System an der Belastungsgrenze

Verantwortungsgemeinschaft (neu) gestalten

Einem "Mehr" an Bedarfen steht ein "Weniger" an Ressourcen gegenüber. Welche Wege sichern weiterhin eine handlungsfähige Kinder- und Jugendhilfe?
Gerald Häcker , Kathrin Kratzer und Volker Reif · Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg · 05. Juli 2024
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1. Ausgangslage

Seit einigen Jahren bestimmen multiple Krisen die Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe (KJH). Hinzu kommt der alles überlagernde Arbeits- und Fachkräftemangel.

Fehlende soziale Kontakte und Ängste aufgrund der Coronapandemie haben zu einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit vieler junger Menschen geführt[1]. Der anhaltende Zuzug Schutz suchender Kinder und Jugendlicher erfordert eine intensive gemeinsame Anstrengung der öffentlichen und freien Träger bei der Schaffung geeigneter Versorgungsstrukturen. Weitreichende Gesetzesreformen und neue Rechtsansprüche stellen die KJH vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels sowie der demografischen Entwicklung vor zusätzliche Herausforderungen. Ein „Mehr“ an Bedarfen und Leistungen stehen einem „Weniger“ an personellen und finanziellen Ressourcen gegenüber.

Dies führt zu einer Verschärfung der Auseinandersetzung um politische Prioritäten:

  • Die Sozialpolitik steht in Konkurrenz zu anderen Politikfeldern (allen voran der Sicherheitspolitik).
  • Auch innerhalb der Sozialpolitik werden die einzelnen Bereiche gegeneinander abgewogen.
  • Innerhalb der KJH werden die einzelnen Bereiche (z.B. Hilfe zur Erziehung, Kindertagesbetreuung, Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit) hinsichtlich notwendiger Schwerpunktsetzungen betrachtet.

In Wissenschaft und Praxis wird mit weitgehender Übereinstimmung die Auffassung vertreten, dass Prioritätensetzungen zu Ungunsten junger Menschen Folgekosten nach sich ziehen können[2]. Dennoch muss sich die KJH damit auseinandersetzen, wo und wie innerhalb des Systems Strukturen und Angebote so weiterentwickelt werden können, um auch zukünftig den Bedarfen junger Menschen und deren Familien gerecht werden zu können. Die Ziele der Jugendhilfe, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu fördern und Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen (§ 1 Abs. 3 SGB VIII), sind dabei stets handlungsleitend. Insbesondere im Bereich der frühkindlichen Förderung tritt die Intention der Bildungs- und Chancengerechtigkeit hinzu. Vor diesem Hintergrund ist der bedarfsgerechte und vom gesellschaftlichen Status unabhängige Zugang aller Kinder und Jugendlichen zu den Angeboten der KJH von zentraler Bedeutung.
 

2. Auswirkungen der aktuellen Situation auf die Kinder- und Jugendhilfe

Die KJH hat in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen. Dies zeigt sich u.a. im Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Schulsozialarbeit, einer stetigen Zunahme erzieherischer Hilfen sowie einer Stärkung der personellen Ressourcen in den Sozialen Diensten und der Wirtschaftlichen Jugendhilfe der Jugendämter[3]. Die KJH ist neben dem Bildungssektor elementar für ein förderliches Aufwachsen junger Menschen und für die Zukunftsfähigkeit des Landes und der Gesellschaft.

Dennoch müssen Betreuungszeiten reduziert, Kita- und stationäre Wohn- und Inobhutnahmegruppen geschlossen sowie Notlösungen konstruiert werden. Die Wartelisten für ambulante Hilfen werden immer länger.

Der Fachkräftemangel hat sich in der KJH mittlerweile zu einem grundlegenden Problem entwickelt, welches sich durch verschiedene Faktoren u.a. demografische Veränderungen, erhöhte Anforderungen und neue Rechtsansprüche weiter zuspitzt.[4]

Demografische Veränderungen

Der demografische Wandel führt in den nächsten Jahren zu einem verstärkten Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter.

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Bereits im Jahr 2035 befinden sich in Deutschland voraussichtlich nur noch knapp 6 Mio. Menschen im Alterssegment zwischen 21- und 65-Jahren. Aufgrund der hohen Anzahl an Renteneintritten im selben Zeitraum wird die nachrückende Generation zahlenmäßig nicht ausreichen, diesen Verlust auszugleichen. Am deutlichsten wird dies im Versorgungsquotient. Dieser gibt das Verhältnis der unter 21-Jährigen und über 65-Jährigen in Bezug auf 100 Personen im erwerbsfähigen Segment (21- bis unter 65-Jährige) an.[5] Der Wert steigt von 69 Prozent im Jahr 2020 deutlich auf voraussichtlich 81 Prozent im Jahr 2030 und 88 Prozent im Jahr 2060. D.h. die Bevölkerungsgruppe, die den Sozialstaat durch Steuern und Beiträge maßgeblich finanziert, wird in diesem Zeitraum stetig geringer.

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Neue Rechtsansprüche

Die Diskrepanz zwischen zunehmenden gesetzlichen Ansprüchen (z.B. durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG), Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG)) mit der gleichzeitigen unzureichenden Verfügbarkeit des Personals führt zu einer erheblichen Belastung der vorhandenen Fachkräfte und einer Verschärfung der Versorgungssituation.
 

Erhöhte Anforderungen

Insbesondere an der Schnittstelle zur Psychiatrie ist ein Anstieg an psychischen Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen festzustellen, welcher auf eine unzureichende Versorgung an Therapieplätzen und externen Beratungsmöglichkeiten trifft[6].

Nicht zuletzt gestalten sich vor diesem Hintergrund die Einhaltung der Zielvorgaben des SGB VIII und die Gewährleistung des Kinderschutzes zunehmend schwieriger.

Im vorliegenden Beitrag wird der Fokus auf die erzieherischen Hilfen sowie die Jugend- und Jugendsozialarbeit gelegt. Gleichwohl beziehen sich die Herausforderungen auf alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe.
 

Herausforderungen im Bereich der stationären und ambulanten Hilfen.

Die Hilfen zur Erziehung (HzE) - insbesondere in der stationären Hilfe sehen sich zunehmend mit komplexen Fällen und traumatisierten jungen Menschen konfrontiert, welche hohe Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte stellen. In diesem Kontext treten nicht selten Überlastungssituationen und entsprechende Fluktuations-Raten auf.
 

Herausforderungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit

Die ehrenamtlich geprägten Angebote in der verbandlichen und selbstorganisierten Jugendarbeit sind wesentliche Säulen der Demokratiebildung und gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme.

Bundes- wie landesweit ist festzustellen, dass die Anzahl ehrenamtlich engagierter Personen in der Jugendarbeit seit 2015 kontinuierlich abgenommen hat.

Ehrenamtlich Tätige in Angeboten der Jugendarbeit; Entwicklung 2015 – 2021
Ehrenamtlich Tätige in Angeboten der Jugendarbeit; Entwicklung 2015 – 2021
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Umso einschneidender wirkt sich insbesondere der demografische Rückgang bei den jungen Menschen im Alter von 18 bis 27 Jahren auf die ehrenamtlich getragene Infrastruktur aus. Dieses Alterssegment stellt nicht nur den zahlenmäßigen größten Teil der Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit, sondern wirbt, motiviert und unterstützt auch jüngere (potenzielle) Ehrenamtliche. Allein bis 2030 wird die Anzahl junger Menschen in diesem Alterssegment landesweit um über 83.000 sinken. Dies geht einher mit dem Wegfall ganzer Angebotsbausteine der Jugendarbeit eines Gemeinwesens.
 

3. Lösungsansätze und Maßnahmen

Die beschriebenen Herausforderungen bedürfen einer umfassenden strategischen Antwort, um eine handlungsfähige Kinder- und Jugendhilfe sicherzustellen:

Das KJSG verpflichtet die örtlichen Träger der Jugendhilfe, die Angebote der Jugendhilfe in umfangreicherer Form direkt aus den Bedürfnissen und Wünschen der Zielgruppe abzuleiten. Dies kann durch regelmäßige Befragungen, Feedbackrunden und partizipative Planungsprozesse gesichert werden. Dadurch werden die unterschiedlichen Bedarfslagen der eigentlichen Adressaten, der Träger sowie der flankierenden Systeme deutlicher, im Sinne der Fragestellung „was die jungen Menschen und Familien wirklich brauchen“. Die Zielgruppen wirken an der Definition mit, welche Angebote, Leistungen und Dienste als notwendig, angemessen und hilfreich empfunden werden. Dies bedeutet, die eigenen Angebote und Strukturen (innerhalb des Jugendamtsbezirkes sowie innerhalb der öffentlichen und freien Träger) dahingehend zu überprüfen, ob und wie fachlich vertretbare Ressourcenverschiebungen oder Priorisierungen umsetzbar sind und dennoch in ausreichendem Maße Kinder, Jugendliche und deren Familien unterstützt werden können.

Sowohl die Gewinnung künftiger als auch die Bindung der derzeitigen Mitarbeitenden hängt von der Attraktivität des Berufsfeldes ab. Um flexiblere Modelle umzusetzen und Gestaltungsspielräume zu eröffnen, bedeutet dies ein größeres Maß an Verantwortung bei den Trägern und Mitarbeitenden zu verorten, ohne die im SGB VIII implementierte Verantwortungsgemeinschaft infrage zu stellen.

Um die personelle Situation zu stabilisieren und die Fachkräfte zu stärken und zu entlasten, sind unter anderem die Erweiterung des Fachkräftekatalogs, die Optimierung von Zulassungsverfahren und der Einbezug von Unterstützungskräften erforderlich. Bereiche, in denen es einer grundlegenden pädagogischen Professionalisierung und Qualifizierung bedarf, sind zu definieren.

Ziel wird sein, die Mitarbeitenden in der KJH durch gezielte (berufsbegleitende) Aus- und Weiterbildungsprogramme zu stärken und einen potenziellen Quereinstieg vorzusehen. Im Rahmen der Professionalisierung von Fachkräften gewinnen insbesondere die Aspekte der professionellen Haltung und der damit einhergehenden Resilienz, Belastbarkeit und Methodenkompetenz an Bedeutung, vor allem, was den Umgang mit Zielgruppen angeht, die ein herausforderndes Verhalten zeigen.

um dem Anspruch nach Bildung, Erziehung und Betreuung gerecht werden zu können. Dabei muss die Umsetzbarkeit stärker als bisher in den Blick genommen werden.

Die frühzeitige Berufsorientierung und -beratung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen ist essenziell, um junge Menschen für soziale Berufe zu interessieren und langfristig als Fachkräfte zu gewinnen. Durch Partnerschaften mit Schulen und die Durchführung von Informationsveranstaltungen und Praktika können Jugendliche frühzeitig Einblicke in das Berufsfeld erhalten und für eine Karriere in der Kinder- und Jugendhilfe motiviert werden.

Durch die Integration und Nutzung digitaler Medien und Tools in allen Feldern der Jugendhilfe kann die Reichweite, Attraktivität und Effizienz einzelner Angebote gesteigert oder teilweise mit geringerem Personalaufwand umgesetzt werden. Online-Workshops, virtuelle Treffpunkte oder Apps zur Organisation und Kommunikation können hier innovative Wege eröffnen.

Grundsätzlich gilt es, die Eigen- und Selbstverantwortung der Kinder und Jugendlichen, aber auch deren Familien durch entsprechende Ermöglichungsstrukturen und damit einhergehende Selbstwirksamkeitsprozesse zu stärken (Stichwort: Hilfe zur Selbsthilfe). Kinder- und Jugendliche sind bei den Hilfen intensiver einzubeziehen und zu aktivieren. Proaktive bzw. präventive Angebote können verhindern, dass junge Menschen zu „Systemherausforderern“ werden. Die Zielgruppe sollte bei der Fragestellung mitwirken, welche Systeme sie als unterstützend und nicht selbst herausfordernd bzw. überfordernd empfindet.

Eine maßgebliche Säule zur Stärkung der Jugendarbeit ist – neben den hauptamtlichen Fachkräften - die Förderung des ehrenamtlichen Engagements und die Gewinnung von zusätzlichen Ehrenamtlichen. Bereits engagierte Ehrenamtliche sollten mittelfristig gebunden werden. Regelmäßige Schulungen und Weiterbildungen sind hierfür essenziell. Gleichermaßen bedarf es einer hauptamtlichen Säule, die diese Strukturen fördert und unterstützt.

Die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle kann dazu beitragen, die Arbeitsbelastung besser zu verteilen und das Arbeitszeitgestaltung auch an persönliche und familiäre Bedürfnisse anzupassen.

Gleichzeitig ist es erforderlich, Verwaltungs- und Verfahrensabläufe zu verschlanken und dabei die unterstützenden Möglichkeiten durch Künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung auszuschöpfen, sei es konkret in der Sozialen Arbeit oder in der Planung. So können beispielsweise im Bereich der Dokumentation digitale Werkzeuge effizienzsteigernd wirken, was den Fachkräften mehr Zeit für die Arbeit am Kind bzw. mit den Jugendlichen ermöglicht; wenngleich das Substituierungspotential laut Erhebungen der Agentur für Arbeit gering ausfällt. Es sollte frühzeitig überlegt werden, wie freiwerdende Potentiale aus anderen (Verwaltungs-) Bereichen für den „Quereinstieg“ in einzelne Tätigkeiten und Arbeitsfelder des sozialen Bereichs genutzt werden können.
 

4. Zusammenfassung und Ausblick

Das System der Kinder- und Jugendhilfe ist derzeit weitgehend an seiner Belastungsgrenze angelangt und hat diese in verschiedenen Bereichen bereits überschritten.

Nur durch ergebnisoffene strukturelle und inhaltliche Transformationsprozesse wird es gelingen, die Handlungsfähigkeit des Arbeitsfelds und damit die bedarfsgerechte Leistungserbringung mittelfristig im erforderlichen Umfang zu sichern sowie krisenfest und nachhaltig auszugestalten.

Um auf die skizzierten Herausforderungen zu reagieren, müssen die Rahmenbedingungen und Standards, Angebote und Leistungen, aber auch die Erwartungshaltungen und Ansprüche, einer kritischen Prüfung unterzogen und ggf. angepasst bzw. weiterentwickelt werden. Wichtig ist dabei die bedarfsorientierte Fokussierung, zeitliche Priorisierung sowie (auch selbstreflektorische) Zuständigkeitsprüfung aller Systeme. Der gleichberechtigte und umfassende Zugang zu den Angeboten der KJH sowie die Vermeidung von Benachteiligungen bilden hierfür die Handlungsgrundlage.

Folgende Fragestellungen können die Diskussionen der Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene begleiten:

  • Wie wird die Perspektive der Adressatinnen und Adressaten und deren mögliche Lösungsansätze bei der notwendigen Weiterentwicklung, konkreten Ausgestaltung sowie Priorisierung der Angebote und Hilfen berücksichtigt (geeignete Beteiligungsformate)?
  • Wie kann die Eigen- und Selbstverantwortung der Kinder und Jugendlichen, aber auch deren Familien durch entsprechende Ermöglichungsstrukturen und damit einhergehende Selbstwirksamkeitsprozesse gestärkt werden (Stichwort: Hilfe zur Selbsthilfe)?
  • Wie kann das Ehrenamt in Jugendverbänden und selbstorganisierten Einrichtungen auf kommunaler Ebene erhalten, gestärkt und unterstützt werden? Zu klären gilt mit den Verbänden und Einrichtungen vor Ort in den Städten und Gemeinden, welche Unterstützung konkret erforderlich ist.
  • Wie können Träger- und Verwaltungsstrukturen dafür gewonnen werden, durch erweiterte Gestaltungsspielräume vor Ort zur Attraktivitätssteigerung des Berufsfeldes beizutragen?
  • Wie können berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen gefördert und spezielle Fortbildungskonzepte, die auf die Bedürfnisse der Fachkräfte zugeschnitten sind, entwickelt werden?
  • Wie können Kooperationen mit Bildungseinrichtungen ausgestaltet werden, um das Interesse junger Menschen für soziale Berufe durch frühzeitige Berufsorientierung und -beratung zu wecken?
  • Wie können technische bzw. digitale Innovationen für die Reduzierung administrativer Aufgaben und zur Steigerung der Effizienz von Verwaltungsabläufen eingesetzt werden?

„Quo vadis  Kinder- und Jugendhilfe“? Der aktuelle Gesetzgebungsprozess hin zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe ermöglicht die Chance, Strukturfragen stärker in den Blick zu nehmen. Der KVJS greift diese Herausforderungen im Rahmen seiner Netzwerk-, Fortbildungs- und Transferangebote sowie Praxisförderprogramme auf und diskutiert die Ergebnisse mit der örtlichen Praxis.

Der Sozialstaat hat sich zu einem weit ausdifferenzierten System entwickelt. Diese Komplexität sozialstaatlicher Leistungen und deren Koordinierung (Familien erhalten häufig Leistungen aus verschiedenen Sozialgesetzbüchern und dem Schulsystem) nimmt bei den öffentlichen und freien Trägern erhebliche Ressourcen in Anspruch und verursacht Schnittstellenprobleme sowie Reibungsverluste. Anstelle einer weiteren Ausdifferenzierung von Einzelfallhilfen könnten durch den Aufbau einer an Teilhabe orientierten sozialen Infrastruktur Ressourcen freigesetzt werden (z.B. rechtskreisübergreifende Prävention und Kooperation unter Einbezug sozialräumlicher und zivilgesellschaftlicher Ressourcen). [7] Dieser Transformationsprozess muss auf allen Ebenen mitgestaltet werden.

In seiner Rolle als überörtlicher Träger der Jugendhilfe unterstützt der KVJS seine Mitglieder bei Planungsprozessen, um so beispielsweise die oben skizzierten Fragestellungen bestmöglich auf die Gegebenheiten vor Ort zu übertragen und entsprechende Ansätze und Weiterentwicklungsmöglichkeiten gemeinsam zu erarbeiten. Regelungen auf Landesebene (z.B. Landesrahmenverträge) müssen entsprechend flexibel ausgestaltet sein.

Bei künftigen Gesetzgebungsverfahren sollten die Umsetzbarkeit der Gesetze sowie deren Ansprüche an die Kinder- und Jugendhilfe, einem kritischen „Realitätscheck“ unterzogen werden. Damit einhergehen muss eine Diskussion über die Aufgaben des Staates auf der einen Seite und die Selbstwirksamkeit eines jeden Staatsbürgers auf der anderen Seite. Eine funktionierende und stabile Demokratie kann nur dauerhaft existieren, wenn sich alle der individuellen Verantwortung bewusst sind und hierzu ihren Teil beitragen. Dies gilt auch für andere Bereiche der Daseinsvorsorge.

 

Fußnoten:

[1] Vgl.  Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (2021): COPSY-Studie / Seelische Gesundheit und psychische Belastungen von Kindern und Jugendlichen in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie.

[2] Vgl. G. Micosatt, E.Yilmaz (2018): Kommunale Prävention und soziale Kosten

[3] Vgl. Autor:innengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik: Kinder- und Jugendhilfereport 2024

[4] Vgl. KVJS-Landesjugendamt, Rundschreiben-Nr. 53/2024, 27. März 2024

[5] Vgl. Usslepp, N (2023): Kinder- und Jugendhilfe im gesellschaftlichen Wandel. Demografische Entwicklungen und Lebenslagen in Baden-Württemberg. Stuttgart (Kommunalverband für Jugend und Soziales)

[6] Vgl. Bundesweite krankenkassenübergreifende vertragsärztliche/-psychotherapeutische Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V; bereitgestellt durch Versorgungsatlas: https://www.versorgungsatlas.de/

[7] Vgl. Müller/Osterbrink/Röder/Zilling (2024): Strategien gegen den Fachkräftemangel: Wenn strukturelle Fragen ausgeblendet und schnelle Lösungen zum Problem werden. In: Das Jugendamt. Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht; Ausgabe 4/2024

Gerald Häcker ist Dezernent beim KVJS-Landesjugendamt , Kathrin Kratzer und Volker Reif sind Wissenschaftliche Mitarbeitende beim KVJS-Landesjugendamt
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