Vorbildliches Quartiersprojekt im Zollernalbkreis

„Unser Lädle“ in Bietenhausen – ein Ort für Begegnung, Beratung und Begleitung

Wo können Menschen zusammenkommen, wenn es im Ort dafür keinen Ort mehr gibt? In Bietenhausen, einem Ortsteil von Rangendingen im Zollernalbkreis, wurde dafür das „Lädle“ geboren. Mütter und Väter sowie Unterstützer und Beteiligte aller Altersklassen hat es viele. Und es bietet viel mehr als nur die Möglichkeit eines Einkaufs.
Janessa Roos · Zollernalbkreis · 06. Oktober 2023
Willkommen im Lädle: Die ehrenamtliche Mitarbeiterin Birgit Harrer steht hinter der Verkaufstheke und empfängt dort die Bietenhausener.
Willkommen im Lädle: Die ehrenamtliche Mitarbeiterin Birgit Harrer steht hinter der Verkaufstheke und empfängt dort die Bietenhausener.
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Die Altersgruppe der über 60-jährigen, sich im Rentenalter befindenden Personen wird in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung und den Vorteilen des medizinischen Fortschritts weiter zunehmen. Mit einer Altersverschiebung der deutschen Bevölkerung treten auch mehr Herausforderungen in den Vordergrund, die primär durch gesundheitsrelevantes Verhalten geprägt sind. Mit dem Alter(n) steigt auch das Risiko für Morbidität und chronische Erkrankungen an. Des Weiteren können mit steigendem Alter weitere altersassoziierte Krankheitsbilder auftreten, die zu diversen Einschränkungen des Alltags der Betroffenen führen können. Die dritte Lebensphase möglichst ohne Krankheiten und Einschränkungen verbringen zu können, steht als oberstes Ziel für die Aufrechterhaltung von Wohlbefinden und Lebensqualität im Alter.

Durch auftretende altersbedingte Krankheitsbilder und Einschränkungen wird das Gesundheitssystem in Deutschland in den kommenden Jahren stärker belastet werden. Mit einem Anstieg der älteren Bevölkerung steigt auch die Zahl derjenigen, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Die Folgen von zunehmender Multimorbidität würden sich damit stark im Hinblick auf die sozialen Sicherungssysteme und der gesundheitlichen Versorgungsstruktur bemerkbar machen, sofern keine Lösung für ein gesundheitsförderliches Altern unterstützt wird.


Alter(n)sgerechte Quartiersarbeit als Instrument für (mehr) Lebensqulität im Alter

Bei einer alter(n)sgerechten Quartiersentwicklung stehen die Bedürfnisse älterer Menschen im Quartier im Mittelpunkt. Generationenübergreifende Projekte und Teilhabemöglichkeiten sind ebenso wichtig wie ein gutes Infrastrukturangebot. Dabei spielt der Wunsch nach einem langen und selbständigen Leben in den eigenen vier Wänden eine große Rolle, was durch soziale Interaktionen und Unterstützungsmöglichkeiten gefördert werden kann. Die Entwicklung alter(n)sgerechter Quartiere hat aus diesem Grund die Möglichkeit zur präventiven Gesundheitsförderung durch die Vermeidung von Isolation und die Unterstützung eines selbstbestimmten Lebens im Alter. Quartiere sollen Möglichkeiten der Begegnung und des Austauschs durch quartiersbezogene Projekte, Initiativen oder Veranstaltungen bieten. Dabei soll das definierte Quartier mit den Bewohnerinnen und Bewohnern weiterentwickelt werden, wodurch die Ressourcen vor Ort gefördert und gestärkt werden.

Für Kommunen sind altersgerechte Quartierskonzepte ein gutes Instrument, um im Rahmen der Daseinsvorsorge eine nachhaltige, an die Bedürfnisse älterer Menschen angepasste Infrastruktur aufzubauen. Über die Wohnung hinaus ist die Nachbarschaft das Lebensumfeld, in dem die Menschen ihren Alltag leben, für sich selbst sorgen und ihre sozialen Kontakte pflegen. Grundlage eines altersgerechten Quartierskonzepts sind alle notwendigen Komponenten, die ältere Menschen benötigen, um in ihrem jetzigen Zuhause leben zu können. Vor allem Orte der Begegnung spielen hier eine übergeordnete Rolle, da sie Partizipation, Mitwirkung und Teilhabe in der Gemeinschaft ermöglichen und zudem Einsamkeit und Isolation präventiv vorbeugen können.

Gut erkennbar am Logo über dem Eingang: das Lädle in Bietenhausen. Vor der Tür kann man Café trinken und Schwätzchen halten.
Gut erkennbar am Logo über dem Eingang: das Lädle in Bietenhausen. Vor der Tür kann man Café trinken und Schwätzchen halten.
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„Das Lädle“ in Rangendingen-Bietenhausen – Ein Ort für Begegnung, Beratung, Begleitung

In Bietenhausen, einem Teilort der Gemeinde Rangendingen, gab es seit mehreren Jahrzehnten keinerlei Einkaufsmöglichkeit, kein Café und keinen Gasthof mehr. Deshalb entstand die Idee eines „Lädles“, das als Sozialraumprojekt Grundversorgung, Begegnung, Beratung und Begleitung verbindet. Ideengeber und Träger des „Lädles“ ist das Diasporahaus Bietenhausen e.V.. Umgesetzt wurde das Projekt in Zusammenarbeit mit den Gemeindeverwaltungen Rangendingen und Bietenhausen sowie dem Landratsamt Zollernalbkreis als eine von drei Säulen der Quartiersentwicklung.

Der ehemalige Tante-Emma-Laden in Bietenhausen wurde angemietet und renoviert. Die Renovierung und Ausstattung wurde durch örtliche Handwerker umgesetzt. Dem Diasporahaus und der Gemeinde war es wichtig, die Bevölkerung Bietenhausens von Beginn an am Projekt zu beteiligen und deren Interesse und Bedürfnisse abzufragen, um diese bei der weiteren Planung zu berücksichtigen. Das Interesse am Produktangebot des „Lädles" und an gewünschten Einkaufszeiten wurde ebenso erfragt wie die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement und die inhaltlichen Wünsche bezüglich der zukünftigen Projektangebote.

"Unser Lädle" ist ein Sozial- und Generationenprojekt des Diasporahauses in Bietenhausen. Es handelt sich dabei um einen kleinen Dorfladen mit Verkaufsraum, Cafébereich, Lieferservice und Gemeinschaftsprojekten.

Durch das Ladengeschäft und die offenen pädagogischen Angebote wird das „Lädle“ zu einem Begegnungsort von Jung und Alt. Dort finden Austausch, Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung statt. Menschen aus der Umgebung haben die Chance, in Bietenhausen einkaufen zu gehen oder sich selbst mit ihren Ideen, Wünschen, ihrem Engagement oder eigenen Projektideen im „Lädle“ einzubringen.

Das „Lädle“ wird gut angenommen und stellt neben einer Einkaufsmöglichkeit vor allem einen Begegnungsort im Quartier dar. Insbesondere die regionalen Produkte im Sortiment stoßen auf großes Interesse. In Zeiten von Corona hat das „Lädle“ einen Lieferservice mit Elektro-Lastenfahrrad etabliert, der die Kundschaft in verschiedenen Ortsteilen beliefert. Sei es im angeschlossenen Café oder im Rahmen von vielfältigen Angeboten wie Upcycling- und Basteltreff, Schachkurs oder Kaffeeklatsch mit Spielenachmittag: Im „Lädle“ kommen verschiedene Generationen zusammen, können aber auch mal unter sich bleiben.

Das Ehrenamt hat in diesem Kontext einen hohen Stellenwert. „Unser Lädle“ ist ein Projekt mit Dorfladen und Begegnungsort, der von Jung und Alt gemeinsam gestaltet wird. Nur mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern kann das Lädle auch weiterhin so lebendig bleiben, um die Aufgaben, die im Verkaufs- und Projektbereich anfallen zu bewältigen. Unter den Ehrenamtlichen befinden sich neben Jugendlichen auch ältere Helferinnen und Helfer bis 90 Jahre.

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Gesamtprojekts ist die soziale Interaktion, die es in dem kleinen Ladengeschäft gibt und die neue Kontaktmöglichkeiten für Alt und Jung geschaffen hat. Das „Lädle“ bringt die Menschen aus dem Dorf und die Kinder aus dem Diasporahaus zusammen und stellt ein generationsübergreifendes Quartiersprojekt zur Unterstützung von (mehr) Lebensqualität im Alter dar.

Fast alles, was man braucht: Im Lädle gibt es ein breites Sortiment an Waren.
Fast alles, was man braucht: Im Lädle gibt es ein breites Sortiment an Waren.
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Das Projekt wurde durch das Sonderprogramm Quartier im Förderzeitraum vom 1.8.2019 bis 31.7.2020 gefördert. Seit Ende des Förderzeitraums ist viel passiert: Mit Unterstützung von Ehrenamtlichen wurden weiterhin laufende Projekte wie u.a. Brotbacken im Backhaus, Boulespielen, Handy- und Computerhilfe umgesetzt. Ein umfangreiches Sommerferienprogramm, das auch eine Graffitiaktion zur Verschönerung des Dorfplatzes beinhaltete, fand in der Vergangenheit großen Anklang.

Eckdaten „Lädle“:

  • Kommune: Rangendingen
  • Träger / Kooperierende Akteure: Diasporahaus Bietenhausen e.V., Gemeindeverwaltung Rangendingen und Bietenhausen, Zollernalbkreis
  • Bevölkerung: 5.001 - 20.000
  • Kontakt: Christina Rongen (Bereichsleiterin Geschäftsbereich Hechingen), Mobilnummer: 0177-9593011, E-Mail: c.rongen@diasporahaus.de
Janessa Roos koordiniert die Kommunale Pflegekonferenz, ist Altenhilfefachberaterin und leitet die Geschäftsstelle Pflegestützpunkt im Landratsamt Zollernalbkreis
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