Stattdessen strebten wir eine Kooperation mit der Agentur für Arbeit an: die vollständige Bearbeitung für den Personenkreis der besonders arbeitsmarktfernen Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen sollte bei uns liegen, für alle anderen bei der Agentur für Arbeit. Dies wurde von der BA leider nicht genehmigt, weshalb wir uns für die getrennte Aufgabenwahrnehmung entschieden (die Kosten der Unterkunft wurden von uns, alles andere von der Agentur bearbeitet). Dies funktionierte recht gut – alle Abläufe wurden vertrauensvoll zwischen den jeweiligen Führungskräften abgestimmt.
Als wir 2010 die erneute Möglichkeit für einen Optionsantrag erhielten, war es mir als damaligem Sozialamtsleiter völlig klar, dass wir diese Chance unbedingt nutzen müssen. Aus meiner Sicht war es schlicht unsere sozialpolitische Pflicht als Kommune, die Verantwortung für die Menschen mit größeren finanziellen und oft multiplen persönlichen Problemlagen zu übernehmen. Dies hielt ich damals – und halte ich auch heute – für eine kommunale Kernaufgabe. Zudem waren wir dafür auf Grund der bereits bestehenden engen Beziehungen zu den anderen Ämtern in unserem Sozialdezernat und den Trägern jeder Art von sozialen Dienstleistungen in unserer Region schlicht dafür prädestiniert.
Erfreulicherweise teilten Sozialdezernent und Landrat diese Auffassung, und nach einstimmiger Zustimmung des Kreistags wurde schließlich der Antrag gestellt. Wir verbanden damit auch die Hoffnung, dass künftig die gesamte Region Nordschwarzwald in dieser Konstellation sehr eng würde zusammenarbeiten können. Leider erhielt neben dem Enzkreis letztlich nur noch die Stadt Pforzheim die Bewilligung des Landes, nicht jedoch die Kreise Calw und Freudenstadt. Immerhin entwickelte sich eine sehr enge Kooperation der Jobcenter Pforzheim und Enzkreis bei Aktionen und Maßnahmen für die gesamte Region, die wir bis heute sehr schätzen.
Nachdem die „Fronten“ insofern geklärt waren, entwickelte sich auch die Zusammenarbeit mit der örtlichen Agentur für Arbeit ausgesprochen positiv, sodass wir heute sagen können, dass wir vor Ort eine absolut vertrauensvolle Partnerschaft pflegen und „an einem Strang ziehen“. Dies sollte meines Erachtens für alle Sozialleistungsträger allerdings ohnehin selbstverständlich sein.
Von Anfang an war es unsere Philosophie, dass im Mittelpunkt unserer Arbeit immer der Mensch steht, der für seine Anliegen im Jobcenter klar definierte Ansprechpartner in den verschiedenen Bereichen hat – insbesondere in der Leistungssachbearbeitung und im Fallmanagement. Zu beiden hat er direkten Zugang sowohl persönlich als auch telefonisch oder per E-Mail.
Dies umzusetzen war für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit, die zu uns wechseln mussten, zunächst nicht einfach, da sie einen solchen intensiven persönlichen Kontakt nicht gewohnt waren. Überhaupt forderte uns das Zusammenfinden aus zwei so unterschiedlichen „Kulturen“ einiges ab. Erleichtert wurde es allerdings dadurch, dass wir die Belegschaft in jedem Team und auf der Führungsebene durchmischten und so die Gefahr von weiterhin bestehenden „Communities“ erheblich reduzierten. Vorteilhaft war auch, dass wir als Führungskräfte schon in Zeiten der getrennten Aufgabenwahrnehmung eine sehr enge Zusammenarbeit gepflegt hatten und dies nun in der neuen Konstellation fortsetzen konnten. So war die berufliche Herkunft der Kolleginnen und Kollegen bald kein besonderes Thema mehr.
Inzwischen ist unser Jobcenter schon längst kein „neues“ mehr. Seit 13 Jahren gilt unser Engagement den hilfesuchenden Bürgerinnen und Bürgern des Enzkreises. Unser Bemühen ist es, ihnen so ganzheitlich wie möglich zu helfen und ihnen Perspektiven zu vermitteln – natürlich immer mit dem Fokus auf die Vermittlung sinnstiftender und bedarfsdeckender Arbeit oder Ausbildung. Die zur Unterstützung dieser Zielsetzung nötigen Maßnahmen konnten oft durch die kreiseigene Beschäftigungsgesellschaft GSI, aber auch durch andere lokale und überregionale Anbieter umgesetzt werden. Häufig schreiben wir Maßnahmen auch gemeinsam mit dem Jobcenter Pforzheim aus. Hohe Bedeutung hat aber auch die rechtmäßige und schnelle Bewilligung von Leistungen – denn wir alle wissen: „Ohne Moos nix los.“
Manche Stürme mussten wir in dieser Zeit überstehen – von der Übernahme der Verantwortung für die Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine über die Corona-Pandemie und die permanenten, im Stakkato erfolgenden Gesetzesänderungen. Nicht zu vergessen die hohe Mitarbeiter-Fluktuation.
Trotz alldem habe ich es noch zu keinem Augenblick bereut, den Weg in die „Option“ gegangen zu sein – aus meiner Sicht ist diese Entscheidung nach wie vor absolut alternativlos!