Verabschiedung von Joachim Walter als Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg

„Einer, dem nichts zu viel gewesen ist“

Der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Dr. Achim Brötel, würdigte in seiner Laudatio die besonderen Verdienste von Landrat Joachim Walter, der von 2013 bis 2025 als Präsident an der Spitze des Landkreistags Baden-Württemberg stand.
Dr. Achim Brötel · Landkreistag Baden-Württemberg · 22. September 2025
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem aber sehr geehrter, lieber Herr Ehrenpräsident Walter und am allerliebsten lieber Joachim! Viele von uns haben dich in den letzten Jahren immer wieder in den unterschiedlichsten Situationen erlebt. Sprachlosigkeit war dir dabei in aller Regel aber ein von Grund auf fremdes Verhaltensmuster. Wir glauben deshalb, deiner Reaktion gerade eben zumindest ein klein wenig auch entnommen zu haben, dass uns diese Überraschung mit dem Film anscheinend geglückt ist.

Zu verdanken haben wir das im Übrigen einem der größten Filmemacher aus den Studios des Landkreistags in der Panoramastraße, nämlich unserem Hauptgeschäftsführer Prof. Alexis von Komorowski. Dafür will ich auch ein dickes Dankeschön sagen.

Das war eben, wenn ich das so formulieren darf, großes Kino im wahrsten Sinne des Wortes. Weggefährten und Freunde haben dich, lieber Joachim, mit ihren eigenen Worten nicht nur so beschrieben, wie sie dich sehen, sondern vor allem auch so, wie du ganz einfach bist. Deshalb ist es schwer, dem überhaupt noch etwas hinzuzufügen.

Ich könnte es mir natürlich jetzt vergleichsweise leicht machen und einfach auf den bekannten Sportreporter Jörg Dahlmann verweisen, der seinerzeit den Abschied von Lothar Matthäus mit den legendären Worten kommentiert hat: „Da geht er. Ein großer Spieler. Ein Mann wie Steffi Graf.“

Ob Joachim Walter jetzt allerdings wirklich „ein Mann wie Steffi Graf“ ist, weiß ich auch nicht so recht. Ich würde stattdessen eher sagen: Hauptsache, er ist keiner wie Lothar Matthäus. Aber ich will das nicht weiter vertiefen.

Völlig unabhängig davon: Ein großer Spieler bist du, lieber Joachim, zweifelsohne auch gewesen. Kein selbstverliebter Ballkünstler, sondern immer ein mannschaftdienstlicher Teamplayer. Ein kreativer Kopf, der weit über den eigenen Kirchturm hinausschauen kann. Aber auch jemand, der dann nicht wie weiland John Wayne zu einsamen Entscheidungen aus der Hüfte heraus neigt, sondern der ganz im Gegenteil sogar immer spürbar darauf bedacht war, andere schon frühzeitig bei seinen Überlegungen mitzunehmen und das eigene Ergebnis dadurch abzusichern.

Du bist jemand, der zu allen Fragen stets exzellent vorbereitet war und den deshalb auch niemand aufs Glatteis führen konnte. Einer, dem nichts zu viel gewesen ist – an sieben Tagen in der Woche und nicht selten auch zu Uhrzeiten, die andere nur vom Hörensagen kennen. Ein Schaffer vor dem Herrn im wahrsten Sinne des Wortes.

Dazu ein Netzwerker mit vielen Verbindungen in die unterschiedlichsten Bereiche. Wenn es sein musste, auch mal hartnäckig in der Sache, aber stets konziliant im Ton. Überhaupt muss man sagen: Du hast einfach immer die richtigen Worte gefunden, in hitzigen Diskussionen genauso wie in launiger Runde. Joachim Walter führt zusammen und Joachim Walter hält zusammen. Das hat der Qualität unserer Arbeit im Landkreistag zweifelsohne sehr gutgetan.

Du bist in all den Jahren einfach immer und überall präsent gewesen. Sozusagen der Hans-Dietrich Genscher des Landkreistags.

Insbesondere aber – und das steht für mich persönlich über allem anderen – bist du durchweg spürbar Mensch geblieben. Einer von uns, geerdet, bodenständig, normal. Nicht nur einfach ein Kollege, sondern auch ein guter Freund. Jemand, der wunderbar Anekdoten erzählen und dabei auch über sich selbst lachen kann.

Wenn man deine hervorstechenden Charaktereigenschaften beschreiben wollte, dann kämen mir vor allem Verlässlichkeit, Humor, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft, ein klares Wertegerüst und nicht zuletzt deine absolute Loyalität in den Sinn.

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Die trockenen Fakten sind schnell erzählt: Landrat im Landkreis Tübingen seit 2003, inzwischen also in der dritten Wahlperiode. 2007 dann schon die Wahl zum Vizepräsidenten des Landkreistags Baden-Württemberg. 2008 der Vorsitz im Sozialausschuss. Das soll übrigens nicht die schlechteste Ausgangsposition sein. Im Juli 2013 bist du dann in der Nachfolge von Helmut Jahn in Öhringen zum ersten Mal zum Präsidenten des Landkreistags Baden-Württemberg gewählt und seitdem drei Mal wiedergewählt worden. Du hast diese Funktion damit insgesamt mehr als zwölf Jahre lang innegehabt, länger als alle deine Vorgänger. Aber nicht nur das: Du hast in dieser Zeit die Geschicke des Landkreistags vor allem auch ganz maßgeblich geprägt.

Es waren nahezu durchweg besonders herausfordernde Zeiten. Ich will nur den starken Zustrom geflüchteter Menschen ab 2015, die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und jetzt auch noch die kommunale Finanzkrise nennen. Alles das und noch sehr viel mehr hat dich und uns in hohem Maße gefordert. Es hat aber auch die öffentliche und die politische Sichtbarkeit der Landkreise deutlich erhöht und insbesondere unser Profil als wesentliche Akteure des staatlichen Krisenmanagements nachhaltig geschärft. Dazu hast du als unser Präsident, aber auch auf Bundesebene als langjähriger Vizepräsident des Deutschen Landkreistags seit 2014 einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet.

Wir haben es vor allem deinem großen Verhandlungsgeschick, aber auch deinem feinen Gespür für das richtige Timing zu verdanken, dass es gelungen ist, etlichen landes- und auch bundespolitischen Dossiers den richtigen Stempel, nämlich den Landkreisstempel, aufzudrücken.

Ich denke dabei etwa an die erfolgreiche Vertretung der kreiskommunalen Interessen in der Gemeinsamen Finanzkommission. Du hast insgesamt an 14 Sitzungsrunden der GFK teilgenommen – was schon per se nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig ist – und dich dort insbesondere auch mit großem Erfolg für eine bessere Mittelausstattung in den Bereichen Krankenhäuser, Geflüchtetenversorgung, Eingliederungshilfe und Verwaltungsdigitalisierung eingesetzt.

Du hast die ÖPNV-Finanzreform maßgeblich mit ausgehandelt, durch die der Nahverkehr in der Fläche, aber auch die Verantwortung der Kreise als ÖPNV-Aufgabenträger weiter gestärkt worden ist.

Und nicht zu vergessen: Gerade bei der Bewältigung der Corona-Pandemie in Baden-Württemberg ist es nicht zuletzt deinem großen persönlichen Einsatz zu verdanken, dass der Landkreistag zu einem wichtigen Bindeglied zwischen Gesundheitsämtern, Abstrichzentren, Impfzentren und dem Land geworden ist. Du hast dich damals auch sehr aktiv in die unterschiedlichen Lenkungsgremien auf Landesebene eingebracht und vor allem für eine Pandemiebekämpfung mit Augenmaß und dem Blick auf alle Betroffenen stark gemacht.

Deshalb haben wir dich, lieber Joachim, vorhin völlig zu Recht zu unserem allerersten Ehrenpräsidenten überhaupt ernannt. Mit deiner bei aller Entschiedenheit immer wertschätzenden Art hast du dir nämlich in der Tat breite und vor allem auch bleibende Verdienste um die baden-württembergischen Landkreise erworben. Insofern gratuliere ich dir auch an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich zu dieser hohen, vor allem aber hochverdienten Auszeichnung.

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Ich habe heute allerdings auch noch etwas anderes mit dabei. Wir haben nämlich – und das wirklich nur dieses einzige Mal, mehr hätten wir uns natürlich nie getraut – hinter deinem Rücken etwas beschlossen, ohne dich vorher mit einzubinden. Ich darf deshalb hiermit auch ganz offiziell bekanntgeben, dass das Präsidium des Landkreistags einstimmig beschlossen hat, dir zudem die Landkreismedaille in Gold zu verleihen. Diese besondere Ehrung ist schon 1991 geschaffen worden und kann – so heißt es in den Statuten – herausragenden Persönlichkeiten verliehen werden, die sich um die Landkreise in besonderem Maße verdient gemacht haben. Und – darauf haben unsere Altvorderen besonderen Wert gelegt –: Sie soll nur einem kleinen Kreis von Persönlichkeiten vorbehalten bleiben. All das trifft auf dich in ganz hervorragender Weise zu. Deshalb darf ich dich nachher noch kurz zu mir auf die Bühne bitten. Wir wollen dich aber für den Ruhestand schonen. Deshalb darfst du zunächst noch einige Augenblicke sitzenbleiben.

Ich will nämlich vorher noch Danke sagen. Danke vor allem an eine Person, die es jetzt zwar leider gar nicht hören kann, die aber einen riesigen Anteil an dem hat, was du verkörperst. Das ist natürlich deine Frau. Deshalb darf das an dieser Stelle ganz sicher nicht unerwähnt bleiben. Danke, liebe Doris! Dafür haben wir auch einen kleinen Blumengruß vorbereitet, den wir dir gerne nachher für die – um mit Ephraim Kishon zu sprechen – „beste Ehefrau von allen“ mitgeben wollen.

Jetzt folgt für euch beide also schon bald eine völlig neue Lebensphase. Wir wünschen dir, lieber Joachim, dazu in der Tat eine gelingende Wiedereingliederung in das normale Leben. Der Wechsel aus dem Amt des Präsidenten und des Landrats in die Funktion des häuslichen Assistenten markiert ja schon eine gewisse Zäsur. Wir sind deshalb sehr gespannt, wie ihr euren Alltag im (Un-)Ruhestand dann konkret gestalten werdet.

Auf einmal ist da alles irgendwie anders. Ich denke, das ist ein offenes Geheimnis. Keiner hat dieses Phänomen besser beschrieben als der unvergessene Loriot in seiner berühmten Komödie „Pappa ante portas“. Dort wird bekanntlich Heinrich Lohse, der Einkaufsdirektor der Deutschen Röhren AG, in den Ruhestand versetzt und trifft dann zu Hause auf völlig fremde Gestalten, nämlich seine Familie. Daraus entstehen legendäre Dialoge, etwa als Lohse am helllichten Vormittag seine Frau in der eigenen Wohnung überrascht. Sie: „Mein Gott, hast du mich erschreckt.“ Er: „Ich wohne hier.“ Sie: „Aber doch nicht jetzt um diese Zeit!“

Ich weiß nicht, ob sich solche oder so ähnliche Szenen in eurem Haus künftig auch abspielen werden. Das geht uns im Zeitalter der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung auch nichts an. Wir wünschen euch für euren neuen gemeinsamen Lebensabschnitt jedenfalls von Herzen alles Gute, insbesondere aber ganz viel Gesundheit und natürlich deutlich mehr Zeit für das, was sonst eben geradezu zwangsläufig auf der Strecke bleibt, wenn man seinen Beruf und sein Ehrenamt mit dem Enthusiasmus und dem Verantwortungsbewusstsein lebt, wie du das immer getan hast.

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Einen ganz besonderen Wunsch habe ich auch noch im Handgepäck mit dabei. Vor einiger Zeit ist der Generalinspekteur der Bundeswehr bei uns im Neckar-Odenwald-Kreis zu Besuch gewesen, wo er vor vielen Jahren – damals noch mit silbernen Sternen auf der Schulter – Bataillonskommandeur in Hardheim war. General Breuer hat uns im Rahmen eines sicherheitspolitischen Gesprächs dabei sein Lebensmotto verraten. Das ist – wie könnte es bei einem Soldaten anders sein – das Prinzip der strategischen Gelassenheit. Die Herleitung dieses Prinzips war dann für mich aber doch überraschend. General Breuer hat die strategische Gelassenheit nämlich auf die inzwischen verstorbene Queen zurückgeführt, die er bei ihrem letzten Staatsbesuch in Deutschland im Sommer 2015 begleiten durfte. Die Queen habe ihm dabei – wohlgemerkt im Sommer 2015 – im Rahmen eines abendlichen Gesprächs gesagt: „als ich neulich Adenauer traf“.

In der Tat: Das ist die wahre strategische Gelassenheit. Wenn wir dieses Stadium erst einmal erreicht haben, dann kann uns wahrscheinlich nichts mehr aufregen von dem, was gerade in der Welt draußen geschieht. Diese strategische Gelassenheit wünsche ich dir, lieber Joachim, deshalb auch.

Damit möchte ich dich jetzt wirklich zu mir auf die Bühne bitten, damit ich dir in diesem schönen und festlichen Rahmen die Landkreismedaille in Gold verleihen kann.

Ich bin mir zwar bewusst, dass es für dich im Zweifel sehr viel Wichtigeres gibt – ganz im Sinne des vorhin schon und immer wieder gern zitierten Manfred Rommel, der einmal gesagt hat: „Titel, Name, Geld, Befrackung / sind nur zum Zwecke der Verpackung. / Schale gilt nicht, sondern Perle, / wichtig ist allein der Kerle.“ In der Tat: Wichtig ist allein der Kerle. Auch da gilt aber: Du bist und bleibst einfach ein total netter Kerl, der uns im Landkreistag mit Sicherheit fehlen wird.

Die Verleihungsurkunde hat folgenden Wortlaut: „In Anerkennung seiner für die Landkreise erworbenen außergewöhnlichen Verdienste verleiht das Präsidium Herrn Ehrenpräsident Landrat Joachim Walter die Verdienstmedaille des Landkreistags Baden-Württemberg in Gold – Stuttgart, den 22. September 2025 – Dr. Achim Brötel, Präsident“. Herzlichen Glückwunsch von uns allen.

Ich habe noch etwas dabei. Natürlich haben wir auch ein kleines Geschenk für den
(Un-)Ruhestand organisiert – selbstverständlich schon vorher im Detail geprüft und abgestimmt mit dem Regierungspräsidium Tübingen. Die strengen Augen des Herrn Regierungspräsidenten wachen ja auch heute über uns. Wir wissen, dass du künftig wieder mehr an deine alte Leidenschaft anknüpfen willst, nämlich das Campen und das Wohnmobil. Nachdem wir aus den „gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen“ gehört haben, dass deine Campingausrüstung noch nicht ganz vollständig ist, wollen wir Landkreise dazu auch einen kleinen Beitrag leisten, damit du dann, wenn du im Campingsessel sitzt, das eine oder andere Mal vielleicht auch voller Wehmut, gleichwohl aber mit Zufriedenheit und Stolz an deine lange Zeit an der Spitze des Landkreistags Baden-Württemberg und an all die, mit denen du dort so gut und so eng zusammengearbeitet hast, zurückdenkst. Wir haben unser Geschenk symbolisch in ein kleines Wohnmobil verpackt, sind aber sicher, dass du eine geeignete Verwendung dafür haben wirst. Wir haben auch noch einen USB-Stick mit dem Film beigefügt.

In diesem Sinne noch einmal vielen herzlichen Dank für alles, alles Gute, Gottes Segen für dich und deine Familie. Oder, wie es ein früherer Ministerpräsident unseres Bundeslandes jetzt wahrscheinlich in seinem geschliffenen Oxford-Englisch sagen würde: „We wish you what.“ „Wir wünschen dir was.“

Alles, alles Gute!

Dr. Achim Brötel ist Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg
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