem Muster des Landes Thüringen in ihren ÖPNV-Gesetzen sehr kurzfristig gesetzliche Regelungen zur Umsetzung des Deutschlandtickets zu verankern. Die kommunalen Spitzenverbände weisen bereits seit einem Jahr gebetsmühlenhaft darauf hin, dass es ohne dies nicht gehen wird. Geschieht dies nicht, ist ein Flickenteppich nicht zu vermeiden und eine flächendeckende Umsetzung des Deutschlandtickets nicht mehr sicherzustellen. Damit stünde aber auch der Bundeszuschuss von 1,5 Mrd. € in Frage.
Nur ein gesetzlicher Anwendungsbefehl der Länder stellt verlässlich sicher, dass der Tarif und die gegenseitige Anerkennung des Deutschlandtickets gegenüber den Verkehrsunternehmen bundesweit flächendeckend vorgegeben werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass alle Unternehmen wirksam verpflichtet werden, an einem Einnahmeaufteilungsverfahren teilzunehmen, verkaufte Tickets zu melden und überschießende Einnahmen aus dem Deutschlandticket wieder in den Einnahmenpool abzuführen. Hieran müssen die Länder ein vorrangiges Interesse haben.
Es führt für die Länder daher kein Weg daran vorbei, die kommunalen Aufgabenträger durch einen Anwendungsbefehl dazu zu verpflichten, als zuständige Behörden im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 das Deutschlandticket als Höchsttarif gegenüber den Verkehrsunternehmen anzuordnen und auszugleichen. Die Adressierung an die Kommunen ist wichtig, da der Ausgleich der Fahrgeldmindereinnahmen infolge des Deutschlandtickets gegenüber den Verkehrsunternehmen beihilfe- und vergaberechtskonform nur im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 durch die „zuständigen Behörden“ erfolgen kann; das sind für den straßengebundenen ÖPNV (sowie in Teilen auch für den SPNV) die Landkreise und Städte, die vor Ort als ÖPNV-Aufgabenträger das Angebot planen, organisieren und finanzieren.
Eine gesetzliche Verpflichtung der kommunalen Aufgabenträger haben die Länder bislang aufgrund befürchteter Mehrbelastungsausgleichspflichten aufgrund der landesverfassungsrechtlichen Konnexität gescheut. Tatsächlich haben es die Länder aber selbst in der Hand, ihre entsprechenden finanziellen Risiken durch eine belastbare und ehrliche „kaufmännische Kalkulation“ des Tarifs auf ein Minimum zu reduzieren und unter Hinzunahme der von Bund und Ländern bereitgestellten 3 Mrd. € für eine auskömmliche Finanzierung Sorge zu tragen.
Die Länder müssen schließlich zur Ausgestaltung des „Deutschlandtickets“ durch einen Staatsvertrag gemeinsame Strukturen, Gremien und Verfahren schaffen und legitimieren, wie der Tarif, die Tarifbestimmungen, die Einnahmenaufteilung etc. künftig fortgeschrieben werden sollen, damit der gesetzliche Anwendungsbefehl der Länder und die Tarifanordnungen der Aufgabenträger sich hierauf beziehen können.
Finanzielle Perspektive für ÖPNV-Angebot schaffen
Gerade für die ländliche Räume und die Fläche ist mit dem Deutschlandticket allein allerdings nur wenig gewonnen, wenn nicht auch das Angebot verbessert werden kann. Die Bundesregierung muss ihrer Ankündigung im Koalitionsvertrag endlich Taten folgen lassen, mit einem Ausbau- und Modernisierungspakt die finanziellen Grundlagen für einen alltagstauglichen ÖPNV in Stadt und Land zu legen. Bislang erreicht das Deutschlandticket zum überwiegenden Teil nur diejenigen, die schon bisher den ÖPNV genutzt haben (Abo-Bestandskunden und Bartarifnutzer); nur ca. 7-8% (700.000-800.000 Nutzer) sind tatsächliche Neukunden, die neu in das System ÖPNV wechseln. Das kann nicht überraschen. Ein günstiger Tarif allein überzeugt die Menschen nicht. Die Wirkung des Deutschlandtickets verpufft damit, wo kein alltagstaugliches Verkehrsangebot geschaffen werden kann.