Digitalisierung in der Verwaltung

Innovation, Effizienz, Digital? - Ein Hürdenlauf durch die digitale Verwaltung

Digitalisierung in der Verwaltung – das klingt nach Zukunft, Effizienz, schlanken Prozessen und papierloser Glückseligkeit. In der Praxis jedoch fühlt es sich oft eher an wie ein Hürdenlauf im digitalen Irrgarten, wo gute Ideen dahinsiechen, während sie auf ihr Aktenzeichen warten.
Ingo Eble · Landkreis Rastatt · 04. Juli 2025
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Keine Frage: Agile Verwaltung, künstliche Intelligenz und digitale Ökosysteme sind die Zukunft. Wie fern aber ist diese Zukunft, wenn kommunale Digitalisierung immer wieder damit konfrontiert wird, dass Antragsstrecken in Service-BW plötzlich und ohne Vorwarnung auf unbestimmte Zeit in den Wartungszustand versetzt werden? Ohne Anbindung an Fachverfahren und ePayment werden aus den Antragsstrecken reihenweise Anträge, die auf der Strecke bleiben. Viel besser ist es auch nicht mit den EfA-Leistungen. Einer für Alle – nach diesem Motto entwickelt ein Bundesland einen Onlineantrag, den dann alle anderen nachnutzen können sollen. Aber was, wenn die Pilotierung eines solchen Antrags ein paar Monate gehen würde? Das wäre schön, denn meistens klappt dies nicht unter einem Jahr. Und dann hat eine Kommune einen Antrag online gebracht. Weitere 1.100 Kommunen in Baden-Württemberg können die Erfahrungen dann nutzen, um es irgendwie schneller hinzubekommen. Schließlich sollen bis Ende 2022 die Anträge für hunderte von Leistungen online zur Verfügung stehen. Ohne Zeitreisen wird das nichts mehr.

Die Hürden sind aber nicht nur auf Bundes- oder Landesebene zu suchen, sondern auch in den Kommunen selbst. Fehlende Ressourcen, unzureichendes Wissen und zu vage Visionen sind Digitalisierungsbremsen, die nicht nur auf finanziellen Mangel zurückzuführen sind. Da helfen uns auch die schönsten Kochbücher zum Storytelling nicht weiter, selbst wenn diese von namhaften Forschungsinstituten verfasst sind. Aber was macht die Digitalisierung in the Länd so schwierig? Und was würde helfen? Wenn es darauf einfache Antworten gäbe, wären diese nicht nur schon gefunden, sondern auch bereits umgesetzt.

Eine besondere Hürde ist die kommunale Selbstbestimmung oder der Föderalismus, wenn man auf Bund-Länder-Ebene unterwegs ist. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass es für Prozesse, die bundesweit in allen Kommunen gleich stattfinden (sollten), genau einen Prozess geben sollte, der für alle Kommunen gleich ist (sic!). Im Idealfall wird dieser Standardprozess in einem Fachverfahren abgebildet, das zentral vorgegeben ist. Dafür dürfte die Verwaltungsdigitalisierung aber nicht als hipper Marktplatz für freien Wettbewerb betrachtet werden. Gut geführte, skalierende kommunale Rechenzentren wären eine Alternative. Also los, dann fangen wir Kommunen doch endlich an, unser Rechenzentrum konstruktiv und konsequent auf Dienstleister zu trimmen, die sich als agile Service Broker betrachten.

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Immerhin gelingt es bisweilen, gesetzliche Formvorschriften abzubauen. Noch nicht immer und überall, aber es geht voran. Vielleicht kann bald auch im digitalen Verwaltungshandeln ein Abfallgebührenbescheid als das behandelt werden, was es ist: eine Rechnung. Momentan hat sie dank KAG und AO aber den Status eines Steuerbescheids mit maximalem Schutzbedarf. Ohne qualifizierte elektronische Signatur und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (die ein privater Haushalt in aller Regel weder leisten noch haben will) sind die gesetzlichen Vorgaben für eine digitale Zustellung nicht zweifelsfrei umsetzbar. Das fördert vielerorts die Angst, etwas falsch zu machen. Diese Angst ist oft, viel zu oft, größer als der Mut, etwas richtig zu machen. Der Bürger hingegen klickt, flucht, gibt auf. Und steht am Ende doch wieder am Amtsschalter mit der ausgedruckten PDF in der Hand, dreifach unterschrieben.

Die demografische Entwicklung und der damit einhergehende Fachkräftemangel müssten ein Treiber der Verwaltungsdigitalisierung sein. Die Verwaltung will digital. Sie muss digital. Doch solange Mut zur Veränderung durch Bürokratie, Silodenken und Angst vor Fehlern gebremst wird, bleibt Innovation ein schöner Begriff für Strategiepapiere. Dabei könnte alles so einfach sein: auskömmliche Finanzierung, klare Zuständigkeiten, nutzerzentriertes Denken, agile Methoden – und der Mut, Dinge auch mal auszuprobieren. Das gilt auch für uns Kommunen: Können wir es uns wirklich leisten, eine landeseinheitliche Lösung mit acht Fachanwendungen im Gesundheitswesen basierend auf einem digitalen Ökosystem des kommunalen Rechenzentrums nicht bestmöglich zu unterstützen?

Die Erfahrung zeigt aber auch: Dezentrale Lösungen funktionieren manchmal besser als große Lösungen. Bund und Länder haben den Fokus darauf, dass für möglichst viele Leistungen ein Onlineantrag gestellt werden kann. Die medienbruchfreie Bearbeitung in den Kommunen betrachten sie hingegen viel zu häufig als ein „geht mich nichts an“-Thema. Das führt dann dazu, dass es eben tatsächlich besser sein kann, wenn eine Kommune ihre eigene Plattform mit umfangreicher Integration in ihr Fachverfahren entwickelt. Nicht weil Insellösungen grundsätzlich besser sind, sondern weil sie unter den bestehenden Rahmenbedingungen eine vernünftig umsetzbare Lösung sind.

Was bleibt, ist das Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung auf Menschen mit Ideen und Mut in verantwortlicher Position, auf engagierte Menschen in den IT-Abteilungen und auf Digitalisierungsstellen, auf Menschen in Fachämtern, die neben ihrem normalen Sachbearbeiterjob „auch noch ein bisschen IT“ machen dürfen und können. So kann Innovation zumindest hier und da mal „zufällig“ entstehen. Und mit etwas Glück fügt sich das alles irgendwann zusammen zu einer digitalen Verwaltung, die die Anliegen der Menschen im ganzen Land effizient bearbeiten kann. Wir Kommunen haben bei der Aufnahme von Flüchtlingen und der Bewältigung der Coronapandemie gezeigt, dass mit uns Staat zu machen ist. In vielen Netzwerken schließen wir uns zusammen als digitale Komplizen, sind engagiert und bleiben trotz widriger Umstände am Ball. Von Bund und Ländern brauchen wir einfachere Rahmenbedingungen, vor allem aber Taten statt Worte. Und vielleicht kann auch KI uns bei der Digitalisierung ein kleines bisschen helfen, so wie bei manchen Passagen dieses Textes und beim Erstellen des Bilds (das sicher nicht perfekt ist – aber muss es das denn?).

Good Practice: Digitalisierung als kommunaler Hürdenlauf
Landkreis: Landkreis Rastatt
Kategorie: Digitalisierung
Mehrwert: Optimierungspotenziale aufzeigen
Ansprechperson: Ingo Eble, Leitung Stabsstelle Digitalisierung, Landratsamt Rastatt, Tel.: +49 7222 381 1123, E-Mail: i.eble@landkreis-rastatt.de

Ingo Eble ist Leiter der Stabsstelle Digitalisierung im Landratsamt Rastatt
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