Barrierefreier Ausbau von Haltestellen an Kreisstraßen im Main-Tauber-Kreis
Aufgrund der Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) ist die Barrierefreiheit im Öffentlichen Personennahverkehr in den Nahverkehrsplänen so zu berücksichtigen, dass für die Nutzung des ÖPNV eine vollständige Barrierefreiheit erreicht wird. Das ÖPNV-Gesetz Baden-Württemberg gibt entsprechend vor, dass der Nahverkehrsplan Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen zur Verwirklichung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit im ÖPNV enthalten muss. Aufgrund der hohen Investitionskosten sowie planerischer und baulicher Kapazitätsengpässe ist dies nur durch eine schrittweise Umsetzung möglich.
Im Nahverkehrsplan des Main-Tauber-Kreises sind insgesamt 505 Bushaltstellen mit 925 Bussteigen erfasst. Diese wurden durch Gutachter in vier Kategorien hinsichtlich der Dringlichkeit des barrierefreien Ausbaus eingeteilt. Bei 23 Prozent der Haltestellen stellten die Gutachter einen notwendigen Ausbau fest, bei 43 Prozent einen nachrangigen Ausbau und bei 34 Prozent ist kein Ausbau erforderlich.
Gemäß den Empfehlungen des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (VRN) sind bei einem barrierefreien Ausbau taktile Leitsysteme für Sehbehinderte sowie ein erhöhter und speziell geformter Bordstein (in der Regel sogenannte „Kasseler Borde“) erforderlich. Diese auf mindestens 18 Zentimeter über der Fahrbahn erhöhten und besonders geformten Borde ermöglichen es den Busfahrern, den Bus sehr nahe an den Bordstein heranzufahren, so dass beispielsweise Rollstuhlfahrer oder andere körperlich eingeschränkte Fahrgäste, aber auch Fahrgäste mit Kinderwägen einen möglichst ebenen und damit ungehinderten Zugang in den Bus erhalten.
Der Kreistag des Main-Tauber-Kreises hat am 18. Juli 2018 die Mitfinanzierung des barrierefreien Ausbaus von innerörtlichen Bushaltestellen an Kreisstraßen beschlossen. Von 101 Bushaltestellen an Kreisstraßen sollen bis zum Jahr 2026 zunächst 64 Haltestellen in mehreren Bauabschnitten barrierefrei ausgebaut werden. 37 weitere Bushaltestellen wurden im Nahverkehrsplan als nachranging eingestuft und können daher ggf. zu einem späteren Zeitpunkt barrierefrei ausgebaut werden.
Gelegentlich auftretende Einwände seitens der Anwohner konnten bisher einvernehmlich gelöst werden. Allerdings können solche Einwände auch zu Verzögerungen und Mehrkosten beim Ausbau führen, unter anderem, da häufig mehrere Termine vor Ort erforderlich sind und ggf. jeweils die Planunterlagen geändert werden müssen. Die Einwände der Anwohner beziehen sich unter anderem auf den erhöhten Bordstein, der gelegentlich unmittelbar an Grundstückseinfahrten grenzt und somit gewohnte und liebgewonnene Fahrwege einschränkt. Teilweise müssen die Haltestellen im Zuge des Ausbaus verlegt werden, so dass einzelne Anwohner am neuen Standort Bedenken wegen Lärmbelästigung durch anfahrende Busse und wartende Schulkinder haben.
Zur anteiligen Finanzierung hat die Landkreisverwaltung beim Regierungspräsidium Stuttgart die Förderung nach dem Landesgemeindefinanzierungsgesetz (LGVFG) beantragt. Es handelt sich um eine Pauschalfinanzierung nach Höchstbeträgen. Die Fördersummen liegen in der Regel bei 75 Prozent der zuwendungsfähigen Baukosten sowie 10 bzw. 15 Prozent der Planungskosten. Die verbleibenden kommunalen Kostenanteile werden gemeinsam mit den jeweiligen Städten und Gemeinden aufgebracht. Hierzu werden vor der Ausschreibung der Baumaßnahmen Vereinbarungen mit den jeweiligen Städten und Gemeinden geschlossen. Grundsätzlich tragen gemäß dieser Vereinbarungen der Landkreis sowie die Städte und Gemeinden jeweils 50 Prozent der nach Abzug der Landesförderung verbleibenden Kosten.
Zur Umsetzung der Baumaßnahmen wurden in enger Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Fachämtern für ÖPNV und für Straßenbau mehrere Bauabschnitte gebildet. Der erste Bauabschnitt wurde 2020/2021 fertig gestellt. Das Ausschreibungsverfahren hierzu wurde durch das Kreisstraßenbauamt in Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro und dem Amt für Schulen und ÖPNV auf den Weg gebracht. Umgebaut wurden die Haltestellen Igersheim-Harthausen, Igersheim-Simmringen, Weikersheim-Bronn, Freudenberg-Boxtal, Freudenberg-Ebenheid, Lauda-Königshofen-Marbach, Lauda-Königshofen-Beckstein Linde, Wertheim-Kembach sowie Wertheim-Dietenhan. Die Gesamtkosten beliefen sich auf knapp 615.000 Euro.
Der derzeit laufende Umbau an den Haltestellen des zweiten Bauabschnittes 2023/24 wird voraussichtlich Anfang 2024 fertig gestellt. Ausgebaut werden die Haltestellen Bad Mergentheim-Lillstadt, Bad Mergentheim-Hachtel, Bad Mergentheim-Dörtel, Bad Mergentheim-Wachbach, Boxberg-Uiffingen, Boxberg-Epplingen, Igersheim-Holzbronn, Igersheim-Reckerstal, Lauda-Königshofen-Hofstetten, Lauda-Königshofen-Messelhausen, Wertheim-Sachsenhausen, Wertheim-Sonderriet, Tauberbischofsheim-Dienstadt sowie Tauberbischofsheim-Distelhausen. Die geschätzten Baukosten liegen bei 946.450 Euro.
Für die noch ausstehenden Haltestellen an Kreisstraßen hat der Landkreis die Aufnahme in das Förderprogramm des Landes 2023-2027 beantragt. Das Regierungspräsidium hat die Aufnahme bestätigt. Es können nun bis zum Ende des Jahres 2026 weitere Förderanträge für die noch fehlenden Haltestellen an Kreisstraßen eingereicht werden.
Mobilitätszentralen im Landkreis
Damit die Mobilitätswende gelingen kann, muss neben dem Verkehrs- und Tarifangebot auch das Informationsangebot für die Bürgerinnen und Bürger verbessert werden. Durch eine direkte, individuell passende und persönliche Form der Information kann über lokale Mobilitätsangebote informiert werden. Ziel der Landkreisverwaltung ist es, den Bürgerinnen und Bürgern je eine Anlaufstelle in Wertheim, Lauda und Bad Mergentheim anzubieten, also entlang der Taubertalachse. Aus diesem Grund hat sich die Landkreisverwaltung Ende 2020 an dem Förderaufruf „Innovationsoffensive Öffentliche Mobilität“ des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg beteiligt. Im August 2021 erhielt sie den positiven Förderbescheid für die Einrichtung und den Betrieb von Mobilitätszentralen in Lauda und Wertheim. Zuvor wurde bereits im Dezember 2019 eine Mobilitätszentrale in Bad Mergentheim in Betrieb genommen.
Bürgernähe durch Beratung vor Ort
Die Westfrankenbahn als Betreiberin der Mobilitätszentrale in der Kurstadt Bad Mergentheim, die Stadt Bad Mergentheim und der Main-Tauber-Kreis haben sich einen bedarfsorientierten, kontinuierlichen und kundenfreundlichen ÖPNV zum Ziel gesetzt und in diesem Zuge die vertraglich geforderten Öffnungszeiten des DB-Reisezentrums im Bahnhof ausgeweitet und eine entsprechende Finanzierungsvereinbarung auf den Weg gebracht.
Zu den Dienstleistungen von Mobilitätszentralen zählen klassische Aufgaben wie Fahrplan- und Tarifberatung sowie der entsprechende Fahrscheinverkauf, aber auch Taxi- und Ruftaxibuchungen oder Beratungsleistungen zum öffentlichen E-Auto- und E-Bike-Verleihsystem. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 nahm die erste Mobilitätszentrale im Main-Tauber-Kreis ihren Betrieb auf. Im Juni 2020 wurde das Dienstleistungsangebot um einen E-Auto- und E-Bike-Verleih erweitert.
Am 1. Dezember 2022 öffnete mit der Mobilitätszentrale im Bahnhof Wertheim die zweite Mobilitätszentrale ihre Pforten. Das Dienstleistungsangebot ist vergleichbar mit dem in Bad Mergentheim. Die Finanzierung des Gesamtangebots erfolgt über Zuschüsse der Großen Kreisstadt Wertheim und des Landkreises. Betreiber dieser Mobilitätszentrale ist ein ortsansässiges Taxi-Unternehmen.
Im Herbst 2023 wurden die Beschlüsse zur Einrichtung einer dritten Mobilitätszentrale im Bahnhof Lauda gefasst. Dort kreuzen sich die Tauber- und die Frankenbahn. Mit Betrieb dieser Einrichtung wird die Verkehrsgesellschaft Main-Tauber mbH (VGMT) betraut, eine 100-prozentige Landkreistochter. Die Mobilitätszentrale am Eisenbahn- und Busknoten Lauda soll noch im Frühjahr 2024 eröffnet werden. Auch hier werden dann neben den klassischen Aufgaben weitere Mobilitätsdienstleistungen angeboten.
Wenn alle drei Mobilitätszentralen eingerichtet sind, soll mittelfristig das E-Bike-Sharing ausgeweitet und von einem stationsbasierten System auf eine Art „free floating“-System umgestellt werden. Das bedeutet, dass man dann beispielsweise in Wertheim ein E-Bike ausleihen, den Fünf-Sterne-Radweg „Der Klassiker“ tauberaufwärts fahren und das E-Bike in Bad Mergentheim abgeben kann, um beispielsweise ganz bequem mit dem Zug weiterzureisen. Mit einem flächendeckenden Ausbau von E-Car-Sharing-Angeboten durch die regionalen Energieversorger, beispielsweise an ÖPNV-Verknüpfungspunkten im Landkreis, soll den Bürgern und Gewerbetreibenden der Zugang zur E-Mobilität erleichtert und das öffentliche Mobilitätsangebot um die Option der geteilten Mobilität erweitert werden. Hierzu arbeiten die Energieversorger ebenfalls eng mit den Städten und Gemeinden zusammen.
Das umfassende Mobilitätsangebot sowie der Betrieb von drei Mobilitätszentralen sind nur dank der Zusammenarbeit mit regionalen Verkehrsunternehmen, Vereinen, Stadtwerken und Fahrradhändlern sowie der dauerhaften Finanzierung durch den Landkreis und die jeweiligen Städte sowie durch Fördergelder des Landes Baden-Württemberg und des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar möglich.