Die häusliche Pflege von Angehörigen kostet viel Kraft und Energie und kann in vielen Fällen auch zu einer eigenen Überlastung führen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2021 etwa 83 % der pflegebedürftigen Menschen in Baden-Württemberg zuhause versorgt. Die meisten (53,9 %) werden von Angehörigen gepflegt und erhalten dafür Pflegegeld. 17,3 % leben ebenfalls zu Hause und werden dort zusätzlich oder ausschließlich von einem ambulanten Pflegedienst versorgt.
Vor allem bei längerer Pflegebedürftigkeit stellt die häusliche Versorgung eine große Herausforderung für die ganze Familie und nahestehende Personen dar. Oft verläuft der Übergang in einen Erschöpfungszustand fließend und von den Betroffenen unbemerkt, bis vielleicht die pflegende Person selbst krank wird und ausfällt.
Aktuellen Vorausrechnungen des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) zufolge, dürften rund 623.000 Menschen in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2035 Pflege benötigen. Das würde eine deutliche Zunahme von 15 % bedeuten. Ebenfalls deutlich steigen wird dann auch die Nachfrage von Versorgungsangeboten und Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass pflegende Angehörige eine wichtige Säule im Versorgungsangebot der Pflege einnehmen, gerade auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Wenn eine Versorgung im häuslichen Umfeld nicht mehr möglich ist, bleibt oft nur der Umzug in ein Pflegeheim. Wenn aber die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen steigt, braucht es auch mehr Fachkräfte, welche die Pflegeleistungen erbringen können.
Nachdem viele Träger von Pflegeheimen bereits heute große Probleme haben, die erforderliche Zahl von Pflegekräften, sowohl Fach- als auch Hilfskräfte, zu finden und gewinnen zu können, sind die Probleme für die Zukunft vorprogrammiert. Der ungedeckte Bedarf wird steigen und vor dem Hintergrund des Personalmangels werden Maßnahmen und Anordnungen der örtlichen Heimaufsichten die unvermeidliche Folge sein. Das Versorgungsproblem selbst lösen diese jedoch nicht. Deshalb ist es wichtig, den Personenkreis der pflegenden Angehörigen künftig stärker in den Blick zu nehmen und für den Erhalt der Motivation und der Leistungsfähigkeit dieser wichtigen Personengruppe zu sorgen.
Pflegende Angehörige sollten gut auf ihre eigene Gesundheit achten und Überlastungen erkennen. Ein Gesprächskreis kann hier schon früh Unterstützung bieten. Neben Entlastungsmöglichkeiten und praktischen Informationen, welche Erleichterung in der häuslichen Pflege schaffen, bietet der vom Pflegestützpunkt Landkreis Rastatt gegründete Gesprächskreis auch eine mentale Unterstützung für pflegende Angehörige. Dieser schafft einen Raum, der einen vertrauensvollen Austausch mit Betroffenen ermöglicht.
Der Gesprächskreis richtet sich vor allem an diejenigen Menschen, die ein offenes Ohr zum Zuhören suchen oder denen der Austausch mit Gleichgesinnten wichtig ist. Diese können die Sorgen, Probleme und Gefühle meist gut nachvollziehen und aufgrund ihrer Erfahrung und eigenen Betroffenheit oftmals zielgerichtete und hilfreiche Ratschläge geben.
Aus Erfahrung wissen wir, dass es entlastend sein kann, sich verstanden zu fühlen und offen über die herausfordernden Themen zu sprechen.
Der Gesprächskreis ist nicht mit einem Beratungsgespräch gleichzusetzen, denn der Gesprächskreis lebt von den Beiträgen und dem Erfahrungsaustausch der TeilnehmerInnen. Eine Mitarbeiterin des Pflegestützpunktes Landkreis Rastatt moderiert dieses Gruppenangebot. Dabei gibt sie den ein oder anderen Tipp zur Bewältigung des Alltags und stellt verschiedene Themen wie mögliche Unterstützung und nützliche Hilfsmittel vor sowie Informationsmaterialien zu diesen Themen zur Verfügung. Sie berichtet zudem aus ihren Beratungserfahrungen und bietet bei Bedarf kleine Entspannungsübungen an.
Die Idee der digitalen Form entstand bereits im Verlauf der Corona-Pandemie, da aufgrund der Kontaktbeschränkungen Video-Beratungen und Online-Meetings deutlich an Bedeutung gewannen und gleichzeitig die Hemmschwelle zu solchen digitalen Angeboten sank. Vorteile der Online-Veranstaltung sind die weiterhin gesicherte Betreuung der Pflegebedürftigen zu Hause und es fallen weder Fahrzeit noch Parkplatzsuche an. Je nach Wohnort im Landkreis ist dies nicht zu unterschätzen und könnte ein Treffen in Präsenz unmöglich machen.
Seit Juli dieses Jahres finden die digitalen Austauschtreffen jeden letzten Donnerstag im Monat statt. Der Gesprächskreis steht allen pflegenden Angehörigen im Landkreis Rastatt offen.Die Rückmeldungen aus den ersten Treffen sind sehr positiv und bestätigen uns in der Durchführung.
Das Hauptproblem für pflegende Angehörige ist der Spagat zwischen eigener Familie, eigenen Bedürfnissen und den Bedürfnissen der zu pflegenden Person. Viele TeilnehmerInnen fühlen sich mit dieser Situation alleine gelassen. Aussagen wie „Man hat permanent ein schlechtes Gewissen“ und „Auch die veränderten Rollenverhältnisse sind Anfangs schwer zu ertragen“, zeigen den Bedarf am Zuhören und sich gegenseitig Kraft geben.
Nicht nur das gegenseitige Verständnis ist Teil der Erwartung der Teilnehmer. Auch voneinander zu profitieren und neue Kontakte zu knüpfen gehört zu den Wünschen an den Gesprächskreis und dessen TeilnehmerInnen. Der Pflegestützpunkt und die TeilnehmerInnen freuen sich bereits auf die Folgetreffen.
Neben der hauptsächlichen Beratungstätigkeit bietet der Pflegestützpunkt immer wieder auch Informationsveranstaltungen zu verschiedenen Themen aus dem Bereich Pflege und Versorgung an. Im kommenden Jahr ist eine Veranstaltungsreihe zum Thema Demenz für interessierte Bürger, Angehörige und Betreuungspersonen geplant.