Experiment im Zollernalbkreis

Die vorgezogene inklusive Lösung im SGB VIII

Im Zollernalbkreis wurde bereits im Jahr 2023 die inklusive Lösung im SGB VIII organisatorisch umgesetzt. Welche Erfahrungen das Team des Jugendamts gemacht hat - und welche Hinweise es geben kann.
Isabell Barth · Zollernalbkreis · 05. Juli 2024
Das Team der Eingliederungshilfe beim Jugendamt des Landratsamts Zollernalbkreis
Das Team der Eingliederungshilfe beim Jugendamt des Landratsamts Zollernalbkreis
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Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz vom Juni 2021 legt fest, dass – unter der Voraussetzung eines noch zu erlassenden Bundesgesetzes – ab dem Jahr 2028 alle Kinder und Jugendlichen im Bereich des SGB VIII, mithin also beim öffentlichen Träger der Jugendhilfe, verankert werden. Die Umstellung betrifft Kinder und Jugendliche mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung, oder die von einer solchen bedroht sind, da diese aktuell vom Sozialamt im Rahmen des SGB IX betreut werden.
 

Gute Vorbereitung nötig

Der Gedanke, im Zollernalbkreis bereits jetzt alle betroffenen Kinder und Jugendlichen organisatorisch im örtlichen Jugendamt zu verankern, resultiert aus dem Umstand, dass zum einen eine gute Vorbereitung auf das Jahr 2028 nötig ist und zum anderen die Versorgung von Kindern mit Behinderung oder solchen, die von einer Behinderung bedroht sind, am reibungslosesten von einer einzigen Stelle aus bewerkstelligt werden kann. Wenn zwei unterschiedliche Ämter beteiligt sind, kommt es naturgemäß zu unterschiedlichen Vorgehensweisen und zu zeitlichen Verzögerungen.
 

Eingliederungshilfe-Fachdienst gegründet

Daher hat das Landratsamt Zollernalbkreis das Experiment der vorgezogenen inklusiven Lösung gestartet. In den Sozialen Diensten wurde ein Eingliederungshilfe-Fachdienst gegründet, der sich ausschließlich um Kinder mit Behinderung bzw. um von Behinderung bedrohte Kinder kümmert. Dies hat den Vorteil, dass hier das Wissen gebündelt vorgehalten werden kann, da die Bearbeitung, die sich von der sonstigen SGB VIII-Bearbeitung deutlich unterscheidet, hier fokussiert erfolgen kann. Des Weiteren wurden die Bereiche der wirtschaftlichen Bearbeitung zusammengelegt. Dafür wurden vom örtlichen Sozialamt die jeweiligen Stellen zur Verfügung gestellt, die in die Verantwortung des Jugendamtes übergingen.

Annika Franke vom Team der Eingliederungshilfe
Annika Franke vom Team der Eingliederungshilfe
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Diese Umstellung liegt nunmehr rund ein Jahr zurück. Diese Erfahrungen konnten seitdem gesammelt werden:

Aus pädagogischer Sicht ist es auf der einen Seite sehr sinnvoll, einen Spezialdienst der Eingliederungshilfe einzurichten. Hier muss Spezialwissen vorgehalten werden, das sich stark von den sonstigen Aufgaben und Inhalten des SGB VIII unterscheidet. Bezüglich der Bedarfsfeststellung ist es aber auf der anderen Seite zwingend notwendig, eine gute gemeinsame Linie der rechtlichen Voraussetzungen und rechtlichen Instrumente zu finden, da die beiden Systeme des SGB VIII und SGB IX nur sehr wenig kompatibel sind.

Zudem ist es relevant zu beachten, dass die Anzahl der Anträge auf Eingliederungshilfe – unabhängig vom Gesetzbuch – im Laufe der vergangenen Jahre sehr stark gestiegen ist und weiterhin steigen wird. Deswegen müssen genügend Personalressourcen vorgehalten werden, um die Aufgabe auch inhaltlich und rechtlich fundiert wahrnehmen zu können.

Des Weiteren ergeben sich speziell im „Verwaltungsbereich“ erhebliche Probleme damit, dass die Fachverfahren sehr auf die einzelnen Rechtsgebiete spezialisiert sind, sodass sehr große Klimmzüge unternommen werden müssen, um die Fälle überhaupt zahlbar zu machen, Statistiken melden zu können, etc. Dies stellt die Sachbearbeiter regelmäßig vor große Herausforderungen.

Sehr wichtig ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt und dem Sozialamt – ist diese nicht gegeben, ist eine Überführung in eine Organisationseinheit nicht möglich, weder jetzt noch im Jahr 2028.

Vor diesem Hintergrund können wir in unserem Kreis folgendes Fazit ziehen:

Es ist pädagogisch und auch rechtlich richtig, alle Kinder und Jugendlichen unabhängig der Art der Behinderung einer einzigen Organisationseinheit zuzuordnen. Dass diese das Jugendamt sein wird, ist inhaltlich richtig. Jedoch ist es noch ein weiter Weg, um hier reibungslose Abläufe aufzubauen und die unterschiedlichen Systeme und Denkmuster zu vereinheitlichen.

Isabell Barth ist Leiterin des Jugendamts im Landratsamt Zollernalbkreis
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