Bericht vom Vortrag von Martin Schallbruch, CEO von govdigital

"Agilität und Resilienz – Zur Zukunft digitaler Verwaltung"

Den zweiten Teil der Landkreisversammlung eröffnete Martin Schallbruch, CEO der govdigital, durch einen Impulsvortrag.
Michael Schlichenmaier , Ariane Krüger · Landkreistag Baden-Württemberg · 24. Oktober 2022
Martin Schallbruch, CEO von govdigital
Martin Schallbruch, CEO von govdigital
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Govdigital ist eine Genossenschaft der öffentlichen IT-Dienstleister in Deutschland, die das Ziel verfolgt, innovative IT-Lösungen im öffentlichen Sektor in die Fläche zu bringen. Zu den 24 Mitgliedern der govdigital zählen auch die beiden baden-württembergischen öffentlichen IT-Dienstleisterinnen Komm.ONE und BITBW.

Zu Beginn hat Herr Schallbruch daher die govdigital kurz vorgestellt. Er betonte, dass Projekte der Genossenschaft nicht zwingend das Zusammenwirken aller Mitglieder erfordern. Das erleichtere das Zusammenfinden von Gruppen zur Umsetzung einzelner Projekte. Die Rechtsform als Genossenschaft ermögliche es zudem mit Inhouse-Vergaben zwischen den Mitgliedern der Genossenschaft leichter zu agieren.

Als erstes Schwerpunktthema widmete er sich der Cybersicherheit. Die Ukraine sei seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 bereits wiederholt Opfer russischer Cyberattacken geworden. Und auch in Deutschland habe es in den vergangenen Jahren immer wieder Fälle von Hackerangriffen gegeben. Die beiden bekanntesten Fälle seien der Angriff im Jahr 2015 auf den Deutschen Bundestag sowie der Angriff auf die Partei der Grünen von diesem Jahr. Es gebe aber auch eine Fülle an Angriffen auf Kommunen – bekannt geworden sind 18 Fälle, es ist aber von einer weit höheren Zahl auszugehen. In den meisten Fällen handele es sich um Ransomware-Attacken. Ziel müsse es sein, die digitale Verwaltung in Deutschland so aufzustellen, dass sie schnell und flexibel auf solche Situationen reagieren könne – und das trotz der schwierigen demographischen Entwicklung.

Denn auch der Arbeitskräftemangel im öffentlichen Dienst nehme stetig weiter zu. Eine Studie der Unternehmensberatung pwc habe errechnet, dass bis zum Jahr 2030 der Fachkräftemangel in den öffentlichen Verwaltungen in Deutschland auf bis zu 1 Million ansteigen dürfte. Deshalb brauche es nicht nur eine agile und flexible Verwaltung, sondern auch eine, die künftig wohl mit weniger Menschen auskommen müsse.

Um das bewerkstelligen zu können, nannte er zwei Lösungsansätze. Einen organisatorischen Ansatz und einen technischen Ansatz. So sei ein zentraler Baustein eine bessere Arbeitsteilung. Es müsse aufhören, dass unendlich oft in Deutschland an verschiedenen Stellen vergleichbare Lösungen für dieselben Probleme entwickelt werden.

Ein Beispiel für eine solche Arbeitsteilung sei das „Eine für Alle“-Prinzip im Kontext der Onlinedienstleistungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Die Länder haben untereinander aufgeteilt, wer konkret welche Verwaltungsleistung digitalentwickelt, die dann anschließend in Form der sogenannten „Nachnutzung“ allen anderen Ländern zur Verfügung gestellt werden. Problematisch sei, dass das an sich gute Prinzip hoch bürokratisiert sei und damit leider auch sehr kompliziert. Deshalb habe die govdigital vom IT-Planungsrat den Auftrag erhalten, einen digitalen Marktplatz für diese OZG-Leistungen zu entwickeln, auf den alle entwickelten Online-Verwaltungsleistungen eingestellt werden. Das Ziel des Projekts vom digitalen Marktplatz, welches bereits Ende 2022 abgeschlossen sein soll, ist es, Bürokratie und Komplexität soweit wie irgend möglich zu reduzieren. Am Ende soll auf diesem Weg jedem kommunalen IT-Dienstleister ermöglicht werden, seinen Kommunen alle dort eingestellten Leistungen anbieten zu können. Ein vergleichbares Projekt sei zudem auch für Sicherheitsleistungen (Cybersecurity-Services für Kommunen) geplant.

Ein weiterer Lösungsansatz, um in Zukunft in Verwaltungen effizienter arbeiten zu können, sei das Thema „Cloud“. Ein zentraler Unterschied mit der Arbeit in der Cloud sei ein verändertes Liefermodell. Services aus der Cloud zu nutzen, hieße in der Regel, nur noch für das zu bezahlen, was auch tatsächlich genutzt wird. Zudem ergebe sich hierdurch mehr Standardisierung, wodurch sich leichter neue Lösungen einführen lassen. Cloud bedeute aber auch, nicht mehr zwingend die notwendige Infrastruktur vor Ort vorhalten zu müssen. Es gebe bereits heute govdigital-Mitglieder die sagen, sie wollen in 10 Jahren kein eigenes Rechenzentrum mehr haben.

Dem müsse man sich zwangsläufig stellen, weil neue Softwarelösungen meist nur noch als „Cloud-Lösung“ angeboten werden. Und wenn man diesen Prozess jetzt nicht aktiv gestaltet, werden dies andere tun, was die öffentliche Hand am Ende ein großes Stück Souveränität kosten würde.

Schallbruch sei bewusst, dass Cloud immer danach klinge, dass die eigenen Daten irgendwo auf der Welt liegen, worunter die Datensicherheit leide. Tatsächlich sei jedoch das Gegenteil der Fall. Die schwerwiegenden Sicherheitsvorfälle, die bekannt geworden sind, würden auf Schwachstellen beruhen, die zwar in der Regel bekannt sind, aber eben noch nicht überall beseitigt (=gepatcht). Beim Cloudanbieter werde hingegen jeden Tag gepatcht, was die Sicherheit insgesamt deutlich steigere.

Govdigital wolle deshalb gemeinsam mit dem IT-Planungsrat den Aufbau einer Verwaltungscloud unterstützen, die in jedem Teil der öffentlichen Verwaltung genutzt werden kann.

Am Ende solle die Verwaltung stärker aufgestellt sein. Stärker heiße: digital sicherer unterwegs, agiler, schneller auf Krisen reagieren können und resilienter sein, um in jeder Situation die beste Leistung für die Bürgerinnen und Bürger bieten zu können.

Michael Schlichenmaier leitet die Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Landkreistag Baden-Württemberg , Ariane Krüger leitet die Stabsstelle Digitalisierung beim Landkreistag Baden-Württemberg
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