Moderne Verwaltung

Mit Mut und Haltung die Verwaltung von Morgen gestalten

Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen, die auch vor der Verwaltung nicht Halt machen. In dieser Gemengelage reicht es nicht mehr, sich auf festgefahrene Prozesse zu verlassen. Gefragt ist eine moderne Verwaltung, die mutig und mit klarer Haltung neue Wege geht, lösungsorientiert handelt, schnelle Entscheidungen trifft – und dabei offen mit Fehlern umgeht.
Jörg Krauss · Staatsministerium Baden-Württemberg · 04. Juli 2025
Jörg Krauss, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei
Jörg Krauss, Staatsminister und Chef der Staatskanzlei
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Lösungsorientiertes Handeln beginnt in der Verwaltung mit einem Perspektivwechsel. Weg von der Frage „Was dürfen wir?“ – hin zu „Was brauchen die Menschen, für die wir tagtäglich arbeiten?“. Das heißt nicht, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen, sondern vielmehr, innerhalb bestehender Regelwerke nach neuen Wegen zu suchen, um Probleme konkret zu lösen. Die Kolleginnen und Kollegen treten als Ermöglicher auf. Wir denken nicht in Problemen, sondern in Möglichkeiten. Diese Haltung verändert nicht nur die Arbeit in den Fachbereichen der verschiedenen Ebenen, sondern auch die Wirkung nach außen. Eine Verwaltung, die lösungsorientiert arbeitet, gewinnt Vertrauen – weil sie sichtbar handelt und nicht nur um ihrer selbst willen verwaltet.

Baden-Württemberg hat diesen Veränderungsprozess in der Landesverwaltung angestoßen. Welche Früchte eine innovative Arbeitsweise in unseren Behörden schon konkret trägt, zeigt auch das Beispiel von F13, unserer KI-basierten Assistenz für den Behördenalltag. Mit ihr ist uns ein bundesweit viel beachteter Erfolg gelungen: F13 war die erste deutsche souveräne Verwaltungs-KI und steht seit Herbst 2024 flächendeckend allen Landesministerien und Regierungspräsidien zur Verfügung.

Doch digitale Tools und Lösungsorientierung allein reichen nicht aus. Es braucht gleichermaßen die Fähigkeit und den Willen, Entscheidungen zügig zu treffen. Nach wie vor ist die Sorge vor Fehlern groß – mit der Folge, dass Entscheidungen vertagt oder durch langwierige Abstimmungsprozesse verzögert werden. Eine moderne Verwaltung braucht daher Mut zur Verantwortungsübernahme, auch unter Unsicherheit. Nicht alles lässt sich im Vorfeld planen und absichern. Umso wichtiger ist es, Prioritäten zu setzen, Verantwortung zu übernehmen und pragmatisch zu handeln. Dabei spielen nicht zuletzt die Führungskräfte eine gewichtige Rolle. Sie stärken diese Vorgehensweisen und die damit verbundenen Eigenschaften bei ihren Mitarbeitenden und gehen selbst mit gutem Beispiel voran.

Dabei erlauben wir uns auch, zu scheitern und lernen aus Fehlern. Denn auch Verwaltungen sind lernende Organisationen. Fehler werden oft als Schwächen ausgelegt – besonders in der öffentlichen Wahrnehmung. Klar ist jedoch: Wer einen Wandel möchte, muss Raum für experimentelle Ansätze schaffen. Fehler sind unvermeidlich, wenn Neues gewagt wird. Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht: Wie vermeiden wir jeden Fehler? Sondern: Wie gehen wir mit Fehlern um, damit wir aus ihnen lernen und besser werden? Eine positive Fehlerkultur ist ebenso wie ein guter Führungsstil der Schlüssel dafür, dass die Transformation der Verwaltung gelingt – bei allen Akteuren bis in die Tiefen der Strukturen.

So entsteht ein lebendiges Labor für den Bürokratieabbau, den wir nicht zuletzt mit unserer Entlastungsallianz für Baden-Württemberg angehen. In diesem Zusammenhang sollte auch auf das Thema Kommunikation eingegangen werden. Moderne Verwaltung bedeutet, mit einer Stimme zu sprechen – sowohl nach innen als auch nach außen. Gerade in komplexen Organisationen ist das keine triviale Angelegenheit. Unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen verschiedenen Stellen müssen intern geklärt werden, am Ende braucht es eine Entscheidung. Denn widersprüchliche Bescheide an Bürgerinnen und Bürger oder an Unternehmen untergraben das Vertrauen in den Staat.

Die Transformation der Verwaltung ist jedoch keine Einbahnstraße. Eine moderne Verwaltung und der Bürokratieabbau sind gleichzeitig untrennbar mit einem Mentalitätswandel in der Bevölkerung verbunden. In Deutschland herrscht ein tief verankertes Bedürfnis nach Einzelfallgerechtigkeit. Jeder Fall soll individuell betrachtet, jeder Sonderfall berücksichtigt, jede Abweichung möglich gemacht werden. Dieser Anspruch ist nachvollziehbar. Aber er hat auch seinen Preis: Verfahren werden dadurch komplizierter, aufwendiger und fehleranfälliger. Wer echte Entbürokratisierung will, muss bereit sein, allgemeine Regeln zu akzeptieren, auch wenn sie im Einzelfall mal nicht perfekt passen. Es braucht ein neues gesellschaftliches Verständnis: dass gleiche Regeln für alle nicht Ausdruck von Ignoranz, sondern von Fairness und Effizienz sind. Das heißt nicht, dass Politik und Verwaltung aufhören, zu gestalten. Das Gegenteil ist der Fall. Schließlich ist Innovation ein fester Bestandteil der DNA unseres Landes, auch auf dem Weg in die Zukunft der Verwaltung.

Am Ende laufen all diese Aspekte auf einen zentralen Begriff hinaus: Mut. Mut, neue Wege zu gehen, bestehende Prozesse und Abläufe zu hinterfragen, Verantwortung zu übernehmen – auch für schwierige Entscheidungen. Moderne Verwaltung ist kein Zustand, den man einmal erreicht und dann weiter verwaltet. Sie ist ein fortlaufender Prozess, getragen, so erlebe ich es bei meiner täglichen Arbeit, von Menschen mit Haltung, Offenheit und Engagement. Wenn es gelingt, Lösungsorientierung, Entscheidungsfreude, eine positive Fehlerkultur und klare Kommunikation zu vereinen, dann wird die Verwaltung nicht nur effizienter und moderner – sondern auch menschlicher, glaubwürdiger und damit am Ende zukunftsfähiger.

Jörg Krauss ist Staatsminister im Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten und Chef der Staatskanzlei
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