Der Start des Projekts BISS
Menschen mit Suchtproblemen sind häufig mit einem komplexen Zusammenspiel aus gesundheitlichen, sozialen und psychischen Hürden konfrontiert. Sie haben mit mehreren Vermittlungshemmnissen zu kämpfen. Das erschwert ihre Teilhabe am Arbeitsleben massiv, auch wenn sie grundsätzlich erwerbsfähig sind. Das Projekt BISS (Stabilisierende Beschäftigung mit integriertem suchtspezifischem Ansatz) setzt genau dort an. Es bietet Menschen, die langzeitarbeitslos sind und mit einer Suchtproblematik leben, eine individuelle Unterstützung an und bereitet sie auf die soziale Teilhabe in der Arbeitswelt vor.
Das Projekt BISS ist im Frühjahr 2016 als ESF-gefördertes Projekt im Bodenseekreis gestartet. Grundlage dafür war eine ohnehin enge Kooperation zwischen kommunalen Partnern: dem Gemeindepsychiatrischen Zentrum (GPZ) Friedrichshafen, der Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete (PSB) der Diakonie sowie dem Jobcenter des Landratsamts Bodenseekreis. „Wir haben gemeinsam erkannt, dass die Arbeitsvermittlung langzeitarbeitsloser Menschen mit Suchtproblemen besondere Schwierigkeiten bereitet“, erklärt Maria Gérard, Amtsleiterin des Jobcenters Bodenseekreis. „Es fehlte an Angeboten der psychiatrischen Versorgung und Begleitung für Suchtpatienten, die wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden sollen.“
Fachliche Begleitung und Krisenintervention
Für eine erfolgreiche Integration der BISS-Teilnehmenden ist eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Kooperationspartner notwendig. Das Fallmanagement des Jobcenters vermittelt die Teilnehmenden nach persönlichen Gesprächen und steht in laufendem Austausch mit den Fachkräften des GPZ und der PSB.
Das GPZ bringt seine Kompetenzen als Anbieter produktionsorientierter Tätigkeiten für psychisch beeinträchtige Menschen ein. Von der industriellen Fertigung und Montage, über Bürodienstleistungen bis hin zur Gastronomie und Hauswirtschaft werden die Teilnehmenden im GPZ montags bis freitags jeweils von 8.30 Uhr bis 13.15 Uhr in verschiedene trägereigene, arbeitsmarktnahe Berufsfelder eingebunden. In der Arbeitserprobung leitet Fachpersonal die Teilnehmenden an.
Die Bearbeitung suchtspezifischer Themen bildet die zweite wesentliche Säule des Projekts. Dafür beraten die Fachkräfte der PSB die Teilnehmenden in Bezug auf ihre Sucht und bieten Therapiemöglichkeiten an. In suchtspezifischen Einzelgesprächen und Gruppensitzungen können die Teilnehmenden ihre persönlichen Herausforderungen reflektieren. Bei akuten Problemen bieten die Fachkräfte Kriseninterventionen an.
Dies ist besonders wichtig, da die Teilnehmenden häufig mit Rückfällen oder akuten Krisen zu kämpfen haben. Die Fachkräfte unterstützen die Teilnehmenden außerdem, indem sie die Teilnehmenden zu externen Behandlungsmaßnahmen begleiten, z. B. zu stationären Entgiftungen oder Langzeittherapien.
Die Kooperationspartner des Projekts stehen in regem Austausch. „Das war uns bereits in der Planung von BISS besonders wichtig“, macht Jobcenter-Chefin Gérard deutlich. So finden regelmäßig Gespräche zwischen den Teilnehmenden, dem Fallmanagement des Jobcenters und Projektmitarbeitenden statt. Auch wenn es im Verlauf der individuellen Maßnahmen Klärungsbedarf oder Vorkommnisse gibt, werden die Fallmanager im Landratsamt sofort eingebunden, um nötigenfalls nachzusteuern.
Die Bündelung der regionalen Kompetenzen hat sich bewährt: BISS wird seit 2020 als zertifizierte, regelfinanzierte Maßnahme fortgeführt und weiterhin von allen drei Institutionen getragen.
Ein ganzheitlicher Ansatz
Durch die Zusammenführung des psychiatrischen und des Suchthilfenetzwerks profitiert das Projekt von einer besonderen Vielfalt und Qualität der Kooperationen, z. B. mit Fachärzten, Therapeuten, Psychiatrischen und Sucht-Institutsambulanzen, Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Akteuren des allgemeinen Arbeitsmarktes und verschiedenen Fachdiensten wie das ambulant betreute Wohnen, der Schuldnerberatung oder der Obdachlosenhilfe.
Durch die gebündelten Kompetenzen wird gewährleistet, dass die multiplen gesundheitlichen Herausforderungen wie psychische Erkrankungen oder chronische Beeinträchtigungen jedes Teilnehmenden berücksichtigt werden können. Für Flexibilität sorgt die Möglichkeit, zu jeder Zeit in die Maßnahme einzutreten und die Dauer individuell anzupassen. In der Regel bleiben die Teilnehmenden sechs Monate in dem Projekt. Sie können bis zu weitere sechs Monate verlängern.
Das Vertrauen zu den Teilnehmenden bauen die Fachkräfte durch regelmäßige Reflexionsrunden, Einzelbetreuung und gemeinschaftliche Aktivitäten auf. Gruppenaktivitäten wie etwa Ausflüge, kreative Angebote oder das gemeinsame Mittagessen unterstützen die soziale Integration und tragen zur persönlichen Stabilisierung bei.
Der Erfolg von BISS in Zahlen
Der Bedarf an ergänzenden Unterstützungsangeboten für Menschen mit Suchtproblemen ist nach wie vor hoch. Deshalb bewährt sich das kommunale Projekt und die Nachfrage bleibt stabil.
Mehrwert für alle
Die BISS-Maßnahme trägt nicht nur zur Unterstützung von Suchtkranken und deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bei, sondern schafft auch einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert. Indem sie Suchtkarrieren abmildert und Menschen in stabile Arbeitsverhältnisse integriert, werden langfristig die gesellschaftlichen Kosten durch Drogenkonsum und dessen Folgen gesenkt:
Reduzierung der Gesundheitskosten: Personen, die in stabilere Lebensumstände integriert werden, erhalten Zugang zu präventiven und therapeutischen Maßnahmen, die den gesundheitlichen Zustand verbessern. Dies reduziert die Anzahl der Drogenkonsumenten, die langfristig hohe medizinische Kosten verursachen, z. B. durch die Behandlung von Infektionskrankheiten oder psychischen Störungen.
Verringerung der Kriminalitätsraten: Viele Menschen mit Suchterkrankungen neigen zu kriminellen Handlungen, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Durch die stabilisierende Wirkung der BISS-Maßnahme und die Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit sinkt der Druck, Straftaten zu begehen, was auch zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und Justizsysteme führt.
Förderung der sozialen Integration: Die Teilnahme an stabilisierenden Beschäftigungsmaßnahmen stärkt die soziale Integration von suchtkranken Menschen, was wiederum ihre Lebensqualität verbessert. Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden, entwickeln ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl und Verantwortung, was die Entstehung von weiteren sozialen Problemen (wie Armut, Isolation oder Obdachlosigkeit) vermindert.
Langfristige Reduktion der Sozialhilfeausgaben: Personen, die durch die BISS-Maßnahme in eine stabile Beschäftigung gebracht werden, können durch ihr Einkommen unabhängiger von staatlicher Unterstützung werden. Dies führt zu einer Reduktion der Sozialhilfeausgaben und entlastet das Sozialsystem.
Prävention von Folgeschäden: Der integrierte suchtspezifische Ansatz hilft dabei, Suchtproblematiken frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, was langfristig das Risiko von chronischen Erkrankungen, Arbeitsunfähigkeit und sozialen Entfremdungsprozessen verringert.
Fazit: stolze Bilanz und Zukunft
Die BISS-Maßnahme ist ein innovatives Konzept für die nachhaltige Wiedereingliederung langzeitarbeitsloser Menschen mit Suchtproblemen. „Wir sind sehr von dem Projekt überzeugt und die sichtbaren Erfolge geben uns recht“, erklärt Maria Gérard. „Durch die enge Verzahnung von beruflicher Integration, Suchthilfe und psychosozialer Unterstützung wird den Teilnehmenden eine Chance auf eine berufliche Perspektive geboten und sie haben die Möglichkeit, ihre Gesundheit und Lebensqualität nachhaltig zu stabilisieren.“ Das Projekt zeigt auf, wie durch eine enge Zusammenarbeit von kommunalen Institutionen und damit durch eine ganzheitliche Herangehensweise ein wichtiger Beitrag zur sozialen Teilhabe und Integration langzeitarbeitsloser, suchterkrankter Menschen geleistet werden kann.