Der Mitte November veröffentlichte Kurzbericht zum 6. Deutschen Freiwilligensurvey wurde von vielen mit Spannung erwartet. Er liefert wichtige Daten zur Lage und zur Entwicklung von Engagement und Ehrenamt in Deutschland und zeigt, dass der Anteil der Engagierten an der Bevölkerung mit rund 27 Millionen Engagierten trotz eines Rückgangs im Vergleich zur Erhebung von 2019 (rund 28.8 Mio.) nach wie vor auf einem hohen Niveau ist. Baden-Württemberg gehört mit einer Engagementquote von 40 % weiterhin zu den Spitzenreitern unter den Bundesländern und kann sich zu Recht als Ehrenamtsland bezeichnen. Jedoch weisen die Daten des aktuellen Freiwilligensurveys auf einen signifikanten Rückgang des Engagements in Baden-Württemberg im Vergleich zu 2019 hin (2019: 46,1 %). Zwar ist die Engagementquote in allen Bundesländern gesunken, bei den beiden Spitzenreitern der Vergangenheit, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, jedoch besonders deutlich. Man muss daher nun auf Ursachensuche gehen, bestehende Instrumente der Engagementförderung weiterentwickeln und sich die Frage stellen, wie Engagement und Ehrenamt heute und in Zukunft im Ländle wirkungsvoll gestärkt und unterstützt werden können.
Das Potential und die Gestaltungsbereitschaft in der Zivilgesellschaft sind in Baden-Württemberg groß. Das habe ich bei den Reichenauer Tagen zur Bürgergesellschaft gespürt oder bei einem Blick auf die vielen erfolgreichen Ehrenamtsprojekte, wie z.B. “Mitmachen Ehrensache”, die landesweit größte Jugendbeteiligungsaktion, die dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum gefeiert hat. Wenn man sich die Engagementpolitik in Baden-Württemberg anschaut, wird deutlich, dass die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung den Wert des bürgerschaftlichen Engagements für unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt erkannt haben. Baden-Württemberg war eines der ersten Bundesländer, die - unter Beteiligung von Engagierten und Ehrenamtlichen - eine eigene Engagementstrategie entwickelt haben, auf deren Grundlage vielfältige Maßnahmen umgesetzt wurden und werden, um Engagement und Ehrenamt zu stärken. Beispielhaft hierfür seien die Einführung einer landesweiten Ehrenamtskarte, das Förderprogramm “Gemeinsam engagiert in BW” und das Projekt “The Länd of Young Ehrenamt” genannt.
Die besondere Bedeutung der Kommunalen Engagementförderung
Hervorheben möchte ich ebenfalls die “Kommunalen Entwicklungsbausteine”, welche aus Landesmitteln gefördert werden und Kommunen bei der Entwicklung von Strukturen und Prozessen zur Stärkung des Engagements vor Ort unterstützen. Dieser Ansatz ist erfolgversprechend, denn ehrenamtliches Engagement findet vor allem auf lokaler Ebene statt. Der Wert von Ansprechpersonen in der Kommune für Engagierte kann nicht überschätzt werden. Sie kennen die Situation vor Ort, wissen, wohin sich Engagierte mit ihren Fragen wenden können und vermitteln auch innerhalb der Kommunalverwaltung an die richtige Stelle. Den Städten, Gemeinden und Landkreisen kommt daher bei der Unterstützung ihrer Ehrenamtlichen und Engagierten vor Ort eine besondere Bedeutung zu. Viele Mitarbeitende der Kommunalverwaltungen, Bürgermeisterinnen und -meister, Landrätinnen und Landräte wissen um den Wert dieses Engagements für die Zukunftsfähigkeit und das Zusammenleben in ihren Kommunen und unterstützen die Engagierten auf vielfältige Art und Weise. Die von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) geförderte Studie “Kommunale Engagementförderung” gibt Aufschluss darüber, wie genau das in Deutschland aussieht.
In der DSEE-Online-Seminarreihe #kommunalEngagiert konnten wir bereits die Erfahrungen aus Baden-Württemberg nutzen. Der Landkreis Konstanz hat mit vielen anderen Kommunen seine Erfahrungen geteilt, wie man als Kommune das Engagement junger Menschen durch Beteiligungsangebote beflügeln kann. Denn wenngleich viele Kommunen in Deutschland um den Wert des Engagements wissen: Immer wieder fehlt es an Know-How oder Inspiration, wie man als Kommune Ehrenamtliche unterstützen kann. Da setzt das DSEE-Programm #kommunalEngagiert an: Die DSEE bietet einen Raum zum Erfahrungsaustausch und Anregungen. Denn oft sind die kommunalen Ansprechpersonen für Engagierte in Kommunen - so denn diese Aufgabe überhaupt im Stellenprofil verankert ist - Einzelkämpferinnen und -kämpfer. In den Online-Seminaren stellen politisch Verantwortliche und kommunale Ehrenamtskoordinatorinnen und -koordinatoren regelmäßig gute Beispiele vor, die für die Teilnehmenden den Ausgangspunkt bilden, sich über die Situation bei sich vor Ort auszutauschen. In Ideenschmieden bieten wir zusätzlich die Möglichkeit, ausführlich die eigenen Projektideen im kleinen Kreis mit anderen Kommunen weiterzuentwickeln. In regelmäßigen Abständen wollen wir auch die Möglichkeit schaffen, diese Austauschformate in Präsenz zu ermöglichen. Den Auftakt hierfür bildete die Tagung #kommunalEngagiert im Mai 2025 in Halle (Saale), unter anderem in Partnerschaft mit dem Land Sachsen-Anhalt. Auch in Zukunft wollen wir mit Partnern auf Landesebene Präsenzveranstaltungen im Rahmen von #kommunalEngagiert durchführen.
Entbürokratisierung für das Ehrenamt
Ein wichtiger Impuls zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Ehrenamt in Deutschland kam vom Normenkontrollrat Baden-Württemberg. Dessen Studie zur „Entbürokratisierung bei Vereinen und Ehrenamt“ aus dem Jahr 2019 führt vor Augen, wie groß die Bürokratiebelastung von Vereinen und Initiativen des bürgerschaftlichen Engagements ist. Auf der Grundlage der Studienergebnisse konnten konkrete Entlastungsmöglichkeiten für das Ehrenamt identifiziert und Empfehlungen an den Gesetzgeber formuliert werden. Solche Impulse aus den Bundesländern sind sehr wichtig, auch für die Bundesebene und gerade bei solch einem sperrigen Thema.
Umso schöner, dass es in diesem Bereich auch auf Bundesebene vorangeht. Der 1. Teil des Zukunftspakts Ehrenamt - der im Koalitionsvertrag vereinbart ist - wurde im September auf Initiative von Dr. Christiane Schenderlein, Staatsministerin für Sport und Ehrenamt, im Bundeskabinett beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht u.a. vor, dass die Ehrenamtspauschale von 840 auf 960 Euro und die Übungsleiterpauschale von 3.000 auf 3.300 Euro pro Jahr steigen. Einhergehend damit soll die Haftungsprivilegierung für Ehrenamtliche auf einheitlich 3.300 Euro ausgeweitet werden. Darüber hinaus soll die Einnahmen-Grenze, ab der gemeinnützige Organisationen ihre Mittel zeitnah verwenden müssen, ausgeweitet werden – von derzeit 45.000 auf 100.000 Euro pro Jahr. Dies sind erste wichtige Schritte. Es gilt nun weitere Schritte zur Entlastung des Ehrenamtes folgen zu lassen.
Auf Bundesebene hat sich in den letzten Jahren tatsächlich einiges getan. Dr. Christiane Schenderlein hat im Mai 2025 ihre Arbeit als Staatsministerin für Sport und Ehrenamt aufgenommen. Diese im Bundeskanzleramt neu geschaffene Position ermöglicht es ihr, Themen von Sport und Ehrenamt direkt am Kabinettstisch der Bundesregierung zu platzieren. Das Bundeskabinett hat im Dezember 2024 die Engagementstrategie des Bundes beschlossen, die gute Anknüpfungspunkte zur Stärkung von Ehrenamt und Engagement bietet, auch auf Landesebene. Und nicht zuletzt hat die DSEE im Juli 2020 ihre Arbeit in Neustrelitz aufgenommen. Seitdem gibt es erstmals eine bundesweit tätige Anlaufstelle zur Förderung ehrenamtlichen Engagements.
5 Jahre DSEE
Seit mehr als fünf Jahren dürfen wir uns schon als Unterstützerin des Ehrenamts engagieren.
Hinter diesen Zahlen verbergen sich vielfältige Angebote zur Stärkung von Engagement und Ehrenamt in ganz Deutschland. Ein Schwerpunkt der DSEE liegt in der Stärkung des Engagements in strukturschwachen und ländlichen Regionen. Seit 2024 nimmt bspw. das ELSE – Netzwerk Sennfeld aus Adelsheim- Sennfeld (laut eigener Aussage ein kleines Dorf in „Badisch-Sibirien“), bestehend aus dem TV 1897 Sennfeld e.V. dem Heimatverein und den anderen Vereinen der Dorfgemeinschaft, am DSEE-Programm „Engagiertes Land“ teil. Die Engagierten des Netzwerks haben sich vorgenommen, Menschen zusammenzuführen und Projekte auf Grundlage einer Bürgerbeteiligung anzustoßen, z.B. werden die Projekte „Gegen Isolation und Einsamkeit“ und „Attraktives Fischbachtal“ mit Hilfe der Förderung durch die DSEE umgesetzt.
Der Ehrentag
Im kommenden Jahr wird es für Kommunen, Vereine, Organisationen und Initiativen eine neue Möglichkeit geben, ihrem Engagement bundesweit Sichtbarkeit zu verleihen. Demokratie lebt von Menschen, die mitmachen, Verantwortung übernehmen und unsere Gesellschaft mitgestalten. Gemeinsam mit der DSEE hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier deshalb den “Ehrentag” ins Leben gerufen. Der Tag steht unter dem Motto: „Für dich. Für uns. Für alle.“ und findet am 23. Mai 2026, dem 77. Geburtstag des Grundgesetzes, erstmalig statt. Gesellschaftliches Miteinander zu leben und zu feiern – das ist die Idee des Ehrentages. Zum Geburtstag unserer Verfassung im kommenden Jahr sind alle Menschen deutschlandweit eingeladen, eigene Aktionen umzusetzen, es geht ums Ausprobieren und Mitmachen. Auch Städte, Gemeinden und Landkreise können den Ehrentag als Multiplikator aktiv bewerben, selbst Aktionen umsetzen und den Ehrenamtlichen vor Ort unterstützend zur Seite stehen. Ich würde mich freuen, wenn die Landkreise, Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg und ihre Engagierten sich daran beteiligen würden.