KI und Prozessmanagement bieten smarte Lösungen

Digital im Jobcenter Ostalbkreis

Hauptaufgaben des Jobcenter Ostalbkreis sind die Gewährung der Grundsicherung für hilfebedürftige und erwerbsfähige Menschen und deren Integration in Arbeit und Ausbildung. Möglichkeiten, die die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung bieten, werden stetig genutzt, um komplexe Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. Ziel ist es, mehr Kapazitäten für die Kundenberatung und Unterstützung zu schaffen.
Benjamin Schön · Ostalbkreis · 11. April 2025
Vorstellung der Jobcenter-App: V. r.: Jobcenter-Geschäftsführer Albert Köble, Systembetreuer Benjamin Schön, Philipp Priemer und Vadim Mitin von Mountain IT Services & Security in Aalen
Vorstellung der Jobcenter-App: V. r.: Jobcenter-Geschäftsführer Albert Köble, Systembetreuer Benjamin Schön, Philipp Priemer und Vadim Mitin von Mountain IT Services & Security in Aalen
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Die Anfänge

Das Jobcenter Ostalbkreis ist seit 2012 ein kommunales Jobcenter. Digitale Arbeitsweisen und Digitalisierung im Allgemeinen wurden von Beginn an mitgedacht und umgesetzt. Die Migration in ein neues Fachverfahren zu Beginn der Zeit als Kommunales Jobcenter, die Einführung eines digitalen Postausgangs zur Verbesserung der Arbeitseffizienz und die Entscheidung, 2014 mit dem Umzug in ein neues Bürogebäude auf die elektronische Akte zu setzen, zeigen die digitalen Bestrebungen des Jobcenters von Anfang an auf.

Die Einbeziehung der Mitarbeitenden in verschiedene Arbeitsgruppen für bestmögliche Prozesse, aber auch die Offenheit, digitale Lösungen früh auszuprobieren, sind auch ein Jahrzehnt später die Wege, um die interne Effizienz und Zusammenarbeit hochzuhalten.

Heute sind der Einsatz von elektronischer Akte und digitalem Postausgang nicht mehr aus dem Arbeitsalltag wegzudenken. Gerade während der COVID-19-Pandemie konnte aus den jahrelangen Erfahrungen großer Mehrwert generiert werden. Während der ersten Vorsichtsmaßnahmen und des Lockdowns im Frühjahr 2020 konnte die tägliche Arbeit im Jobcenter ohne größere Herausforderungen in ein hybrides Modell umgebaut werden – das Arbeiten im Homeoffice ist seitdem in den Arbeitsmodellen verankert.

Screenshot der Jobcenter-App
Screenshot der Jobcenter-App
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Das Onlinezugangsgesetz und der INDILAKO „KoJo“ – ein Startschuss für viele Ideen

2017 wurde vom Deutschen Bundestag das Onlinezugangsgesetz (OZG) beschlossen, welches den Landkreisen und Kommunen die Aufgabe übertrug, bis zum 31.12.2022 Verwaltungsleistungen digital anzubieten. Diese gesetzliche Vorgabe ließ auch die Überlegungen des Jobcenters Ostalbkreis zum zukünftigen digitalen Angebot für Kundinnen und Kunden weiter gedeihen. In der Arbeitsgemeinschaft Kommunale Jobcenter des Landkreistags Baden-Württemberg wurde von den Führungskräften der Kommunalen Jobcenter in Baden-Württemberg eine gemeinsame Vision für die Umsetzung des OZG erstellt. Die Idee, eine gemeinsame digitale Plattform mit digitalen Anträgen, Kommunikationsmöglichkeiten zu den Kundinnen und Kunden der Jobcenter und für alle zugänglichen Informationen zu erstellen, führte zu einer INDILAKO (Initiative Digitale Landkreiskonvois) des Landkreistags unter dessen struktureller Führung. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der elf Kommunalen Jobcenter, des Landkreistags Baden-Württemberg und der Komm.ONE brachte viele interessante Perspektiven und Ideen auf den Plan, sodass die gemeinsame Vision verfeinert werden konnte. Aufgrund vielfacher Entwicklungen im Bereich von Online-Anträgen und digitalen Service-Angeboten – im sozialen Bereich vor allem die bundesweite Einer-für-Alle-Leistung (EfA) der Sozialplattform – wurde der INDILAKO ohne finales Produkt im Jahr 2022 auf Eis gelegt. Die gemeinsam erarbeiteten Ideen waren jedoch das Grundgerüst für viele zukünftige Projekte.

Heute hat das Jobcenter Ostalbkreis digitale Anträge und Lösungen für den Bürgergeldantrag, Weiterbewilligungsantrag, Einmalige Leistungen und Darlehen, Bildung und Teilhabe Leistungen sowie die Einreichung von Krankmeldungen und Mitteilung von Nichterreichbarkeiten im Einsatz.
 

 „Mein Jobcenter Ostalbkreis“ – wohin geht die digitale Reise

Das OZG und der INDILAKO brachten den Wunsch nach einem kompakten Informationsportal rund um das heutige Bürgergeld. Im Jahr 2021 wurde hierfür der Bereich „Bildung und Teilhabe“ als erster Baustein ausgewählt – es sollte eine einfache digitale Anlaufstelle für die Leistung von Bildung und Teilhabe erstellt werden, welche für Smartphones und Tablets optimiert war. Um erste Erfahrungen zu sammeln, keine Hürden für Familien darzustellen und auch Trägern die Möglichkeit zur einfachen Recherche zu geben, hat man sich für eine Progressive Web App (PWA) entschieden. Eine PWA ist eine hybride Webseite, welche klassische Merkmale von Smartphone-Apps besitzt, jedoch auch über einen Browser aufrufbar ist. Das Angebot stellt eine Ergänzung zu den Beratungsangeboten des Jobcenters dar und gibt den Familien die Möglichkeit, Leistungen direkt per Smartphone zu beantragen.

Die Bildung und Teilhabe App wurde im Jahr 2024 als Grundlage für die Entwicklung einer kompletten Jobcenter-App genommen. Die über die Jahre gesammelten Ideen, vergleichbare Produkte und der Gedanke, die bestmögliche digitale Kommunikation und Informationssammlung für Kundinnen und Kunden zu errichten, sollen in einer intuitiven mobilen Plattform gebündelt werden. Der erste Grundpfeiler der App umfasst Informationen aller Bereiche des Jobcenters, also Leistung, Markt und Integration sowie Bildung und Teilhabe inklusive deren digitalen Angebote. Der zweite Grundpfeiler sieht die sichere Kommunikation zwischen Kundinnen und Kunden und Jobcenter vor.

Von Mai 2024 bis November 2024 wurde gemeinsam mit einem Softwareunternehmen aus dem Ostalbkreis die „Mein Jobcenter Ostalbkreis“ App entwickelt, welche mittlerweile in der Version 1.0.2 für iOS und Android verfügbar ist. In dieser Version haben die Kunden und Bürger die Möglichkeit, in einem offenen Bereich die digitalen Angebote des Jobcenters zu nutzen sowie in einem dezidierten Kundenbereich, nach Registrierung, Nachrichten inklusive Anhänge an das Jobcenter zu senden. Nachrichten, die über die App versandt werden, kommen im XML-Format beim Jobcenter an und können gemeinsam mit den Anhängen, welche als PDF abgespeichert werden, in die Fachsoftware und elektronische Akte importiert werden. Dies führt zu verschiedenen Möglichkeiten der Automatisierung.

Die Jobcenter-App wird peu à peu weiterentwickelt – kleine Verbesserungen der Nutzererfahrung und Handhabung der Nutzenden sind gepaart mit großen Entwicklungen im Bereich der bidirektionalen Kommunikation und Entwicklung der Arbeitsprozesse. So sieht die Vision der kommenden Monate und Jahre die Umsetzung der bidirektionalen digitalen Kommunikation von Kundinnen und Kunden und Jobcenter vor. Das Zielbild sieht vor, Zustimmung der jeweiligen Kundin oder des jeweiligen Kunden vorausgesetzt, dass Nachrichten, Bescheide und andere Dokumente sicher per App zusätzlich zum postalischen Weg versandt werden können. Der sozialdatenschutzrechtliche Hintergrund, dass E-Mails keinen sicheren Übertragungsweg darstellen, gibt einem geschlossenen System in der App große Vorteile in der Nachrichtenübertragung (vergleichbar mit der heutigen Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern mit Krankenkassen, Banken etc. über deren Apps). Eine geplante Möglichkeit hierfür ist die Einbindung der BUND ID und des Nutzerkonto BUND.

Eine weitere in der Umsetzung befindliche Funktion ist die Zusendung von gezielten oder allgemeinen Pushnachrichten an Nutzende der App. Hierüber können die Servicequalität des Jobcenters und die Arbeitsprozesse der Mitarbeitenden weiter verbessert werden. Es ist geplant, dass Kundinnen und Kunden an bevorstehende Termine erinnert und auf interessante Veranstaltungen oder Maßnahmen hingewiesen werden oder Beschäftigungsvorschläge per App erhalten können.

Der interne Blick auf die Arbeitsprozesse der Mitarbeitenden des Jobcenters wird mit den kommenden Entwicklungen darauf gelenkt, eine bestmögliche Integration der neuen Prozesse durch die App in die vorhandenen Systeme und Arbeitsweisen zu gewährleisten, um die Arbeitseffizienz zu erhöhen und die Arbeitsbelastung zu senken.
 

Automatisierung, KI und interne Prozesse – wie sieht die Arbeit von morgen aus

Auch im Jobcenter Ostalbkreis stehen die Themen Robotic Process Automation (RPA) bzw. Automatisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Prozess- und Wissensmanagement im Fokus. Die letzten Jahre im Bereich der digitalen Transformation haben gezeigt, dass die Bereitstellung von digitalen Angeboten für Kundinnen und Kunden zwar ein zentraler Punkt der Digitalisierung und Verbesserung des Service- und Verwaltungsangebots ist, jedoch die internen Prozesse mitgezogen werden müssen. Gemeinsam mit dem Geschäftsbereich Digitalisierung des Landratsamts erstellt das Jobcenter hierzu Prozessmodelle für wiederkehrende Arbeiten und Abläufe. Anhand dieser können Arbeitsprozesse abgeleitet werden, welche standardisierte Lösungen zulassen. Diese sind die Basis, um in die Automatisierung per RPA einzusteigen.

Um im Bereich der RPA Erfahrungen zu sammeln, wurde anhand einer Prozessanalyse im Herbst/Winter 2024 die automatisierte Bearbeitung von eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) der Kundinnen und Kunden als erstes Projekt ausgewählt. Gemeinsam mit einer Softwarefirma konnte bis März 2025 der Prozess digitalisiert und für die RPA programmiert werden. Bis April 2025 soll die Testphase beendet und die RPA im Echtbetrieb ausgerollt werden. Der automatisierte Prozess liest eine eingescannte oder per Mail eingereichte AUB per Texterkennung bzw. Optical Character Recognition (OCR) aus, öffnet den dazugehörigen Einzelfall im Fachverfahren, gibt die Daten aus der AUB ein, legt die Datei in der elektronischen Akte ab und informiert den zuständigen Mitarbeitenden, dass eine AUB eingegangen und bearbeitet wurde. Die Automatisierung der im Beispiel wiederkehrenden und standardisierten Aufgabe entlastet den zuständigen Mitarbeitenden und legt Kapazitäten für beratende und unterstützende Tätigkeiten frei.

In den kommenden Monaten und Jahren werden weitere Prozesse nach Möglichkeiten der Automatisierung geprüft und Schritt für Schritt in die RPA-Programmierung übergeben. Aufgrund der Vielfalt der Beratungsleistungen und Sachbearbeitungen im Bürgergeld, welche individuell zu prüfen sind, beobachtet das Jobcenter intensiv die Entwicklungen der KI, um zukünftig die Automatisierung komplexer Aufgaben anzugehen.

Das große Ziel der Digitalisierung im Jobcenter Ostalbkreis ist es, freigewordene Kapazitäten in die Beratung und Unterstützung der Kunden umzuschichten. Denn die bestmögliche Arbeit und sehr hohe Unterstützungsqualität für Bürgerinnen und Bürger in Notsituationen ist das Dienstleistungsziel des Jobcenters Ostalbkreis.

Benjamin Schön Systembetreuer beim Jobcenter Ostalbkreis in Aalen
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