Im Rahmen der 41. Landkreisversammlung

Geschäftsbericht des Hauptgeschäftsführers

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits vor zwei Jahren bei der Landkreisversammlung in Villingen-Schwenningen musste ich meinen Geschäftsbericht in zwei Abschnitte gliedern, nämlich in die Zeit vor und in die Zeit nach Ausbruch der Corona-Pandemie.
Prof. Dr. Alexis von Komorowski · Landkreistag Baden-Württemberg · 24. Oktober 2022
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Eine noch sehr viel einschneidendere Zäsur prägt meinen heutigen Geschäftsbericht. Denn in seinen Berichtszeitraum fällt die Zeitenwende, die durch den fürchterlichen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine markiert wird: ein Krieg, wie er uns vor dem 24. Februar dieses Jahres hier in Europa unvorstellbar erschien und der unsagbares Leid über die Menschen in der Ukraine, aber auch über viele Familien in Russland bringt.

Die Phase vor der Zeitenwende, meine Damen und Herren, stand noch stark im Zeichen der Pandemie. Vor allem die zweite und vierte Corona-Welle in den Wintermonaten 2020/2021 und 2021/2022 waren für die Landratsämter als umfassend zuständigen Pandemie-Bewältigungsbehörden herausfordernd. Der Landkreistag und seine Geschäftsstelle haben hier nach Kräften unterstützt. Wir haben auf die bisweilen täglich fortgeschriebenen Corona-Verordnungen eingewirkt, an Musterverträgen für Impfzentren mitgewirkt, die Verteilung von Schnelltests mitorganisiert und nicht zuletzt für Information, Kommunikation und Koordination gesorgt.

Verbandspolitisch war es uns dabei wichtig, Vereinseitigungen bei der Pandemie-Bewältigung zu vermeiden und nicht intendierte Nebenfolgen staatlicher Schutzmaßnahmen in die Abwägung einzubeziehen. Ich erwähne hier nur die Kollateralfolgen für Kinder und Jugendliche.

Seit dem Frühjahr dieses Jahres waren es dann die Folgen des verbrecherischen Angriffskriegs Putins, die mit zunehmender Wucht in den Landkreisen aufgeschlagen sind und auch den Landkreistag mitsamt seiner Geschäftsstelle stark gefordert haben. Inzwischen sind die Kapazitäten für die Unterbringung der Ukraine-Geflüchteten vielerorts nahezu erschöpft, zumal auch die Zahl der Schutzsuchenden aus dem Mittleren und Nahen Osten sowie aus Afrika massiv zugenommen hat. Sie wissen alle, dass die Zahl der Geflüchteten auf der Balkanroute sich verdreifacht hat.

Für den Landkreistag und seine Geschäftsstelle standen und stehen hier Fragen wie diese im Mittelpunkt des tagtäglichen Geschäfts: Wie können die Geflüchteten im Land fair verteilt werden, die beträchtlichen Kosten der Flüchtlingsaufnahme refinanziert, kranke, behinderte und versehrte Vertriebene versorgt, die vielen Kinder und Jugendlichen unter den Ukraine-Geflüchteten altersgerecht betreut, die Voraussetzungen für eine gelingende Arbeitsmarktintegration optimal ausgestaltet und Minderheitenangehörige aus der Ukraine adäquat aufgenommen werden?

Erschwerend tritt hinzu, dass die Ukraine-Krise ja nicht allein für sich steht, sondern mit einer massiven Energie- und einer sich ständig verschärfenden Wirtschaftskrise einhergeht. Der Landkreistag und seine Geschäftsstelle haben hier von Beginn an an der Erarbeitung des Landeskonzepts zur Sicherung der Energieversorgung mitgewirkt und sich eingehend mit diversen Bevölkerungsschutzszenarien beschäftigt.

Daneben sind es natürlich ganz besonders auch die finanziellen und sozialen Folgen der Energie- und Wirtschaftskrise, mit denen die Landkreise im Rahmen der Daseinsvor- und -fürsorge umzugehen haben. So mussten und müssen sich die Kreise intensiv mit den energiepreis- und inflationsgetriebenen Sachkostensteigerungen in so unterschiedlichen Bereichen wie dem öffentlichen Personennahverkehr, der Pflege und der Eingliederungshilfe auseinandersetzen.

Wichtig war uns allerdings in den vergangenen Jahren auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir über das bloße Krisenmanagement nicht die Langzeit-, die Megathemen aus dem Blick verlieren, die zukunftsentscheidend sind. Mit Blick auf die erforderliche Dekarbonisierung aller gesellschaftlichen Sektoren hat sich der Landkreistag beispielsweise in die Taskforce Erneuerbare Energien des Landes eingebracht und auch in die ÖPNV-Strategie des Landes. Beim Thema Digitalisierung sind wir nicht nur als Interessenvertretung der kommunalen Seite unterwegs, sondern wir begleiten operativ Landkreiskonvois, die die Verwaltungsdigitalisierung ganz konkret vor Ort implementieren wollen. Beim demografischen Wandel lautete und lautet unser Credo, dass dieser durch proaktive und aktivierende kommunale Sozialpolitik gestaltet werden muss, wenn er nicht erlitten werden soll.

Krisenmanagement und Zukunftsgestaltung, meine Damen und Herren, ist ohne ausreichende Finanzmittel nicht möglich. Deshalb haben in den vergangenen beiden Jahren die Finanzverhandlungen mit dem Land erneut einen breiten Raum in unserer Verbandsarbeit eingenommen. Hier konnte manches erreicht werden. Ich nenne hier nur beispielhaft den mit 240 Millionen Euro dotierten Krankenhausrettungsschirm, den wir Ende 2021 vereinbaren konnten. Allerdings haben die letzten Verhandlungsrunden gezeigt, dass uns finanzpolitisch äußerst schwierige Zeiten ins Haus stehen.

Umso wichtiger ist es, gerade in Zeiten wie diesen einen Präsidenten an der Spitze des Verbands zu haben, der – wir sehen es heute – keine Belastbarkeitsgrenzen zu kennen scheint. Deswegen ist es mir auch ein Anliegen im Rahmen meines Geschäftsberichts, Ihnen, Herr Präsident, für Ihren großartigen Einsatz zu danken und vor allem auch für das tolle Zusammenspiel mit der Geschäftsstelle. Herzlichen Dank dafür.

In meinen Dank schließe ich auch alle Landrätinnen und Landräte ein, die durch ihr Engagement in den Gremien des Landkreistags, aber auch durch das Einstehen für verbandspolitische Positionen unsere verbandspolitischen Erfolge überhaupt erst möglich machen. Bitte richten Sie, sehr geehrte Landrätinnen und Landräte, einen herzlichen Dank der Geschäftsstelle auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Häusern aus, denn die Arbeit, die Qualität eines Landkreistags und seiner Geschäftsstelle ist immer nur so gut wie die Hinweise, Stellungnahmen und Impulse, die wir von den Landratsämtern aus Ihren Häusern erhalten.

Last, but not least gilt ein herzliches Dankeschön dem Team unserer Geschäftsstelle. Es ist wirklich enorm, was meine Kolleginnen und Kollegen in dieser Zeit multipler Krisen leisten mit hohem Pflichtbewusstsein, man möchte fast sagen: mit altpreußischem Pflichtbewusstsein. Das ist wirklich großartig, und darauf kann man stolz und dafür muss man dankbar sein.

Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, dass wir als Landkreistag und als dessen Geschäftsstelle auch in den kommenden zwei Jahren alles unternehmen und alles daransetzen werden, die Landkreise auch in diesem schwieriger werdenden Fahrwasser zu unterstützen und zu flankieren in ihrer Arbeit.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Prof. Dr. Alexis von Komorowski ist Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg
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