Wo kommen wir her?
Aus den Erfahrungen des zweiten Weltkriegs heraus war den Verantwortlichen der jungen Bundesrepublik klar, dass es ein starkes und funktionsfähiges System braucht, das dann hilft, wenn mehr als die alltäglichen Brände und Unfälle geschehen. Sowohl im Zivilschutz als auch im Katastrophenschutz verfügte die Bundesrepublik deshalb bis zur Wiedervereinigung über ein flächendeckendes und über den Regelbetrieb der Feuerwehr und des Rettungsdienstes hinausgehendes Hilfssystem, über Schutzbauten, Behördenselbstschutz und Regieeinheiten. Das Thema war nicht zuletzt auch in der Öffentlichkeit stets präsent.
Freilich war auch richtig: Das System war aufwändig und teuer. So soll allein der Bau des sogenannten Ausweichsitzes der Verfassungsorgane des Bundes in Bad Neuenahr-Ahrweiler rund 3 Milliarden DM gekostet haben. Mit Ende der Ost-West-Spannungen und mit dem Fall der Mauer war es allgemeiner Konsens, dass diese Vorhaltungen nicht mehr gebraucht werden. Niemand hätte sich mit der Idee der Erhaltung beispielsweise der Schutzbauten durchsetzen können. Das ist die Realität.
Wo stehen wir?
Nun sehen wir, dass unsere Freiheit, unsere Demokratie, unser Rechtsstaat, unsere westliche Art zu leben bedroht sind wie seit langem nicht mehr. Die Auswirkungen weltweiter Krisen sind auch für uns spürbar. Wir leben leider nicht in einer friedlichen Welt. In einer solchen Welt gilt es wehrhaft zu sein.
In diesen Zeiten fallen bei der Bundesregierung Ankündigungen und Taten weit auseinander. Der Bund vernachlässigt die zivile Verteidigung, ganz konkret die Ausstattung unserer Hilfsorganisationen und Feuerwehren mit Fahrzeug und Gerät. Die Bundesfahrzeuge überaltern und müssen dringend ersetzt werden. Das ist kein Wunder, denn die Bundesregierung und die sie im Bundestag tragenden Fraktionen sparen beim Zivilschutzetat. Das ist gänzlich unverständlich und auch unverantwortlich.
Doch machen wir es uns nicht zu einfach: Unser Katastrophenschutz hat in den vergangenen Krisen, und davon hatten wir leider einige, sehr gut funktioniert. Dies ist einem ganz starken Ehrenamt zu verdanken. Menschen, die sich in ihrer Freizeit mit ganz viel Herzblut und gleichzeitig sehr professionell für ihre Mitmenschen einsetzen. Einen weiteren wichtigen Baustein bilden die Katastrophenschutzbehörden. Hierbei kommt es gerade auf starke untere Katastrophenschutzbehörden an, also auf die Stadt- und Landkreise. Die sind am nächsten an den Menschen, an den Problemen und auch an den Lösungsmöglichkeiten dran. Daher sieht auch das neue Landeskatastrophenschutzgesetz grundsätzlich die Zuständigkeit der unteren Katastrophenschutzbehörde für die Lagebewältigung vor. Der Abbau von Personal als Ausfluss der Friedensdividende konnte in vielen Kreisen gestoppt werden. Dankenswerterweise wird auch in den Kreisen das Thema wieder mit hoher Priorität behandelt.
Von Seiten des Landes haben wir vor allem die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Zum Ende der letzten Legislaturperiode haben wir das Gesetz zur Stärkung der Ehrenamtlichen im Bevölkerungsschutz beschlossen. Seither ist auch unterhalb des Katastrophenfalls der Einsatz Ehrenamtlicher abgesichert. Derzeit setzen wir ein Sonderprogramm in Höhe von 25 Mio. € zur Stärkung des Katastrophenschutzes um. Um nur ein drittes Beispiel zu nennen: Wir haben gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden und mit den Katastrophenschutzbehörden aller drei Ebenen den Entwurf eines neuen Landeskatastrophenschutzgesetzes verfasst. Auch hierbei steht eine nachhaltige spürbare Stärkung des Katastrophenschutzes im Mittelpunkt.
Wo müssen wir hin?
Seneca wird der Satz zugeschrieben: Wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind günstig.
Wir müssen uns also immer fragen, was unser Ziel ist. Hierbei geht es nicht um Wünsche, Träume und Utopien, sondern um real erreichbare Ziele. Absolute Sicherheit und null Risiko können wir sicher nicht wollen. Die Menschen haben eine Eigenverantwortung und der Staat kann weder alles verbieten noch bei jeder Gefahr allen gleichzeitig helfen. Diesen Eindruck sollten wir auch nicht bei der Bevölkerung erwecken. Daher müssen wir uns auch bei der Anschaffung neuer Ausrüstung immer wieder fragen: Was wollen wir damit erreichen und – vor allem – wer soll sie bedienen. Denn letztlich kommt es auf die Menschen an. Die Menschen, die das Bevölkerungsschutzsystem tragen, dürfen wir nie aus dem Blick verlieren.
Daher ist eine weitere Stärkung des Katastrophenschutzes unerlässlich. Ich werbe deshalb mit Nachdruck dafür, dass wir als Land weiterhin in den Bevölkerungsschutz investieren. Denn Geld für unseren Bevölkerungsschutz ist gut angelegtes Geld – für die Sicherheit der Menschen in Baden-Württemberg.