Zukunftsfähige Mobilität

Stärkung des ÖPNV in Baden-Württemberg

Das Land Baden-Württemberg setzt sich für einen starken Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ein. Dieser ist ein zentraler Baustein, damit die Klimawende im Verkehr gelingt. Dafür muss der ÖPNV öfter fahren, einfacher, flexibler und verlässlicher werden. Die Landkreise und Städte, die für den ÖPNV auf der Straße zuständig sind, brauchen wir dabei als starke Partner.
Winfried Hermann MdL · Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg · 15. Dezember 2023
Verkehrsminister Winfried Hermann MdL
Verkehrsminister Winfried Hermann MdL
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Die verkehrsbedingten CO2-Emissionen müssen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 sinken, wie im Klimaschutzgesetz vorgesehen. Die Landesregierung hat sich deshalb unter anderem das Ziel gesetzt, die Nachfrage im öffentlichen Nahverkehr bis 2030 im Vergleich zu 2010 zu verdoppeln. Die ÖPNV-Strategie 2030 beinhaltet 130 konkrete Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern, um dies zu gewährleisten. Dazu gehört zum Beispiel, dass der ÖPNV Vorrang vor anderen Verkehrsmitteln auf der Straße erhält, damit Mobilität auch ohne Pkw attraktiv ist. Ebenso gehört eine leistungsfähige und zukunftsorientierte Infrastruktur durch ausreichende Kapazitäten dazu, sowie günstige Tickets mit einer verständlichen Tarifstruktur.

Einer der Schwerpunkte der ÖPNV-Strategie 2030 ist die Entwicklung der Mobilitätsgarantie. Denn ein zentraler Hebel für einen starken ÖPNV liegt in einem deutlich dichteren Fahrplanangebot. Der öffentliche Verkehr muss zukünftig ein noch besseres Angebot und mehr Kapazitäten aufweisen. Neben der Zuverlässigkeit und Beschleunigung von Bahnen und Bussen soll ein erheblicher Ausbau des Angebots durch Fahrplan- und Taktverdichtungen in allen Räumen – auch in Randzeiten und am Wochenende – mittels einer Mobilitätsgarantie von 5 bis 24 Uhr ein verlässliches Angebot bieten. Mit dem Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs, vor allem mit Metropol- und Regioexpresslinien, haben wir das Schienenangebot erheblich verbessert.

Regiobussen kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Sie schließen Lücken im Schienenpersonennahverkehr. Wo keine Schienen liegen, verbinden sie Städte und Gemeinden miteinander und bringen Fahrgäste an sieben Tagen die Woche im Stundentakt an ihr Ziel oder an einen Bahnhof. Auf den Linien fahren schnelle und komfortable Fahrzeuge. Verantwortlich für den Busverkehr sind in Baden-Württemberg die Stadt- und Landkreise sowie größere Städte. Das Land beteiligt sich finanziell mit einem Förderprogramm daran. Seit Beginn des Regiobusprogramms im Jahr 2015 wurden rund 50 Regiobuslinien in ganz Baden-Württemberg eingeführt. Zukünftig sollen es noch mehr werden.

Ein weiteres Angebot für Regionen mit weniger öffentlichem Verkehr sowie in Randzeiten sind flexible und nachfragegesteuerte On-Demand-Verkehre, die den öffentlichen Verkehr ergänzen. Solche bedarfsorientierten Angebote schließen Lücken im öffentlichen Nahverkehrsnetz und sind ein wichtiger Beitrag zur Mobilitätsgarantie und für die Verkehrswende. Deshalb hat das Land die Förderung solcher Angebote für interessierte Stadt- und Landkreise dieses Jahr neu aufgelegt, um mehr Flexibilität zu bieten. Kommunale Aufgabenträger können jeweils mit bis zu zwei Millionen Euro bei der Einrichtung und dem Betrieb flexibler und bedarfsorientierter Angeboten unterstützt werden.

Die Fahrgäste sollen sich außerdem darauf verlassen können, dass sie pünktlich und wie geplant am Zielort ankommen. Deshalb dienen zahlreiche Maßnahmen dazu, die Zuverlässigkeit zu stärken, etwa durch die Erarbeitung eines Qualitätskonzepts. Kürzere Wartungsintervalle, sowohl bei der Infrastruktur, als auch bei den Fahrzeugen sorgen für eine gesteigerte präventive Instandhaltung – und damit für weniger Ausfälle. Letztendlich geht es aber auch um kürzere Reisezeiten. Hier kann beispielsweise durch Ampelschaltungen dem ÖPNV Vorfahrt gewährt werden. Zentrale Orte abseits der Schiene können mit Schnellbuslinien über neue Direktverbindungen angebunden werden.

Aber wie gelingt es, dass künftig mehr Menschen den ÖPNV in ihrem Alltag nutzen? Einen wesentlichen Beitrag sehen wir hier in einfachen und günstigen Tarife. Baden-Württemberg ist seit Jahren Vorreiter und hat 2018 mit dem bwtarif das landesweite Fahren über Verbundgrenzen hinaus nicht nur vereinfacht, sondern auch günstiger gemacht.

Diesen Weg haben Land und kommunale Aufgabenträger im März 2023 mit der Einführung des JugendticketBW fortgesetzt. Ziel des JugendticketBW ist es, junge Menschen in einer für die Mobilitätswahl prägenden Lebensphase den Einstieg in den ÖPNV zu erleichtern und Familien mit Kindern und junge Erwachsene finanziell zu entlasten. Der Nachfragezuwachs im Ausbildungsverkehr gegenüber dem Vor-Corona-Niveau liegt im Oktober 2023 bei gut acht Prozent – dies ist ein gutes halbes Jahr nach dem Start des JugendticketBW ein guter, gemeinsamer Erfolg.

Vor diesem Hintergrund war auch die Einführung des Deutschlandtickets zum Mai 2023 der nächste konsequente Schritt. Und die Zahlen aus den ersten Monaten zeigen: Das Deutschlandticket leistet einen deutlichen Beitrag zur erforderlichen Mobilitätswende. Es zieht Neukunden im ÖPNV an und veranlasst die Bürgerinnen und Bürger dazu, ihr Auto seltener zu nutzen. Dies zeigt sich auch an der Nachfrage im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) des Landes Baden-Württemberg. In einigen Netzen wurden im Juli die Fahrgastzahlen sowohl aus dem 9-Euro-Ticket-Zeitraum als auch aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 wieder überschritten. Auf attraktiven SPNV-Strecken stieg die Nachfrage zwischen April und Juli 2023 um 30 bis 50 Prozent. Die zwischen Land und kommunalen Aufgabenträgern vereinbarte Ablösung des JugendticketBW durch das Deutschlandticket JugendBW führt diesen Weg fort, weil sie den Nutzen für junge Menschen zusätzlich erhöht und zugleich die Tariflandschaft weiter vereinfacht.

Damit Tarife auf Dauer einfach und günstig bleiben können, bedarf es einer soliden und dauerhaften Finanzierung. Für das JugendticketBW hat das Land von Beginn an Verantwortung übernommen und trägt 70 Prozent der Kosten – auch nach der Ablösung durch das D-Ticket JugendBW. Für den Zeitraum nach 2025 streben wir die Überführung in eine gesetzliche Regelung an. Auch für das Deutschlandticket hat Baden-Württemberg deutlich gemacht, dass wir unseren Teil der Verantwortung tragen und bereit sind, die Hälfte der Kosten auf Dauer zu finanzieren. Zugleich sehen wir den Bund in der Verantwortung, seinen Anteil an der Finanzierungsverantwortung dauerhaft abzusichern. Dass eine solide Finanzierung auch die Möglichkeit einer Preisfortschreibung umfassen muss, haben die Ministerpräsidenten und der Kanzler Anfang November in ihrem Beschluss zum Deutschlandticket klargemacht. Baden-Württemberg gehört zu den Treibern einer dauerhaften Entscheidungs- und Governance-Struktur im Deutschlandticket. Zugleich sind wir im engen Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden über die konkrete Umsetzung in Baden-Württemberg. Unser gemeinsames Ziel muss es sein die Finanzierung des Deutschlandtickets und des D-Ticket JugendBW langfristig zu sichern.

Aber wir stehen auch vor großen Herausforderungen. Etwa durch Störungen und Sperrungen auf der Schiene. Diese fordern die Busunternehmen in den Regionen heraus. Für einen besseren Schienenersatzverkehr brauchen wir fahrgastorientierte Buskonzepte. Und wir suchen den Schulterschluss mit den Dachorganisationen der Busunternehmer, um das Betätigungsfeld in einem leergefegten Markt zu bewerben. Gleichzeitig fordern wir von den Infrastrukturbetreibern, bei Bauarbeiten auch die „Fahrgastbrille“ aufzusetzen und den Ärger auf das absolut Notwendige zu beschränken. Auch wir werden nochmals verstärkt den Blickwinkel der Fahrgäste einnehmen: mit Qualitätsscouts, die Kontrollen durchführen, und mit einem neuen Qualitätsanwalt, der für die Interessen der Fahrgäste eintritt. 

Ich bin mir bewusst, dass für all diese Ziele mehr Personal nötig ist. Über die SPNV-Dachmarke „bwegt“ entsteht deshalb auch gerade eine Personalkampagne, mit der wir mehr Menschen für die Branche begeistern wollen. Wir setzen in Baden-Württemberg alles in Bewegung, um das System Schiene und den ÖPNV insgesamt wieder zu einem Vorzeigeprojekt zu machen und bauen darauf, dass auch alle anderen Beteiligten sich dafür einsetzen.

Winfried Hermann MdL ist Minister für Verkehr des Landes Baden-Württemberg
Schlagworte: ÖPNV
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