Kleiner Sprachatlas für den Landkreis Rottweil

Kriesen kann man essen

Der Landkreis Rottweil hat eine hochinteressante Sprachgeographie, denn das Kreisgebiet liegt in der Übergangszone zwischen alemannischer und schwäbischer Mundart. Die wissenschaftliche Forschung zu diesem Thema war bislang eher spärlich – nun bringt der „Kleine Sprachatlas des Landkreises Rottweil“ Licht ins Dialekt-Dunkel.
Andrea Schmider · Landkreis Rottweil · 27. Februar 2023
©

Die Publikation ist im Vorfeld des 50-jährigen Jubiläums der Kreisreform erschienen.

Den Anstoß zur Erforschung und Darstellung der Mundart(en) hat die Kreisverwaltung gegeben: Der Landkreis hatte den Germanisten Dr. Rudolf Bühler vom Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen beauftragt, Erhebungen zur Mundart im Kreisgebiet durchzuführen. Die Ergebnisse wurden in Zusammenarbeit mit Professor Hubert Klausmann, dem Leiter der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland/Arno-Ruoff-Archiv“, veröffentlicht.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes standen 250 Männer und Frauen, die sich Dr. Rudolf Bühler für Befragungen in punkto Mundart zur Verfügung gestellt hatten. Zu Schnupfen, Beule, Kartoffel, Schornsteinfeger und vielen weiteren Begriffen sollten diese Interviewpartner*innen das Pendant im jeweiligen Dialekt benennen. Dass es allein beim Schnupfen schon acht verschiedene Wörter sind, die in den Mund genommen werden können, wenn jemandem im Kreis Rottweil die Nase läuft, lässt die mundartliche Vielfalt erahnen.

Wer den „Kleinen Sprachatlas des Landreises Rottweil“ in die Hand nimmt, wird feststellen, dass es in den Dialekten des Kreises das eine oder andere Wort gibt, das einem Nicht-Sprachwissenschaftler schlichtweg unbekannt ist. So dürften die wenigsten Menschen wissen, dass man Kriesen tatsächlich essen kann und der Himmel über dem Kreis Rottweil auf fünf verschiedene sprachliche Arten blau ist.

Dabei geht es übrigens nicht nur darum, wie man „früher“ gesprochen hat. Angehörige der jüngeren Generation kamen für den „Kleinen Sprachatlas“ ebenfalls zu Wort; es hat sich gezeigt, dass es auch in deren Alltagssprache noch Dialekt-Elemente finden. Insgesamt ist für viele Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Rottweil ihre Mundart authentischer Ausdruck ihrer persönlichen Identität und zugleich der sprachliche Inbegriff ihres Heimatgefühls. So gesehen stellt der „Kleine Sprachatlas“ einen konstruktiven Beitrag zur Identitätsbildung auf Kreisebene und damit zur Stärkung des Kreisbewusstseins dar.

Andrea Schmider ist Pressesprecherin im Landratsamt Rottweil
Teilen