Die Zukunft kommunaler IT

Quo vadis? Der Weg der Verwaltungsdigitalisierung in Baden-Württemberg

Aktuell ist Deutschland in der Digitalisierung noch weit abgeschlagen und die Erwartungen an das neu geschaffene Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) sind hoch, an erster Stelle die „Neuordnung, Zentralisierung und Bündelung von Aufgaben im Föderalstaat für eine Ertüchtigung der Staats- und Verwaltungsstrukturen“. Was bedeutet das aber konkret für die Situation der kommunalen IT in Baden-Württemberg?
William Schmitt · Komm.ONE AöR · 04. Juli 2025
William Schmitt, Vorstandsvorsitzender Komm.ONE AöR
William Schmitt, Vorstandsvorsitzender Komm.ONE AöR
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Das Bundeskabinett hat am 28.05.2025 die frühestmögliche Einleitung des Gesetzgebungsverfahren über die Errichtung, den Betrieb und die Weiterentwicklung des Nationalen Once-Only-Technical-Systems (NOOTS) beschlossen. Der verantwortliche Staatssekretär des BMDS, Dr. Markus Richter, betonte am selben Tag in der entsprechenden Pressemitteilung, dass es jetzt an Bund und Ländern sei, sich mit ihren Datentöpfen an das NOOTS anzuschließen, das neben der ID-Nummer und dem Datenschutzcockpit die dritte Säule der Registermodernisierung bildet.

Mit dem zu erwartenden Gesetzesbeschluss zur Registermodernisierung werden auch mehrere Vorgaben des Onlinezugangsgesetz 2.0 (OZG 2.0) vorangetrieben, sind die beiden Themen doch unmittelbar miteinander verknüpft.

Für die bereits Ende 2024 im Rahmen eines gemeinsamen Strategieprozesses beschlossene Neuausrichtung der kommunalen IT in Baden-Württemberg von zentraler Bedeutung waren in diesem Zusammenhang aus Sicht aller Beteiligten u.a. die folgenden Aspekte:

  • Der Bund wird zukünftig verbindliche Standards und einheitliche Schnittstellen für die OZG-Umsetzung vorgeben.
  • Die Ende-zu-Ende-Digitalisierung wird zum Standard für alle wesentlichen Verwaltungsdienstleistungen erhoben.
  • Das Once-Only-Prinzip wird verbindlich, die Vernetzung von Verfahren und Dienstleistungen ist damit verbindliche Vorgabe.

Der daraus resultierende Handlungsdruck auf die Länder und Kommunen führt bereits seit längerem bundesweit zu Konsolidierungswellen. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl kommunaler Rechenzentren sich deutlich reduzieren bzw. ihre Aufgabenschwerpunkte sich gravierend verändern werden.

Unbestritten bildet die kommunale IT einen digitalen Schlüsselfaktor für die Verwaltungsdigitalisierung, denn der größte Teil der bürgerorientierten Verwaltungsleistungen wird – mit dem damit einhergehenden Datenvolumen - in den Kommunen erbracht, von denen der Großteil weniger als 5.000 Einwohner hat. Gleichwohl sind die kommunalen Interessen und Belange bislang auf Bundesebene nicht systemisch vertreten.

Mit der im Dezember 2024 beschlossenen strategischen Neuausrichtung der Komm.ONE bis 2029 zur innovativen und zentralen Service- und Informationsproviderin für die Kommunen, ihre Bürgerinnen und Bürger und die öffentliche Verwaltung wurden deshalb in Baden-Württemberg die formalen Voraussetzungen geschaffen, um den erforderlichen Paradigmenwechsel mitgestalten zu können.

Übergeordnetes Ziel der neuen „Strategie 2029“ ist, auch zukünftig flächendeckend alle Kommunen und die öffentliche Verwaltung zu markt- und wettbewerbsfähigen Preisen mit standardisierten Produkten und Services aus der Cloud zu versorgen. Zentrale Rahmenbedingungen sind die Standardisierung, die Modularität, die Interoperabilität und die Offenheit der genutzten IT-Lösungen, mit denen die Ende-zu-Ende-Digitalisierung realisiert wird. Genauso wichtig ist es dafür aus Sicht aller Beteiligten, in ausgewählten Bereichen aktiv bei der Gestaltung bundesweiter Entwicklungen mitwirken, denn nur, wer sich zu Wort meldet, kann auch gehört werden.

Die Transformation zur digitalen Verwaltung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die einer Bündelung der vorhandenen Kräfte und eine enge und dauerhafte partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligten erfordert, so das gemeinsam zugrunde gelegte Verständnis der baden-württembergischen Kommunen, ihre drei Landesverbände, des Gemeinde-, Städte- und Landkreistages, des Landes und der Komm.ONE. Vertrauen, Zukunftsorientierung, Verlässlichkeit und Partnerschaft sind das erklärte Fundament dieser Zusammenarbeit als konsequente Antwort auf die drängenden Herausforderungen.
 

Erfolgsfaktor „Technik“

Die technische Vernetzung der Datenbestände und Prozesse ist eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die Registermodernisierung und die Umsetzung des OZG 2.0 wie für die Verwaltungsdigitalisierung schlechthin. Sie erfordert – ebenso wie die digitale Transformation selbst - ein langfristig angelegtes und finanziell gesichertes Zielbild, in dessen Entwicklung alle Verwaltungsebenen einbezogen werden müssen. Eine flächendeckende Digitalisierung erfordert eine bedarfsgerechte lokale Direktunterstützung. Die flächendeckende, nachhaltige und innovative Digitalisierung der Kommunalverwaltung muss deshalb als eigenständiger Bereich in den Agenden von Bund und Ländern verankert und aktiv mitgedacht werden. Die Einbindung der Kommunen in die Entscheidungsprozesse ebenso wie die ihrer Spitzenverbände und kommunalen IT-Dienstleister ist in Konsequenz, ganz nüchtern betrachtet, schlichtweg eine zwingende Notwendigkeit, wenn es um zielorientierte dauerhafte technische Lösungen geht.

„Empfehlungen für Baden-Württemberg“

  • Schaffung von einheitlichen Standards für interoperable Lösungen und Antrags-Plattformen.
  • Verknüpfung der bestehenden Plattformen zur Vernetzung der bereits bestehenden mit neuen Angeboten.
  • Vollständige cloudbasierte Ende-zu-Ende-Digitalisierung von bereits angebotenen und neuen Services und Verfahren.
  • Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Befürwortung von mehreren interoperablen Antragsplattformen auf Bundesebene. (Rahmen durch den Bund, eigenständige Umsetzung durch die Länder.)

Erfolgsfaktor „Governance“

Viele Köche verderben den Brei - so ein altes Sprichwort. Um die effektive Erstellung von Onlineprozessen behördenübergreifend zu ermöglichen, ist stattdessen die zentrale Steuerung der gesamten Leistungskette notwendig, indem die digitalen Kompetenzen mit der notwendigen Budgethoheit und klaren Kompetenzen gebündelt werden. Dies bedeutet auch, die dafür notwendige Kompromissbereitschaft zu entwickeln und zu leben. Denn neben einer überbordenden Bürokratie war bislang vor allem der Kompetenzdschungel über alle Verwaltungsebenen hinweg ein zentraler Treiber, der zu immer mehr Insellösungen und Bürgerverdruss statt zu Standardisierung und Durchgängigkeit führte und einer schnelleren durchgängigen Digitalisierung im Wege stand. 

Mit Blick auf das gemeinsame Ziel geht es jetzt darum, klare Leitplanken für die Konsolidierung und Priorisierung von einheitlichen IT-Architektur-Standards, Schnittstellen und Systemen zu setzen, denn eine stringente Governance steigert die Effizienz in Bezug auf Zeit und Kosten. Prinzipien wie „Digital-Only“, „Once-Only“ und „Ende-zu-Ende-Digitalisierung“ müssen konsequent umgesetzt werden. Mehrfachstrukturen müssen ebenso vermieden werden wie eine übermäßige Regelungsbreite, gleichzeitig muss die partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe sichergestellt sein. 

Auf Bundesebene findet dieser Ansatz seinen Ausdruck im zweiten Ziel des BMDS, „der modernen und wirkungsorientierten Zusammenarbeit in der Bundesverwaltung mit zentraler Steuerung und Wahrnehmung von Aufgaben und zukunftsorientiertem Personalmanagement“. Auf Ebene der Länder und der Kommunen ist die Schaffung analoger Strukturen essentiell und in Baden-Württemberg mit der Komm.ONE als zentrale Ansprechpartnerin für die digitale Transformation der kommunalen Verwaltung bereits teilweise realisiert. In den kommenden ein bis zwei Jahren wird es vor allem darauf ankommen, die geschaffenen Grundlagen zu festigen und zu ergänzen. 

„Empfehlungen für Baden-Württemberg“

  • Bündelung der digitalen Kompetenzen auf Landesseite mit der Budgethoheit und klaren Kompetenzen in einem Ministerium, z.B. Innenministerium, Finanzministerium oder auch in einem eigenen Digitalministerium.
  • Bündelung der kommunalen Aufgaben im Rahmen der digitalen Transformation bei der Komm.ONE.
  • Partnerschaftliche Zusammenarbeit der Landes-IT und der Komm.ONE auf Augenhöhe.

Erfolgsfaktor „Finanzierung“

Aber zu häufig ist in den letzten Jahren der Fortschritt an einer mangel- und lückenhaften Finanzierung gescheitert, die sich an Amts- und Haushaltsperioden orientiert hat und nicht an tatsächlichen Notwendigkeiten. Die Digitalisierung ist nicht nur gekommen, um zu bleiben, von ihr wird die notwendige Effizienz und Effektivität, um den Fachkräftemangel der kommenden Jahre zu kompensieren und die gesetzliche Daseinsvorsorge zu sichern.

Die Einrichtung einer dauerhaften Finanzierung ist deshalb essenziell. Eine verpflichtende Finanzierungsbeteiligung aller föderalen Ebenen gewährleistet die langfristige Absicherung der Projekte und sollte durch ein Sondervermögen ergänzt werden. Für das Erreichen der Digitalisierungsziele ist eine verlässliche und aufgabengerechte Ausstattung der Umsetzungsprojekte mit ausreichenden finanziellen, infrastrukturellen und personellen Ressourcen sowie entsprechendem Know-how auf Länderebene unerlässlich.

„Empfehlungen für Baden-Württemberg“

  • Schaffung einer längerfristigen/dauerhaften Finanzierungssicherheit für Digitalisierungsvorhaben.
  • Gleicher Umgang mit IT-Projekten in Baden-Württemberg wie auf Bundesebene.

Vorläufiges Fazit und Ausblick

Baden-Württemberg ist nach der ersten Konsolidierung im Jahr 2018 mit der Ende 2024 beschlossenen strategischen Weiterentwicklung der kommunalen IT ohne Frage auf dem richtigen Weg, ein Selbstläufer und Garant für die Zukunft sind die bisherigen Erfolge aber nicht.

Zum einen erfordert die neue Strategie eine Transformation der Komm.ONE im laufenden Betrieb von der IT-Dienstleisterin zur Service- und Informationsbrokerin, während gleichzeitig der Handlungs- und Leidensdruck in den Kommunen immer weiter zunimmt. Entsprechend braucht es Augenmaß, Beharrlichkeit, Kompromissbereitschaft und Konsequenz, um in den nächsten Jahren den Weg gemeinsam zu gestalten.

Erfolgreiche Projekte wie die Einführung des „Virtuellen Amtes“, die Umsetzung und Einführung des Bundesportals iKfz – Stufe 4, der Start des Komm.UNITY-Verwaltungsportals mit der Gesundheitscloud zur digitalen Transformation des Öffentlichen Gesundheitsdienstes oder die Einführung der elektronischen Wohnsitzanmeldung zeigen, welche Potenziale mit dem Brokerage-Ansatz und einer zentralen Steuerung für die Kommunen gehoben werden können.

Die bevorstehenden Veränderungen im Registerverfahren zeigen beispielhaft, wie notwendig diese Kompetenzen für eine flächendeckende und wirtschaftliche Digitalisierung sind, werden zukünftig doch immer mehr Kernelemente bestehender und neuer Lösungen im Brokerage-Verfahren bezogen werden müssen.

Sechs abschließende Empfehlungen

  • Das bedingungslose Bekenntnis zur durchgängigen, standardisierten, ebenen- und ressortübergreifenden Digitalisierung der Verwaltung.
  • Die frühzeitige Einbindung der kommunalen Seite in alle strategischen Entscheidungsprozesse zur Digitalisierung und zum Bürokratieabbau.
  • Die durchgängige und dauerhafte Finanzierungssicherheit für die Digitalisierung. Vorhandene Ressourcen müssen gebündelt werden.
  • Die einheitliche Steuerung mit klarer Aufgabenverteilung und eine koordinierte Governance mit rechtsverbindlichen Standards.
  • Die standardisierte durchgängige digitale Zusammenarbeit aller Verwaltungsebenen auf Basis einheitlicher Standards.
  • Die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen an die neuen Herausforderungen.
William Schmitt ist Vorstandsvorsitzender von Komm.ONE AöR
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