Vom Pilotprojekt zum Vorreiter in Sachen Anerkennungskulturen
Die Gründung der Vernetzungsstelle Bürgerschaftliches Engagement (BE) geht auf einen Beschluss des Kreistags des Ortenaukreises zurück: Am 18. Dezember 2012 wurde sie auf Grundlage der Initiative des Unterausschusses „Gesamtstrategie ländlicher Raum“ als zunächst auf zwei Jahre angelegtes Pilotprojekt eingerichtet und dem Amt für Soziale und Psychologische Dienste zugeordnet. Seit Ende 2014 hat die Stelle einen festen Status im Landkreis inne und arbeitet dauerhaft mit einer 75-Prozent-Stelle.
Schon bei der Konzeption spielte Ingo Kempf eine zentrale Rolle: Er baute die Vernetzungsstelle auf und strukturierte sie als zentrale Anlaufstelle, die Fortbildung, Beratung, Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit verknüpft. 2014 folgte die Einrichtung eines webbasierten Engagementportals („ortenau-engagiert.de“) mit mehr als 100 Einträgen, das von Kempf initiiert und betrieben wurde.
Der frühe Ansatz des Ortenaukreises war bemerkenswert: In dieser Form wurde ein zentrales Netzwerk geschaffen, das nicht rein auf formale Vereine oder Organisationen setzte, sondern das gesamte Spektrum bürgerschaftlichen Handelns — inklusive informeller Engagementformen — in den Fokus rückt und fördert. Mit dieser strategischen Ausrichtung war der Ortenaukreis einer der Vorreiter unter baden-württembergischen Landkreisen, wenn es darum ging, Engagement als dynamischen, stetig lernenden Prozess zu begleiten und institutionell zu verankern.
Die 25 jährlich kostenfreien Fortbildungen bieten ehrenamtlich Engagierten praxisnahe Kompetenzen, etwa zu kurzfristigem Krisenmanagement, digitaler Kommunikation im Ehrenamt, interkultureller Kompetenz und Projektentwicklung. Die Wertschätzungskultur ist das Herzstück der Vernetzungsstelle. Ziel ist, Ehrenamtliche in ihrer Rolle zu stärken, Kompetenzen zu fördern und für neue Herausforderungen zu wappnen.
Beim zehnten BE-Forum im Jahr Mai 2025 stand Anerkennung im Ehrenamt im Mittelpunkt. Unter dem Motto „Ein Danke und das war’s? – Engagement ist mehr als ein kurzer Händedruck“ diskutierten rund 60 Teilnehmende im Landratsamt Offenburg, wie echte Wertschätzung über symbolische Gesten hinausgehen kann. Prof. Dr. Gunda Rosenauer eröffnete mit einem Impulsvortrag, der aufzeigte, wie ehrliche, gezielte Wertschätzung die Motivation von Ehrenamtlichen stärkt – und langfristig Tragkraft für Engagement schafft. Im offenen Open Space-Format brachten Ehrenamtliche eigene Themen wie Partizipationsformen, Anerkennungssysteme und digitale Sichtbarkeit ein. Der Austausch mündete in konkrete Ideen zur Verbesserung der Engagementkultur – ein Workshop mit Tiefgang, der zeigte: Anerkennung wächst durch Dialog und Mitgestaltung.
Ein sichtbares Zeichen der Anerkennung ist der Ehrenklausi, eine liebevoll gestaltete Süßigkeit, die jährlich am Tag des Ehrenamts auf Wochenmärkten in Städten wie Offenburg, Kehl, Achern und Haslach verteilt wird. Diese Geste macht Wertschätzung im öffentlichen Raum erfahrbar – ein kleines, aber wirkungsvolles Zeichen für Menschen, die viel geben und selten im Rampenlicht stehen.
Mit dem Podcast „Ehrenmensch“ bringt die Vernetzungsstelle das Engagement ins Ohr: Aktive, Initiativen und wissenschaftliche Stimmen aus dem Ehrenamt berichten über ihre Erfahrungen, Motivation und Herausforderungen. Der Podcast ergänzt die analogen Angebote durch moderne Medien und fördert das Gemeinschaftsgefühl auch über digitale Kanäle. Er erweitert die Anerkennungskultur auf neue Kanäle – authentisch, nahbar und inspirierend.
Schwieriges Erfassen: Die leisen Helfer im Engagement
Eine große Herausforderung bleibt die Erfassung von informellem Engagement – Menschen mit Migrationshintergrund, geringerem Bildungsniveau oder Alleinerziehende, die häufig außerhalb formeller Strukturen agieren und im Alltag hilfsbereit sind. Viele unterstützen Nachbarn, Bekannte oder engagieren sich auf eigene Weise – doch bleiben oft unsichtbar. Die Vernetzungsstelle strebt an, auch diesen „leisen Helfern“ Wertschätzung zu vermitteln. Die Herausforderung: Diese Beiträge sind schwer erfassbar, weniger sichtbar – und bleiben deswegen häufig ohne offizielle Anerkennung. Doch Anerkennung ist ein entscheidender Motivationsfaktor; bleibt sie aus, drohen Frustration und Rückzug. Die Vernetzungsstelle setzt deshalb auf niedrigschwellige Angebote, offene Zugänge und Austauschformate, um auch diesen Formen des Engagements Raum zu geben.