Liebe Frau Spiegel, liebe Frau Gehlen, können Sie uns kurz erklären, was der Betreuungsverein Ludwigsburg macht und welche Rolle die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer dabei spielen? Worin liegt der Unterschied zwischen ehrenamtlichen und beruflichen Betreuungen?
Frau Spiegel: Zu den Grundaufgaben des Betreuungsvereins gehört, dass wir volljährige Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst oder auch teilweise nicht mehr selbst erledigen können, begleiten und unterstützen.
Außerdem beraten und informieren wir zum Beispiel zur rechtlichen Betreuung, zur Vorsorgevollmacht, zur Betreuungsverfügung oder zur Patientenverfügung.
Und eine wichtige und große Aufgabe ist die Gewinnung, Begleitung und Schulung von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern.
Inhaltlich unterscheidet sich die ehrenamtliche Betreuung nicht von der Berufsbetreuung – die Aufgaben sind dieselben. Also zum Beispiel die Antragstellungen beim Landratsamt für die notwendigen Leistungen der zu betreuenden Person, aber auch die Erstellung von Vermögensverzeichnisse und Rechnungslegungen gehören dazu. Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer erhalten keine Vergütung, sondern eine Aufwandsentschädigung. Sie betreuen häufig Angehörige oder Freunde, aber auch viele sogenannte außerfamiliäre Betreuungen werden von ihnen übernommen. Es ist meist eine persönliche Motivation, eine ehrenamtliche Betreuung zu übernehmen.
Berufliche Betreuer sollen nur dann zum Betreuer bestellt werden, wenn keine geeignete Person für die ehrenamtliche Führung der Betreuung zur Verfügung
steht (§ 1816 BGB). Die Statistik zeigt: Seit Jahren sinkt die Zahl der ehrenamtlichen Betreuer. Seit 2022/2023 sind es sogar weniger ehrenamtliche Betreuungen als berufliche Betreuungen.
Welche Beweggründe bringen Menschen denn dazu, eine ehrenamtliche Betreuung zu übernehmen?
Frau Gehlen: Die Gründe der Personen, die auf uns zukommen und eine ehrenamtliche Betreuung führen möchten, sind ganz vielfältig – das ist wie ein bunter Blumenstrauß. Zum Teil sind es Personen, die hochdotierte Stellen besetzen und im sozialen Bereich zusätzlich noch einen Beitrag leisten möchten und dort ihre Fähigkeiten einbringen möchten. Viele wenden sich auch dann an uns, wenn der Ruhestand naht und Kapazitäten frei werden. Wir haben aber auch viele junge Menschen, die sich engagieren – zum Beispiel Studierende der Sozialen Arbeit, die das Berufsfeld kennenlernen möchten, aber bspw. auch junge Mütter aus sozialen Berufen, die sich neben der Familie auch noch einbringen möchten. Für viele ist es eine sinnvolle Aufgabe, die ihnen auch selbst wieder etwas zurückgibt.
Wie viele Menschen engagieren sich aktuell ehrenamtlich in der rechtlichen Betreuung in Ihrem Betreuungsverein?
Frau Spiegel: Wir haben derzeit circa 300 Ehrenamtliche, die an unseren Betreuungsverein angebunden sind. Als Betreuungsverein unterstützen wir die Ehrenamtlichen bei den Betreuungen.
Wie viel Zeit muss man ungefähr für eine ehrenamtliche Betreuung einplanen?
Frau Gehlen: Es kommt natürlich immer darauf an, was gerade thematisch ansteht, aber wir sagen in der Regel, dass fünf Stunden im Monat ausreichend sind – auch wenn viele Ehrenamtliche von sich aus mehr Zeit einbringen.
Gibt es bestimmte Voraussetzungen oder Qualifikationen, die man mitbringen sollte, oder kann sich grundsätzlich jede und jeder engagieren?
Frau Spiegel: Es gibt keine Vorgaben hinsichtlich der beruflichen Qualifikation oder ähnlicher Kriterien; jedoch darf man weder vorbestraft noch überschuldet sein. Wichtig sind Respekt und Wertschätzung für andere Lebenswelten, um sich in das Ehrenamt einzufinden.
Wie gelingt es Ihnen, die Ehrenamtlichen langfristig an diese verantwortungsvolle Aufgabe zu binden?
Frau Spiegel: Das Ehrenamt muss Spaß machen, und es muss einfach passen zwischen der betreuten Person und den Ehrenamtlichen! Es ist aber auch wichtig, den Ehrenamtlichen die Angst vor Fehlern zu nehmen und für sie da zu sein. Es geht ganz viel darum, ihnen Sicherheit zu geben.
Das gelingt dadurch, dass wir als Betreuungsverein immer wieder unsere Unterstützung anbieten und deutlich machen, dass sie während der Betreuung nicht alleine sind und wir ihnen so diese Angst nehmen. Aber auch, immer wieder zu zeigen, dass sie mit ihrer ehrenamtlichen Betreuung etwas bewegen können und damit den zu Betreuenden ein gutes Gefühl geben.
Wir machen aber auch viel im Bereich der Fortbildungen, um die Ehrenamtlichen zu schulen – was für diese dann auch eine Anerkennung und Würdigung ihres Engagements ist.
Auch die Anbindung an das Netzwerk und den Austausch mit anderen Ehrenamtlichen ist ganz wichtig. So werden der Zusammenhalt und die Unterstützung untereinander gefördert.
Frau Gehlen: Wichtig ist auch der Einführungskurs zu Beginn des Ehrenamts. Wir unterstützen die Ehrenamtlichen bei der Einarbeitung in die Aufgaben, zum Beispiel bei der Rechnungslegung und dem Jahresbericht. Und wie Frau Spiegel bereits sagte, sind der Erfahrungsaustausch und die Schulungen zu ganz unterschiedlichen Themen wichtig – Themen, die die Ehrenamtlichen auch selbst mitbestimmen. Auch der Austausch untereinander bei organisierten Dankes-, Würdigungs- und Anerkennungsveranstaltungen ist ein wichtiger Baustein.
Warum ist das bürgerschaftliche Engagement im Bereich Betreuung gerade heute so wichtig?
Frau Spiegel: Ich denke, wir haben es mit dem demografischen Wandel zu tun und erleben immer mehr Distanz zwischen den Generationen. Durch das Ehrenamt in der Betreuung schafft man wieder Verbindung und Kontakt. Gerade bei unseren jüngeren Ehrenamtlichen erhalten wir immer häufiger die Rückmeldung, dass neue Brücken zwischen den Generationen geschlagen werden – und das wird als große Bereicherung gesehen. Die ehrenamtliche Betreuung fördert die Teilhabe und die Teilgabe.
Frau Gehlen: Genau, es geht viel um soziale Teilhabe und darum, Beziehung zu schaffen. Zum Beispiel: Wenn bei der betreuten Person keine familiären Verbindungen mehr bestehen, entwickeln sich die Ehrenamtlichen oft zu Bezugspersonen, und die betreute Person freut sich ungemein über die Begegnungen und die gemeinsame Zeit.
Frau Spiegel: Deshalb würden wir uns auch wünschen, dass das Ehrenamt in der Betreuung im Allgemeinen mehr Bekanntheit und Anerkennung erhielte.
Herr Teufel: Vielen Dank für Ihren Einsatz und das schöne Gespräch.