Die Unwetterlage Anfang Juni 2024 war schlimm für die betroffene Bevölkerung und für die Gemeinden mit ihren Freiwilligen Feuerwehren. Damit war es auch für die Leitstelle, den Führungsstab der Feuerwehren des Landkreises und die Verwaltungen über fünf Tage hinweg eine echte Bewährungsprobe. Trotz verbessertem Hochwasserschutz entlang der Fils sowie an etlichen Zuflüssen muss uns bewusst sein, dass bei lokalen extremen Starkregenfällen auch kleinere Bäche deutlich über die Ufer treten können bzw. Oberflächenwasser aus Hanglagen in bebautes Gebiet laufen wird und Menschen, Tiere und erhebliche Sachwerte gefährdet sind.
Kurzfristige Vorbereitung: Sandsäcke füllen und Kommunikationsstruktur testen
Neben ersten hochwasserbedingten Einsätzen der Feuerwehren wurden am Freitag, den 31.05.2024 bereits Tausende Sandsäcke abgefüllt, die Personalverfügbarkeit geprüft und die Kommunikationsstruktur vorbereitet. Entscheidungen können nur so gut sein wie die Informationen, auf denen sie beruhen. Neben Telefon- und Funkgesprächen müssen hier auch qualifizierte Lagemeldungen zu einem Lagebild auf Kreisebene führen. Das seit der Covid-Pandemie übliche Medium der Videokonferenz kann ebenfalls als Option für Lagebesprechungen bei einer dezentralen Großschadenslage genutzt werden – solange diese Technik funktioniert.
Expertenrat ist gefragt: Bewertung von Wetter- und Pegelprognosen
Über fünf Tage hinweg standen Experten des Umweltschutzamtes im Landratsamt Göppingen den Feuerwehrkommandanten zur Verfügung und interpretierten die Niederschlagswerte und – prognosen sowie die hieraus zu erwartenden Pegelstände und Überflutungsgebiete. Aufgrund der schwierigen Vorhersagbarkeit lokaler Starkregenfälle waren die Prognosen zwar mit Unsicherheit verbunden und existierten letztlich nur für die Fils als größtes Fließgewässer im Landkreis Göppingen, dennoch waren dies wichtige Informationen um den Einsatz der verfügbaren Ressourcen im Landkreis auch im Hinblick auf die „Dinge, die noch kommen könnten“ richtig einzuschätzen.
Die Auswertung von Lagemeldungen der Gemeinden in Schadenskonten, die Lagedarstellung nach Verifikation der Meldungen, die Abstimmung, Anforderung und der Einsatz umfangreicher externer Kräfte wurde über fünf Tage hinweg im Führungsstab geplant und koordiniert. Neben rund 1400 Einsatzkräften der Feuerwehren waren rund 300 Kräfte des THWs und 50 Kräfte des Rettungsdienstes über die fünf Tage hinweg eingesetzt. Die Kräfte des THWs wurden den örtlichen Einsatzleitungen zugewiesen sowie zentral von einer in den Stab integrierten Führungsstelle koordiniert.
Extreme Überschwemmungen in Ebersbach an der Fils mit zahlreichen Menschenleben in Gefahr
Nach drei Tagen heftigem Regen mit Hunderten Einsatzstellen auf Kreisebene hat eine weitere extreme Regenzelle die Städte Uhingen sowie im Besonderen die Stadt Ebersbach an der Fils getroffen. Die kleine Sulpach hatte sich zu einem reißenden Fluss verwandelt und Fahrzeuge und Tiere mitgerissen. Auch um das Leben zahlreicher Menschen musste viele Stunden lang gebangt werden – glücklicherweise waren letztlich aber keine Menschenleben zu beklagen. Aufgrund der Dunkelheit konnte keine Luftrettung eingesetzt werden, mit zahlreichen Booten und entsprechenden Fahrzeugen wurden aber über 30 Menschen aus ihren Häusern gerettet. Einige Straßenbereiche in Ebersbach wurden bis zu drei Meter überflutet. Eine Evakuierung zahlreicher Gebäude war notwendig und es wurde für mehrere Hundert Menschen eine Notunterkunft vorbereit. Hierzu wurden die Betreuungseinheiten des Katastrophenschutzes eingesetzt. Eine massive überörtliche Unterstützung mit Dutzenden weiteren Fahrzeugen war die gesamte Nacht im Einsatz. Weiterhin wurden zur Unterstützung der örtlichen Einsatzorganisation auch Führungseinheiten aus benachbarten Landkreisen angefordert. Die B10 wurde massiv überflutet und war letztlich für mehrere Tage in beiden Fahrtrichtungen gesperrt.
Wenige Stunden nach der Starkregenzelle über Uhingen und Ebersbach bildete sich eine weitere Starkregenzelle über Eislingen/Fils, dessen Ortsteil Krummwälden sowie über der Gemeinde Ottenbach. Die Krumm, ein eigentlich kleiner Bach, welcher in Eislingen in die Fils mündet, trat aufgrund des dort auftretenden HQ-Extrem (also deutlich über einem HQ100) ebenfalls sehr schnell großflächig über die Ufer. Wasser drückte meterhoch aus Kanälen auf die Straßen, eine Person musste von der Feuerwehr aus einer überfluteten Garage gerettet werden. Auch hier wurde die örtliche Feuerwehr verstärkt durch umfangreiche Kräfte des THWs.
Lagemeldungen, Gespräche und Videokonferenzen sind wichtige Mittel der Informationsgewinnung in der Krise. Der persönliche Eindruck vor Ort während der heißen Phase aber auch in der Phase des abklingenden Hochwassers vermittelt einen Eindruck der Dramatik. In Ebersbach an der Fils war selbst das Feuerwehrhaus unter Wasser gestanden und hat die Hilfeleistung durch die örtliche Feuerwehr zusätzlich erschwert.
Von Sonntagnacht bis Montagabend wurde im Landkreis aufgrund der vorstehend beschriebenen Lage die außergewöhnliche Einsatzlage nach Landeskatastrophenschutzgesetz festgestellt. In der schwierigsten Phase des Hochwassers waren Landrat Edgar Wolff mit Bezirksbrandmeister Adrian Wibel persönlich im Führungsstab und auch in Ebersbach und Uhingen vor Ort. Auch Ministerin Razavi, Innenminister Strobl und Landtagsabgeordnete verschafften sich ein persönliches Bild der Lage.
Vorstehend dargestellt sind die über die Feuerwehren, örtlichen Einsatzleitungen bzw. den Feuerwehr-Führungsstab angeleiteten Einheiten. Die darüber hinaus umfangreiche Nachbarschaftshilfe ist in den vorstehenden Zahlen nicht enthalten und wurde an vielen Stellen in erheblichem Umfang beobachtet.
Im Nachgang betrachtet kann sich unsere Gesellschaft glücklich schätzen, ein derart leistungsfähiges und hierbei überwiegend von Ehrenamtlichen getragenes Hilfeleistungssystem zu haben. Wir sollten die Rahmenbedinungen dafür schaffen, dass dies so erhalten werden kann.