Unterstützerkreis im Landkreis Ludwigsburg

Bürgerschaftliches Engagement für Menschen mit Demenz

Für Menschen in einer frühen Phase der Demenz engagieren sich seit 2014 im Landkreis Ludwigsburg Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich. Der Unterstützerkreis richtet sich an Menschen mit beginnender Demenz oder mit subjektiv wahrgenommenen Gedächtnisproblemen – unabhängig von einer ärztlich gesicherten Diagnose.
Sibylle Kostron · Landkreis Ludwigsburg · 12. Dezember 2025
Der Unterstützerkreis für Menschen mit Demenz
Der Unterstützerkreis für Menschen mit Demenz
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Viele von ihnen stehen noch mitten im Leben und sind dennoch auf Unterstützung im Alltag angewiesen. Dafür gibt es den Unterstützerkreis für Menschen mit Demenz, der von der Altenhilfe-Fachberatung des Landratsamts Ludwigsburg koordiniert wird. Aus dem Pilotprojekt „Nach der Diagnose – Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V.“ hervorgegangen, ergänzt er die bestehenden Beratungs- und Hilfestrukturen im Landkreis.

Eine Demenzdiagnose kommt für Betroffene und Angehörige meist unerwartet. Gerade in der frühen Phase, wenn Gedächtnis, Sprache oder Alltagskompetenzen erste Veränderungen zeigen, bleibt die Selbstständigkeit oft noch weitgehend erhalten – doch die Verunsicherung ist groß. Viele fragen sich: Wie geht es weiter? Was kann ich selbst tun? Wer hört mir zu, ohne zu bewerten oder vorschnell Ratschläge zu geben?
 

Im Mittelpunkt steht das persönliche Gespräch

Die Ehrenamtlichen des Unterstützerkreises bieten in dieser Situation verlässliche Gesprächsbegleitung. Sie treffen sich in der Regel alle zwei Wochen für zwei bis drei Stunden mit den Betroffenen – zu Hause, bei einem Spaziergang oder an einem anderen vertrauten Ort.

Im Mittelpunkt steht das persönliche Gespräch, bei dem Raum für persönliche Themen und Alltagsfragen geschaffen, Selbstvertrauen und Handlungsspielräume gestärkt und soziale Teilhabe und Aktivität gefördert werden.

Die Gespräche sind freiwillig, vertraulich und kostenfrei. Ziel ist nicht Therapie, sondern Beziehung, Vertrauen und Ermutigung im Alltag.

„Die Haltung der Ehrenamtlichen ist dabei ein zentraler Bestandteil des Projekts: Sie begegnen den Menschen mit Wertschätzung, Offenheit und auf Augenhöhe. Diese Haltung prägt die Qualität der Begleitung und schafft einen Raum, in dem Selbstwirksamkeit und eigene Entscheidungen möglich werden. In Schulungen und Austauschtreffen wird die Haltung regelmäßig reflektiert und weiterentwickelt – mit dem Ziel, ein unterstützendes Miteinander zu gestalten, das die Bedürfnisse und Potenziale der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt“, berichtet Heike Dierbach, zu deren Fachbereich die Altenhilfe-Fachberatung gehört.
 

Zwei Beispiele aus der Praxis

Frau L., 68 Jahre, erhielt die Diagnose einer beginnenden Alzheimer-Demenz. Trotz familiärer Unterstützung wünschte sie sich ein Gesprächsangebot außerhalb der Familie. Durch regelmäßige Treffen mit einer Ehrenamtlichen gelang es ihr, wieder mehr Struktur in ihren Alltag zu bringen und frühere Aktivitäten – etwa den Gottesdienstbesuch – beizubehalten. Die Ehrenamtliche ermutigte sie, bestehende Kontakte zu pflegen und neue Unterstützungsangebote kennenzulernen.

Frau M., 55 Jahre, erhielt frühzeitig die Diagnose einer Demenzerkrankung. Der Austausch mit einer Ehrenamtlichen aus dem Unterstützerkreis wurde für sie zu einer wichtigen Stütze im Alltag. Bei den regelmäßigen Treffen sprachen beide offen über Themen des täglichen Lebens – über Vergangenes, die Familie, aber auch über Ängste und Sorgen im Zusammenhang mit der Erkrankung.

Zu Beginn begleitete die Ehrenamtliche Frau M. zu einem Mittagstischangebot, um die anfängliche Unsicherheit zu überwinden und gemeinsam zu prüfen, ob die Teilnahme für sie passend sein könnte. Mit der Zeit entstanden kleine, wertvolle Rituale: die Vorfreude auf die Treffen, das gemeinsame Kaffeetrinken am liebevoll gedeckten Tisch, oder das Stricken, das Frau M. der Ehrenamtlichen wieder näherbrachte. Diese Begegnungen machten deutlich, dass jeder Mensch etwas einbringen kann – unabhängig von Alter oder Erkrankung. Geben und Nehmen, gegenseitige Unterstützung und gemeinsamer Humor prägten die Beziehung. Das gewachsene Vertrauen und die gegenseitige Wertschätzung zeigten, wie bereichernd menschliche Begegnung für beide Seiten sein kann.
 

Vielfalt, Gemeinschaft und Freude im Ehrenamt

Der Unterstützerkreis ist ein kleines, aber wirkungsvolles Projekt, das von Engagement und Gemeinschaft lebt. Aktuell sind 17 Ehrenamtliche aktiv – Frauen und Männer unterschiedlichen Alters zwischen Mitte 40 und Ende 70. Neben den individuellen Gesprächsbegleitungen finden regelmäßige, von der Altenhilfe-Fachberatung begleitete Austauschtreffen statt, die dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch und der fachlichen Reflexion dienen. Darüber hinaus engagieren sich die Ehrenamtlichen bei Informationsständen auf Veranstaltungen und Wochenmärkten, um auf das Angebot und das Thema Demenz aufmerksam zu machen.

„Die Gruppe wächst mit ihren Aufgaben zusammen, stärkt sich gegenseitig und erlebt das gemeinsame Engagement als bereichernd und sinnstiftend“, sagt Fachbereichsleiterin Dierbach.
 

Qualifizierung und fachliche Begleitung

Die Altenhilfe-Fachberatung des Landratsamts Ludwigsburg begleitet das Projekt fachlich und organisatorisch. Sie ist verantwortlich für Informationsgespräche mit Interessierten, eine strukturierte Qualifizierung der Ehrenamtlichen: Schulungen vermitteln Grundlagen zu Demenz, Kommunikation, Selbstfürsorge und zur Rolle der Ehrenamtlichen im Hilfenetz. Zudem organisiert die Altenhilfe-Fachberatung regelmäßige Austauschtreffen und Fortbildungen für die Ehrenamtlichen. Eine Zertifikatsvergabe zum Abschluss der Qualifizierung würdigt das Engagement öffentlich und stärkt die Sichtbarkeit des Projekts.
 

Wirkung und Bedeutung

Rückmeldungen zeigen, dass die Gespräche Betroffene bei der Alltagsbewältigung unterstützen, Selbstvertrauen fördern und emotionale Stabilität stärken. Auch Angehörige empfinden die Begleitung als wertvolle Entlastung und Ergänzung zu professionellen Hilfen.

„Für uns Ehrenamtliche selbst bedeutet das Engagement eine persönliche Bereicherung: Wir lernen Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten kennen und erleben die Begegnungen als wertvoll und horizonterweiternd“, berichtet Anita Kraekel, seit 2017 aktiv im Unterstützerkreis dabei.
 

Grenzen und Übergänge

Das Angebot richtet sich gezielt an Menschen in der frühen Phase der Demenz. Wenn sich die Erkrankung fortentwickelt und die Kommunikation schwieriger wird, begleitet die Altenhilfe-Fachberatung den Übergang zu anderen Unterstützungsformen – etwa Nachbarschaftshilfen, Besuchsdiensten oder Entlastungsangeboten für Angehörige. So bleibt die Unterstützung kontinuierlich und verlässlich.
 

Mitmachen und Teil einer Gemeinschaft werden

Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die Freude an Begegnung, Offenheit und Empathie mitbringen, sind im Unterstützerkreis herzlich willkommen.

Der Zeitaufwand beträgt ungefähr alle zwei Wochen zwei bis drei Stunden. Der Einsatzort befindet sich jeweils wohnortnah im Landkreis Ludwigsburg. Voraussetzung für das ehrenamtliche Engagement ist das Interesse am Thema Demenz und Freude am Gespräch. Die Mitarbeitenden der Altenhilfe-Fachberatung kümmern sich um Schulung, Begleitung und Aufwandsentschädigung.
 

Herausforderungen und Perspektiven

Wie viele sozialraumorientierte Projekte, also Initiativen, die sich an die Bedürfnisse und Interessen von Menschen in einem bestimmten Bereich der Gesellschaft richten, steht auch der Unterstützerkreis vor typischen Entwicklungsaufgaben wie der Gewinnung und Bindung neuer Ehrenamtlicher, der Weiterentwicklung des Projektkonzepts und der Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit.

„Nur durch stetige Sichtbarkeit kann das Angebot Betroffene erreichen und gesellschaftliches Verständnis für das Thema Demenz weiter fördern. Dies bleibt eine zentrale Voraussetzung, um das Engagement nachhaltig zu sichern und weiterzuentwickeln“, so Dierbach.
 

Fazit

Der Unterstützerkreis für Menschen in der frühen Phase der Demenz im Landkreis Ludwigsburg zeigt, wie bürgerschaftliches Engagement Lebensqualität, Selbstbestimmung und Teilhabe stärkt. Das Projekt verbindet fachliche Begleitung mit menschlicher Zuwendung und leistet damit einen wertvollen Beitrag zu einem demenzfreundlichen Gemeinwesen.

Kontakt

Silke Reich • Sibylle Kostron
Altenhilfe-Fachberatung, Landratsamt Ludwigsburg
Mail: altenhilfe@landkreis-ludwigsburg.de
Tel.: 07141 144-2463

Sibylle Kostron ist Mitarbeiterin des Geschäftsteils Seniorenarbeit und Pflege im Landratsamt Ludwigsburg
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